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Linguistik meldet sich in der Debatte über geschlechtergerechte Sprache zu Wort


Kategorien: Frauen- und Geschlechterforschung; Gleichstellungspolitik; Wissenschaft Aktuell

Studienbuch zur Genderlinguistik liefert Überblick über aktuelle Forschungslage – Kontrapunkt zur ideologischen Diskussion um deutsche Sprache

"Der ewige Student" – könnte damit auch eine Studentin gemeint sein? Die Wogen gehen hoch, wenn das Thema auf geschlechtergerechte Sprache kommt. Bereits zaghafte Vorschläge, der Gleichstellung der Geschlechter auch in der Sprache mehr Geltung zu verschaffen, stoßen auf vehemente Kritik – nicht nur am Stammtisch, sondern ebenso in hoch angesehenen Medien. Fachwissen spielt in dieser aufgeheizten, ideologischen Debatte kaum eine Rolle. "Wir erleben zurzeit einen Kult um die deutsche Sprache, als ob sie heilig und unantastbar wäre", sagt Prof. Dr. Damaris Nübling, Sprachwissenschaftlerin vom Deutschen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Sie hält die diffusen Untergangsängste jedoch für völlig unbegründet, im Gegenteil: "Sprachwandel ist das beste Lebenszeichen einer Sprache." 

Um der dürftigen ideologischen Debatte etwas entgegenzusetzen, hat die Sprachwissenschaftlerin zusammen mit zwei Kolleginnen aus Freiburg, Prof. Dr. Helga Kotthoff und Dr. Claudia Schmidt, ein umfassendes Lehrbuch zur Genderlinguistik in Deutschland verfasst. Genderlinguistik – Eine Einführung in Sprache, Gespräch und Geschlecht gibt auf 350 Seiten einen breiten Überblick über die aktuelle Forschungslage. Dabei spannen die Autorinnen einen weiten Bogen von den theoretischen Grundlagen der Genderforschung über die Rolle der Stimme, die Grammatik und die Schreibweise bis hin zur Analyse einzelner TV-Sendungen wie "Germany's Next Topmodel" und der Kommunikation via Smartphone.

Die Genderlinguistik, eine relativ junge Disziplin der Sprachwissenschaft, die sich mit der Rolle des Geschlechts im Sprachsystem und Sprachgebrauch befasst, fristet in Deutschland ein Schattendasein. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass es keine Professur für Genderlinguistik gibt. Die Folge sind gravierende Wissensdefizite. "Die deutsche Sprachwissenschaft hinkt im internationalen Vergleich stark hinterher", bemerkt Damaris Nübling. "Mit unserem Buch wollen wir jetzt einen Kontrapunkt zu der vorherrschenden Laienlinguistik und ihren oberflächlichen Vermutungen setzen."

Veröffentlichung
H. Kotthoff, D. Nübling unter Mitarbeit von C. Schmidt, Genderlinguistik – Eine Einführung in Sprache, Gespräch und Geschlecht, Narr Francke Attempto Verlag, Dezember 2018

Quelle und weitere Informationen zu den Themen:

  • Genus im Deutschen tief in der Grammatik verankert

  • Generisches Maskulinum im Brennpunkt der aktuellen Kontroversen

  • Sprachwandel ist das beste Zeichen für eine lebendige Sprache

PM - Uni Mainz, 31.01.2019