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Veränderung durch Krisen? Solidarität und Entsolidarisierung in Deutschland und Europa

Sowohl Deutschland als auch andere europäische Länder waren in den letzten zehn Jahren verschiedenen Krisen oder als Krise bezeichneten Phänomenen ausgesetzt. Jene Krisen haben sich sehr umfangreich gestaltet und bedingten sich zum Teil gegenseitig.

Mit Ausbruch der Finanzkrise, welche den europäischen Kontinent im Jahr 2007 erreichte und der daraus resultierenden Eurokrise entstanden Verteilungskonflikte sowohl innerhalb europäischer Staaten als auch zwischen den Ländern. Der gesellschaftliche Zusammenhalt wurde durch die Frage der Verantwortung und der Übernahme der Kosten jener ökonomischen Krisen auf verschiedenen Ebenen in Frage gestellt. Zudem wurden in Folge der ökonomischen Krisen wichtige Entscheidungen gerade auf der internationalen Ebene intransparent und nahezu ohne Mitspracherecht der Bevölkerung sowie nationaler Parlamente getroffen. Diese Entscheidungen bedingten eine Krise der demokratischen Repräsentation auf nationaler und europäischer Ebene, welche auch als Legitimationskrise bezeichnet wird.

Darüber hinaus forderte die Ende des Jahres 2014 beginnende Migrationskrise die europäische Gemeinschaft erneut. In vielen Ländern war eine Entsolidarisierung zwischen Aufnahmegesellschaft und Flüchtlingen zu beobachten. Zudem entstand ein Konflikt über die Verteilung der Asylsuchenden innerhalb der Europäischen Union zwischen ihren Mitgliedsstaaten. Dies führte dazu, dass soziokulturelle Konflikte mit ökonomischen Fragen verknüpft wurden. Dagegen stehen aber auch Unsummen an monetären und materiellen Spenden und ein hohes Ausmaß an ehrenamtlichem Engagement für geflüchtete Personen als Zeichen von Zusammenhalt.

Das Forschungsprojekt Veränderung durch Krisen? Solidarität und Entsolidarisierung in Deutschland und Europa, kurz Solikris, blickt auf diese Situation mit zwei zentralen Annahmen: erstens, auch wenn die unterschiedlichen Krisen nicht zwangsläufig kausal miteinander verbunden sind, so überlagern sie sich dennoch in ihrer Wirkung auf Gesellschaften, Politik und das Verhältnis von Nationalstaaten. Zweitens, verbindet all diese Krisen die Tatsache, dass sie auf unterschiedliche Weise die Solidarität und den Zusammenhalt von Individuen, sozialen Gruppen, aber auch Staatengemeinschaften fordern. Herausforderungen dieser Art können Solidarität mindern, folglich eine Entsolidarisierung vorantreiben. Letztlich sind es aber eben auch jene Herausforderungen, die potentiell Solidarität aktivieren oder sogar verstärken. Vor diesem Hintergrund lautet die zentrale Forschungsfrage von Solikris: Welche positiven und negativen Effekte haben die verschiedenen gemeinsam wirkenden Krisen auf die Solidarität innerhalb und zwischen den Ländern Europas?

Die inhaltliche Ausrichtung von Solikris fokussiert zum einen politische bzw. demokratische Solidarität, unter besonderer Berücksichtigung politischer Legitimität und institutionellen Vertrauens. Zum anderen werden (Veränderungen der) Solidarität zwischen bestimmten gesellschaftlichen Gruppen, konkret der (i) Aufnahme- und Einwanderergesellschaft und (ii) zwischen der älteren und der jüngeren Generation untersucht.

Für die Analyse genannter Solidarisierungs- und Entsolidarisierungsprozesse werden verschiedene Einzelstudien erstellt, welche anschließend zu einem Gesamtergebnis gebündelt werden. Ziel ist es, sowohl Krisenphänomene und deren Auswirkungen auf Solidarität besser zu verstehen als auch den Fokus des Forschungsprozesses auf eben jene Aspekte zu legen, welche die größten Probleme oder Herausforderungen für etablierte Demokratien bedeuten. Zu diesem Zweck veranstaltet Solikris Vorlesungsreihen, veröffentlicht Stellungnahmen, wissenschaftliche Publikationen sowie generierte Datensätze und erhebt darüber hinaus mithilfe des GESIS-Panels eigens Daten.  

Die im Kontinuum zwischen Entsolidarisierung und Solidarität ergebnisoffenen Studien werden in vier Arbeitspaketen erstellt (AP 1-4). Diese inhaltlichen Arbeitspakete werden durch zwei weitere Arbeitspakete bezüglich der Datenarbeit und der Dissemination der Ergebnisse unterstützt (AP 5-6).

Projektlaufzeit: 01.12.2017-30.11.2020

Projektleitung: Prof. Dr. Alexia Katsanidou

AntragstellerInnen: Dr. Heiko Giebler, Prof. Dr. Jale Tosun, Prof. Dr. Bernhard Weßels

Gefördert durch: Bundesministerium für Bildung und Forschung

BMBF Förderlinie: Zusammenhalt stärken in Zeiten von Krisen und Umbrüchen

Konsortium: GESIS, Universität Heidelberg, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung