Inhaltliche Beschreibung
Diagramm 1 zeigt die Frauenanteile an Promovierenden und Promotionsanfänger*innen im Jahr 2022 und an Hochschulabschlüssen, die für eine Promotion berechtigen, im Jahr 2021 aufgeschlüsselt nach Fächergruppen. Zu den Hochschulabschlüssen, die zur Promotion berechtigen, zählen Masterabschlüsse (Universität und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften), universitäre Abschlüsse (z. B. Diplom, Magister, Staatsexamen) sowie Lehramtsabschlüsse (Master of Education). 2021 betrug der Frauenanteil an diesen Hochschulabschlüssen 54,8 Prozent, der Anteil an den Promotionsanfänger*innen im Folgejahr (2022) 48,2 Prozent. Frauenanteil bei den Promovierenden im Jahr 2022 lag ebenso bei 48,2%.
Um Veränderungen beim Frauenanteil beim Übergang in die wissenschaftliche Weiterqualifikation genauer zu erkennen, zeigt Diagramm 2 die Differenz des Frauenanteils zwischen den Hochschulabschlüssen, die zur Promotion berechtigen, im Jahr 2021 und den Promotionsanfänger*innen im Jahr 2022 insgesamt und aufgeschlüsselt nach Fächergruppen.
Über alle Fächergruppe sinkt der Frauenanteil beim Übergang vom Hochschulabschluss in die wissenschaftliche Weiterqualifikation mit einer Promotion um fast sieben Prozentpunkte. In allen Fächergruppen mit Ausnahme von Sport, Kunst und Kunstwissenschaften sowie in der kleinen Gruppe der Fächer außerhalb der Studienbereichsgliederung ist der Frauenanteil an den Promotionsanfänger*innen niedriger als an den Hochschulabschlüssen. Mit einem Rückgang von fast 20 Prozentpunkten verliert die Fächergruppe mit dem höchsten Frauenanteil bei Studierenden und Abschlüssen (76,2%), die Geisteswissenschaften, besonders viele Frauen bei dem Übergang zur Promotion. In den Fächergruppen Mathematik, Naturwissenschaften und Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften liegt der Frauenanteil an den Promotionsanfänger*innen um rund 10 Prozentpunkte unter den Abschlüssen des Vorjahres. In den Ingenieurwissenschaften, der Fächergruppe mit dem niedrigsten Frauenanteil bei den Abschlüssen (26,3%), liegt die Differenz im Übergang zur Promotion dagegen bei nur 2,1 Prozentpunkten.
Kontext und gleichstellungspolitische Bedeutung
Eine Promotion ist der Einstieg in die wissenschaftliche Weiterqualifikation und Grundlage, um Führungspositionen an Hochschulen, in Forschungseinrichtungen sowie forschungsintensiven Privatunternehmen zu erlangen. Wenn Frauen seltener als von ihrem Anteil an Hochschulabschlüssen zu erwarten wäre, eine Promotion beginnen, werden geschlechterspezifische Ungleichheiten erkennbar. Der Übergang in die Promotion ist damit Teil der „Leaky Pipeline“.
Während bereits beim Übergang von der Schule in die Hochschule anteilsmäßig trotz besser Noten weniger Frauen als Männer ein Studium aufnehmen, schließen Frauen genauso erfolgreich wie Männer ihr Studium ab und auch beim Übergang vom Bachelor-Abschluss zum Masterstudium gibt es keine geschlechterspezifischen Unterschiede. Der Übergang in die Promotion ist dann die erste Schwelle, bei der der Frauenanteil deutlich zurückgeht.
Geschlechterunterschiede bei der Promotionsaufnahme wurden bisher kaum erforscht (Vogel 2017). Mögliche Ursachen sind:
- Geschlechterunterschiede bei der Teilhabe an studentischen Hilfskrafttätigkeiten, die erste Erfahrungen mit wissenschaftlichen Tätigkeiten und Kontakte zu Betreuenden ermöglichen (Vogel 2017),
- Diskriminierung bei der Rekrutierung von Promovierenden durch homosoziale Kooptation (Vogel 2017, Beaufaÿs 2012)
- geschlechtsspezifischer Fächerwahl: Frauen studieren häufiger Fächer, in denen Promotionen weniger profitabel und seltener sind und keine zusätzlichen Karriereanreize bieten (Vogel 2017).
- Fehlende institutionelle Rahmenbedingungen seitens der Hochschulen hinsichtlich einer erfolgreichen Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Arbeit und Familie: Zwar ist nur ein kleiner Anteil der promovierenden Frauen bereits Mutter. Diese übernehmen jedoch deutlich mehr Sorgearbeit als promovierende Väter (Hendrix 2017)
- Prekäre Beschäftigungsverhältnisse während der Promotion und schlechtere Beschäftigungsbedingungen für promovierende Frauen: 31% der promovierenden Männer, jedoch nur 25% der promovierenden Frauen haben ein Beschäftigungsverhältnis an einer Hochschule [Verlinkung innerhalb des Statistikportals], wobei dieser Geschlechterunterschiede vor allem auf die hohe Beschäftigungsquote in den Fächergruppen Mathematik, Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften zurückzuführen ist. Zudem ist der vertraglich vereinbarte Stellenumfang von Frauen niedriger (Hendrix 2017).
Auch intersektionale Verknüpfungen beim Übergang in die Promotionsphase wurden bisher kaum erforscht. So kann vermutet werden, dass Frauen aus nicht-akademischen Familien seltener als Männer der gleichen Herkunftsgruppe oder als Frauen aus akademischen Familien eine Promotion beginnen (Möller 2011).
Gleichstellungspolitische Initiativen, die den Übergang in die Promotion unterstützen, umfassen Personalentwicklungsmaßnahmen wie Mentoring und Coaching für Studentinnen in der Abschlussphase und für Promovendinnen sowie vereinzelt finanzielle Förderungen.
Hier finden Sie Beispielprojekte zur Förderung des Übergangs in die Promotion.
Quelle
Die Daten stammen vom Statistischen Bundesamt
Statistischer Bericht: Statistik der Prüfungen
Statistischer Bericht: Statistik der Promotion
Hochschulen - Statistisches Bundesamt (destatis.de)
Daten als Excel-Datei: hier (136 kB)
Datenqualität
Art der Datenerhebung
Sekundärerhebung (Vollerhebung) auf Basis der Verwaltungsdaten der Hochschulen
Erhebungstermin
Prüfungsstatistik: Prüfungsjahr
Promovierenden Statistik: Berichtsjahr, Stichtag: 01.12
Periodizität
Jährlich
Erhebungseinheiten
Promotionen
Promotionsanfänger*innen
Hochschulabschlüsse, die zu einer Promotion berechtigen: Masterabschluss an Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, Universitärer Abschluss, Lehramt sowie Summe der Abschlüsse
Weiterführende Literatur
Baader, Meike Sophia; Korff, Svea (2015): Chancengleichheit durch strukturierte Promotionsförderung – ein Tabu in der Umsetzung? In: Die Hochschule: Journal für Wissenschaft und Bildung 24 (2), S. 58–78. (URL: www.hof.uni-halle.de/journal/texte/15_2/2015_2.pdf, abgerufen am 14.02.2017).
Beaufaÿs, Sandra (2012): Zugänge zur Promotion. Welche selektiven Mechanismen enthält die wissenschaftliche Praxis? In: Huber, Nathalie; Schelling, Anna & Hornbostel, Stefan (Hg.): Der Doktortitel zwischen Status und Qualifikation. Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ), S. 163–172.
Briedis, Kolja; Jaksztat, Steffen; Preßler, Nora; Schürmann, Ramona; Schwarzer, Anke (2017): Berufswunsch Wissenschaft? Laufbahnentscheidungen für oder gegen eine wissenschaftliche Karriere. Zusatzauswertungen. Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW): Hannover.
Flaake, Karin; Fleßner, Heike; Kirschbaum, Almut; Noeres, Dorothee (2005): Promotionsförderung und Geschlecht. Zur Bedeutung geschlechtsspezifisch wirkender Auswahlprozesse bei der Förderung von Promotionen an niedersächsischen Hochschulen: Oldenburg: Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg (BIS).
Hendrix, Ulla (2017): Frauen an der Schwelle zur Wissenschaftskarriere? Geschlechteraspekte der Promotionsphase. In: Dahmen, Jennifer & Thaler, Anita (Hg.): Soziale Geschlechtergerechtigkeit in Wissenschaft und Forschung. Opladen, Berlin, Toronto: Budrich, 193-210.
Hochschulrektorenkonferenz (HRK) (2017): Promotionen von Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulen und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und Promotionen in kooperativen Promotionsverfahren. HRK-Umfrage zu den Prüfungsjahren 2012, 2013 und 2014: Berlin (Statistiken zur Hochschulpolitik, 1/2017). (URL: www.hrk.de/fileadmin/redaktion/hrk/02-Dokumente/02-05-Forschung/Promotion_FH_HAW-Absolvent_innen.pdf, abgerufen am 11.05.2017).
Holtmann, Karen; Schäfer, Sabine (2015): Lernen im Prozess. das gender- und diversitygerechte Auswahlverfahren der Bielefeld Graduate School in History and Sociology (BGHS). In: Journal Netzwerk Frauen und Geschlechterforschung NRW (36), S. 62–67. (URL: www.netzwerk-fgf.nrw.de/fileadmin/media/media-fgf/download/publikationen/Journal-36_Netzwerk-FGF.pdf.
Kahlert, Heike (2014): Gender (In)Equality in Academic Career Promotion of Doctoral Students. In: Thege, Britta; Popescu-Willigmann, Silvester; Pioch, Roswitha & Badri-Höher, Sabah (Hg.): Paths to Career and Success for Women in Science. Findings from International Research. Wiesbaden: Springer VS, S. 37–62.
Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs (2021): Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2021. Statistische Daten und Forschungsbefunde zu Promovierenden und Promovierten in Deutschland. 1. Auflage: Bielefeld: wbv Media. (URL: www.buwin.de/dateien/buwin-2021.pdf, abgerufen am 02.03.2022).
Korff, Svea; Roman, Navina (Hg.) (2013): Promovieren nach Plan? Chancengleichheit in der strukturierten Promotionsförderung. 2. Aufl: Wiesbaden: Springer-Verlag.
Meyer, Birgit (2016): Traumziel Frau Doktor! Oder ""Nehmen Sie's wie ein Mann, Madame! Werden Sie Frau Professorin!". Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen an Fachhochschulen in Baden-Württemberg. In: Engelfried, Constance & Ibisch, Pierre L. (Hg.): Promovieren an und mit Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Am Wendepunkt? Opladen, Berlin, Toronto: Verlag Barbara Budrich, S. 199–213.
Mischau, Anina; Neuß, Sonja; Lehmann, Jasmin (2010): Die Promotion als erste Etappe einer akademischen Laufbahn. MathematikerInnen und InformatikerInnen im Vergleich. In: Koreuber, Mechthild (Hg.): Geschlechterforschung in Mathematik und Informatik. Baden-Baden: Nomos Verlag, S. 63–86.
Möller, Christina (2011): Soziale Herkunft von Nachwuchswissenschaftler/innen. und sozialer Wandel. Elterliche Bildung und Karrierewege der Kollegiatinnen des Graduiertenkollegs ‚Geschlechterverhältnis. In: Wergen, Jutta (Hg.): Forschung und Förderung. Promovierende im Blick der Hochschulen. Berlin: LIT Verlag.
Vogel, Susanne de (2017): Wie beeinflussen Geschlecht und Bildungsherkunft den Übergang in individuelle und strukturierte Promotionsformen? In: KZfSS 69 (3), S. 437–471.