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Horizont 2020 Interim Evaluation: Lückenhafte Datenlage zu weiblicher Beteiligung und Genderaspekten


Kategorien: Wissenschaftspolitik; Europa und Internationales; Geschlechterverhältnisse; Netzwerke und Organisationen; Wissenschaft Aktuell

Ende Mai 2017 hat die EU-Kommission die sogenannte Zwischenevaluierung (Interim Evaluation) von Horizont 2020 veröffentlicht. In den ersten drei Jahren seiner Laufzeit wurden demnach mehr als 100.000 Projektanträge eingereicht. Damit stieg die Zahl der jährlichen Projektanträge im Vergleich zum 7. Forschungsrahmenprogramm um etwa 65 Prozent, was zu niedrigeren Erfolgsraten im Vergleich zum Vorgängerprogramm führte. Bisher wurden rund 11.000 Projekte mit Teilnehmenden aus mehr als 130 Ländern mit insgesamt 20,4 Milliarden Euro gefördert.

Die Ergebnisse der Evaluation fußen neben der kommissionseigenen Datenbank auch auf einer öffentlichen Konsultation sowie der Arbeit mehrerer zu diesem Zweck einberufener Beratungsgremien, darunter auch einer Gruppe zu „gender equality as a cross cutting issue in Horizon 2020.“

Der Koordinatorinnenanteil in Horizont 2020-Projekten liegt bei 31 Prozent. Darunter sind 24,5 Prozent weibliche PIs (Principal Investigators) beim ERC, etwas mehr als 42 Prozent Marie-Sklodowska-Curie-Fellows und knapp 30 Prozent Koordinatorinnen sonstiger Projekttypen in Horizont 2020.

Deutliche Verbesserungen bei der Beteiligung von Frauen wurden in Entscheidungs- und Beratungsgremien verzeichnet. Hier wurde insgesamt ein Frauenanteil von knapp 37 Prozent (Evaluierungen) und 53 Prozent (Beratungsgremien) ermittelt. Zugenommen hat auch der Anteil von Männern und Frauen, die in ihrem Profil in der Datenbank für Gutachterinnen und Gutachter angeben über Genderexpertise zu verfügen. Dies wird seit dem Übergang vom 7. Forschungsrahmenprogramm zu Horizont 2020 dezidiert abgefragt.

Der Anteil an sogenannten mit Gender „geflaggten“ Topics, also Ausschreibungsthemen, die für genderrelevanten Inhalt eine explizite Markierung erhalten, ist im Vergleich vom ersten zum zweiten Arbeitsprogramm gestiegen. Hier ist jedoch anzumerken, dass ein systematisches, engmaschiges Follow-up noch fehlt. Nötig wäre eine Überprüfung, ob und inwiefern Anträge auf solche Topics wirklich konsequent und in angemessener inhaltlicher Tiefe auf die Genderdimension eingehen. Im Bericht selbst wird eingeräumt, dass es weiterhin Missverständnisse gibt und zum Beispiel die sogenannte „Gender Balance“ im Forschungsteam fälschlicherweise an Stellen angeführt wird, wo Gender im Sinne des Forschungsinhalts gefragt wäre. Der Bericht räumt ebenfalls ein, dass Lücken im Monitoring für Horizont 2020 bestehen und damit die Datenqualität zu Gender und Chancengerechtigkeit nicht einwandfrei ist.

So wird bei der Evaluierung bislang nicht einheitlich und transparent mit dem Unterpunkt zu Gender in Anträgen umgegangen. In Standard-Anträgen von Horizont 2020 wird unter dem Punkt „Exzellenz“ gefordert: „Where relevant, describe how sex and / or gender analysis is taken into account in the project's content.“ Was allerdings passiert, wenn dieser Satz nicht oder nur unzureichend beantwortet wird, ist nicht klar.

Ebenso gibt es bislang keine Zahlen dazu, in wie vielen Fällen oder ob überhaupt das Geschlechterverhältnis im Konsortium als Kriterium herangezogen wurde, wenn es zwischen punktgleichen Anträgen zu priorisieren galt. Das sogenannte Ex-Aequo-Verfahren sieht für Horizont 2020 eine Reihe von Faktoren vor, die in vorgegebener Reihenfolge überprüft werden sollen, um nachvollziehbar eine Rangfolge bei Punktegleichstand festzulegen.

Bis Anfang Juli sollen die Ergebnisse von einer hochrangigen Expertinnen- und Expertengruppe ausgewertet und anschließend am 3. Juli auf einer Konferenz in Brüssel präsentiert werden. Für Oktober 2017 wird eine Kommissionsmitteilung erwartet, die unter Berücksichtigung der Expertinnen- und Expertenmeinungen auch Empfehlungen für die abschließende Evaluierung von Horizont 2020 enthält.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission zur Interim Evaluation finden Sie hier.

Quelle: Newsletter Kontaktstelle Frauen in die EU-Forschung (FiF), 09.06.2017