Warum bleiben so viele Wissenschaftle­rinnen auf der Strecke?


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Nachwuchs­forschungs­gruppe legt Abschlussbe­richt mit 54 Handlungsemp­fehlungen vor.

Aus welchen Gründen sind Frauen in der Forschungslandschaft immer noch stark unterrepräsentiert? Wieso wird der Anteil der Wissenschaftlerinnen geringer, je höher man in der Hierarchie aufsteigt? Und vor allem: wie kann man das verändern?

Zwei Jahre forschte die Nachwuchsforschungsgruppe „Genderanteile in ESF-Projekten Hochschule und Forschung“ (NFG GAP) unter der Leitung von Dr. Jana Pieper, Fakultät Erziehungswissenschaften an der TU Dresden, an diesem Thema. Wissenschaftler:innen der Technischen Universitäten Dresden, Chemnitz und Freiberg sowie der Hochschulen Mittweida und Zittau-Görlitz untersuchten, welche Ursachen für die ungleiche Beteiligung der Geschlechter innerhalb des Systems der Hochschulen vorliegen.

Jetzt wurde der Abschlussbericht mit 54 Handlungsempfehlungen für die sächsischen Hochschulen und das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (SMWK) vorgelegt, um die Voraussetzungen für einen höheren Frauenanteil an künftigen ESF-geförderten Projekten zu verbessern und mögliche Barrieren für Frauen im Zugang zu Promotionsstipendien und Nachwuchsforschungsgruppen abzubauen.

„Die NFG GAP brachte unter schwierigen Bedingungen sehr beachtliche Ergebnisse hervor. Sie forschte dezentral über fünf Hochschulstandorte hinweg, unter straffem Zeitplan und während einer globalen Pandemie. Die Ergebnisse im Bereich akademischer Förderung von Frauen sollten den Hochschulleitungen in Sachsen unbedingt über das SMWK zugänglich gemacht werden, um die Chancengerechtigkeit zu verbessern und die wissenschaftliche Exzellenz in Sachsen weiter zu fördern", erklärt Prof. Rolf Koerber von der Fakultät Erziehungswissenschaften und leitender Professor der Nachwuchsforschergruppe GAP.

Um der Komplexität und Vielschichtigkeit des Gegenstands gerecht zu werden, wurde sowohl ein vielfältiges Spektrum von Quellen einbezogen als auch verschiedene Methoden eingesetzt. Dadurch gelang es aufzuzeigen, dass die fehlende Genderparität nicht auf einige wenige Ursachen zurückzuführen ist. „Es gibt also nicht die eine große Handlungsempfehlung, sondern viele kleine Stellschrauben, mit deren Hilfe der angestrebte Veränderungsprozess beschleunigt werden kann“, fasst Dr. Jana Pieper die Ergebnisse zusammen. „Wir empfehlen beispielweise, und das ist sehr nahliegend, dass in allen Stellenausschreibungen konsequent geschlechtergerechte Sprache verwendet wird oder dass bei nationalen und internationalen Konferenzen zusätzliche finanzielle Mittel bzw. Angebote für Kinderbetreuung bereitgestellt werden.“

Eine weitere Empfehlung sind grundlegende Weiterbildungsangebote zum Thema Gendergerechtigkeit für den akademischen Mittelbau und die übergeordneten Führungsebenen. Diese können zu einer Sensibilisierung für das Thema und zum Erreichen von Gleichstellung und Chancengleichheit beitragen. Auch der Punkt Gender-Professuren wird thematisiert. „Sachsen ist das einzige Bundesland, in dem es keine Professur in diesem Bereich gibt“, berichtet Dr. Jana Pieper. „Dabei sind sie essentiell, um Gender-Aspekte stärker in Lehre und Forschung zu integrieren.“ Die wissenschaftlich stärkere Beachtung des Themas könnte in einem Transfereffekt auch zu einer größeren Aufmerksamkeit für geschlechtersensible Hochschuldidaktik, geschlechtsspezifische Erfahrungen und Probleme in der Fachkultur und im Wissenschaftssystem insgesamt führen.

„Die Zusammenarbeit zwischen den fünf beteiligten Hochschulen und vier unterschiedlichen Fachdisziplinen, war spannend und herausfordernd zugleich. Ein großer Gewinn für uns Nachwuchsforscher:innen besteht darin, nun schon ein Netzwerk über fünf sächsische Hochschulen hinweg aufgebaut zu haben. Diese positive Erfahrung kann als Beispiel für andere Nachwuchsforschungsgruppen herangezogen werden“, sagt Dr. Jana Piper.

Ein Teil der Mitglieder arbeitet ab Januar 2023 in der neuen Nachwuchsforschungsgruppe „Frauenförderung durch individuelle und organisationale Kompetenzen in Bildung und Beruf (MINT) (Kürzel: FioKo). Die neun Nachwuchswissenschaftler:innen der TU Dresden, der TU Freiberg, der Hochschule Mittweida und der Hochschule Görlitz-Zittau haben über mindestens zwei Jahre Zeit, dieses Thema zu untersuchen.

Beide Projekte werden finanziert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Freistaats Sachsen.

Weitere Informationen zur Nachwuchsforschergruppe gibt es unter:
https://tu-dresden.de/gsw/ew/forschung/nachwuchsforschungsgruppe-gap

Kontakt:
Dr. Jana Pieper, Nachwuchsforschungsgruppe GAP, Fakultät Erziehungswissenschaften, Tel.: +49 351 463-37814jana.pieper(at)tu-dresden(dot)de

Quelle: PM - TU-Dresden, 20.12.2022