Familien unter Druck: 49 Prozent der Erwerbspersonen mit Kindern schätzen ihre Situation als stark belastend ein


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Aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung erschienen 40 Prozent der Erwerbspersonen in Deutschland fühlen sich während des zweiten Lockdowns stark oder sogar äußerst belastet. Wenn Kinder im Haushalt leben, sagen das 49 Prozent. Damit haben fast genauso viele Beschäftigte, Selbständige und Arbeitslose ihre Gesamtsituation Ende Januar 2021 als stark oder äußerst belastend wahrgenommen wie im ersten Lockdown vom April 2020.

"Bei Erwerbspersonen mit Kindern im Haushalt lag das allgemeine Belastungsempfinden noch geringfügig höher als im April. Vor allem die Einschätzung der eigenen familiären Situation hat sich in den Wintermonaten mit geschlossenen Kitas, Schulen und Freizeiteinrichtungen spürbar verschlechtert. Besonders angespannt ist die Lage bei Alleinerziehenden und generell in vielen Familien mit niedrigeren Einkommen: In diesen Gruppen empfinden rund 60 Prozent ihre Gesamtsituation als stark oder äußerst belastend. Das ergibt eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung, die die Erwerbspersonenbefragung der Stiftung auswertet.

„Auch die zweite Corona-Welle war und ist ein drastischer Stresstest, und das ganz besonders für Familien. 46 Prozent der befragten Eltern haben Ende Januar ihre familiäre Situation als stark oder äußerst belastend erlebt. Das waren sogar sechs Prozentpunkte mehr als im ersten Lockdown. Noch deutlich größer ist die Belastung für Mütter und insbesondere für Alleinerziehende“, sagt Studienautor Dr. Andreas Hövermann.

„Das ist ein Indiz dafür, wie wichtig funktionierende Kindertagesstätten und Schulen sind.“ Eltern von Kita- und Grundschulkindern sowie von Schülerinnen und Schülern der Abschlussklassen dürften den Wiederbeginn von Präsenzbetreuung und -unterricht in letzter Zeit daher als wichtige Entlastung wahrgenommen haben, so der Forscher. „Allerdings funktioniert die Entlastung natürlich nur, wenn die Konzepte für Hygiene und Infektionsschutz, für Tests und Impfungen wirklich tragen“, betont Hövermann. „Abgesehen von den individuellen Gesundheitsrisiken, die durch die Ausbreitung aggressiverer Virus-Mutanten steigen: Niemand hat etwas davon, wenn sich Infektionen häufen und Einrichtungen nach kurzer Zeit wieder schließen müssen. So ein Stop- and Go dürfte berufstätige Eltern nur vor noch größere Probleme stellen.“ Träger sollten Hinweise auf Defizite in Hygienekonzepten daher unbedingt ernst nehmen. Falls Kita- oder Schulschließungen aufgrund des Infektionsgeschehens notwendig sind, müssten Eltern durch einen einfachen Zugang zu Kinderkrankentagen bestmöglich entlastet werden.

Für die Erwerbspersonenbefragung wurden Ende Januar mehr als 6200 Erwerbstätige und Arbeitsuchende von Kantar Deutschland online befragt. Dasselbe Sample war bereits im April, im Juni und im November 2020 interviewt worden, so dass sich Entwicklungen im Zeitverlauf analysieren lassen. Die Befragten bilden die Erwerbspersonen in Deutschland im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und Bundesland repräsentativ ab.

Ergebnisse in Bezug auf Geschlecht:

"Frauen wiesen Ende Januar mit 45 Prozent einen überdurchschnittlich hohen Belastungsanteil auf, bei Männern waren es 36 Prozent."

"Schaut man noch genauer auf die Familien, berichten Mütter besonders oft von großen Belastungen. Ende Januar stuften 54 Prozent der befragten Frauen mit Kindern ihre Gesamtsituation und 51 Prozent ihre familiäre Situation als stark/äußerst belastend ein. Unter den Männern mit Kindern im Haushalt taten das 44 bzw. 43 Prozent."

Studie:

Andreas Hövermann: Belastungswahrnehmung in der Corona-Pandemie. Erkenntnisse aus vier Wellen der HBS-Erwerbspersonenbefragung 2020/21 (pdf). WSI Policy Brief Nr. 50, März 2021.  

Die Pressemitteilung mit Abbildungen (pdf)

Quelle und weitere Ergebnisse: PM - Hans-Böckler-Stiftung, 03.03.2021