GESIS Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften: Homepage aufrufen
Kompetenz­zentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung

Auftaktveranstaltung: Genderforum der Uni Würzburg


Kategorien: Frauen- und Geschlechterforschung; Hochschulen, Hochschulforschung; Wissenschaft Aktuell

Drei Preisträgerinnen, zwei Festvorträge und ein gemeinsames Anliegen: Mit einer öffentlichen Auftaktveranstaltung in der Neubaukirche hat das Genderforum der Uni Würzburg die Arbeit aufgenommen.

„Genderforschung ist als interdisziplinäres Forschungsfeld an nahezu allen Fakultäten der Universität Würzburg vertreten – von den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften über die Medizin bis zur Mathematik.“ Was sich in der Poster-Ausstellung zeigte, bestätigte Unipräsident Alfred Forchel in seinem Grußwort zu Beginn der Auftaktveranstaltung. Wissenschaftlerinnen und Studierende in unterschiedlichen Disziplinen, die sich mit dem Thema Gender beschäftigen, miteinander zu vernetzen, ihre Zusammenarbeit innerhalb der Universität zu fördern und so dieses wichtige Forschungsfeld weiter zu stärken: Dies sind nach Forchels Worten die Aufgaben des Genderforums der Universität Würzburg.

Dabei solle Gender nicht nur ein Thema für die Forschung sein, sondern auch für die Lehre. Überdies könne sich Forchel vorstellen, ein Gender-Forschungszentrum einzurichten sowie eine Gastprofessur auf diesem Gebiet zu etablieren, die durch die Fakultäten wandert.

Eine Idee, die Marie-Christine Dabauvalle, Frauenbeauftragte der Universität und wesentliche Kraft hinter der Gründung des Genderforums, in ihrem Grußwort direkt aufgriff: Ihre Vision sei die Einrichtung einer interfakultären Professur für Genderforschung an der Uni Würzburg – eine Vision, die sie so schnell wie möglich in die Realität umsetzen möchte. Darüber hinaus will Dabauvalle mit Hilfe des Genderforums den Dialog mit der Öffentlichkeit fördern. Eine neue Vortragsreihe mit monatlichen Vorträgen wird deshalb im Juni starten.

Welche Themen im Mittelpunkt solcher Vorträge stehen könnten, durften die Besucher der Auftaktveranstaltung in der Neubaukirche direkt im Anschluss an die Grußworte erleben. Margarethe Hochleitner und Lann Hornscheidt boten Einblicke in ganz unterschiedliche Forschungsgebiete.

„Gender Medizin – Was ist das?“ war der Vortrag von Margarethe Hochleitner überschrieben. Die Internistin ist Professorin an der Medizinischen Universität Innsbruck und räumte gleich zu Beginn mit einem möglicherweise weit verbreiteten Vorurteil auf: „Bei Gender Medizin geht es nicht um Frauengesundheit. Gender Medizin ist Frauen- und Männergesundheit“, so die Medizinerin.

Vorurteile gibt es in der Medizin allerdings häufig. Herzinfarkt? Klare Männerkrankheit! Brustkrebs? Betrifft nur Frauen! Und Osteoporose? Der Mann, der von sich aus seine Knochendichte überprüfen lässt, musst erst noch gefunden werden. Das Problem an diesen Vorurteilen ist die Tatsache, dass sie für die Betroffenen drastische Konsequenzen haben können. „Frauen mit Herzproblemen bekommen später eine Herzkatheter-Untersuchung und einen Bypass. Sie haben geringere Chancen auf Spitzenmedizin“, sagte Hochleitner. Dabei zeige die Statistik, dass Herz-Kreislauferkrankungen weltweit die Todesursache Nr. 1 sind – für Männer wie Frauen gleichermaßen. Im Gegenzug ist die Sterblichkeit von Männern, die an Brustkrebs erkrankt sind, deutlich höher, verglichen mit der von Frauen. Sie müssten erst „beweisen“, dass sie tatsächlich davon betroffen sind, so die Ärztin. Gender Medizin ist nach Ansicht von Margarethe Hochleitner nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer personalisierten Medizin. Denn: „Je besser die Unterscheidung, desto besser die Angebote“.

Eine Welt, in der die Wahrnehmung von Menschen von deren Geschlecht entkoppelt ist, wünscht sich Lann Hornscheidt. Die Wissenschaftlerin hatte bis Ende 2016 die Professur für Gender Studies und Sprachanalyse an der Berliner Humboldt-Universität inne – und würde sich vermutlich jetzt über die Verwendung des Begriffs „Wissenschaftlerin“ beschweren. Hornscheidt möchte keinem Geschlecht zugeordnet sein und lehnt deshalb für sich eine Bezeichnung als Mann oder Frau in der Anrede ab. Lann Hornscheidt bezeichnet sich im Sinne der geschlechtsneutralen Sprache als „Professx“. „Ohne Rassismus gäbe es keine Rassen. Ohne Sexismus gäbe es keine Geschlechter.“ So lautete die zentrale These in Lann Hornscheidts Vortrag. Jeder Mensch bekommt spätestens bei der Geburt ein Geschlecht zugewiesen und damit eine soziale Rolle, die er im Laufe seines Lebens zu erfüllen habe, meint Lann Hornscheidt. Diese „Naturalisierung von sozialen Rollen und Normen“ gehe einher mit einem Machtgefälle, mit Diskriminierung und Gewalt. Schließlich sei Geschlecht keine hierarchiefreie Kategorisierung. Die Zuhörer forderte Hornscheidt deshalb dazu auf, sich zu überlegen, was es mit ihnen machen würde, wenn sie die Wahrnehmung von Menschen von deren Geschlecht entkoppeln. Gender Studies können nach der Meinung von Hornscheidt dabei helfen, solche Normen wahrzunehmen, die „Vielschichtigkeit struktureller Gewalt zu verstehen“ und Veränderungen anzustoßen. „Wir brauchen die Debatte, um eine Welt zu gestalten, in der sich alle Menschen entfalten können, ohne dies auf Kosten anderer Menschen zu tun“, ist die Überzeugung von Lann Hornscheidt.

Über das Genderforum: Die Universität Würzburg strebt die Stärkung von Genderaspekten in Forschung und Lehre an. Zahlreiche Forscherinnen und Forscher sowie Studierende unterschiedlicher Disziplinen der Universität Würzburg befassen sich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit mit dem Thema Gender. Um ihnen eine Plattform zum Austausch zu bieten und die Vernetzung innerhalb und außerhalb der Universität zu fördern, wurde im Wintersemester 2016/2017 das Genderforum eingerichtet. http://www.uni-wuerzburg.de/genderforum/startseite/

Quelle und weitere Informationen, auch zu den Preisträgerinnen der drei Posterpreise für Genderforschung: PM - Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 11.05. 2017