Sex, Generativität, Leben: zu den Machteffekten des biologischen Geschlechts
Titelübersetzung:Sex, generativity, life: the power effects of the biological gender
Autor/in:
Gehring, Petra
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongress "Die Natur der Gesellschaft"; Frankfurt am Main, 2008. S 513-523
Inhalt: "Geschlechterdifferenzen sind sozial konstruiert. Frauen- und Männerkörper sind nicht einfach Naturtatsachen. Vielmehr werden diejenigen Aspekte, die wie als Körpernatur erleben, als Natur geschaffen, gelernt, praktiziert. Es gibt nur kulturelle Konstruktionen von Geschlecht. Und: Es gibt nur eine 'kulturelle' Natur der zweigeschlechtlichen Körper. Mit dieser Blickwendung wird die Frage nach der Natur des Geschlechts nicht einfacher. Sie verwandelt sich in die Frage nach Machtverhältnissen. Für die Moderne stellt sich hier vor allem Frage nach der Macht der 'Biologie'. Welche Rolle spielt das Biologische der Geschlechter? Welches Gewicht haben Handlungsordnungen, die dasjenige, was ein (gesunder, normaler, erwachsener) Körper sein soll, gemäß einer - seit dem Neunzehnten Jahrhundert als 'sexuell' erkannten - Normalität von Fortpflanzung regulieren? Der Beitrag stellt Thesen vor, die 1. den 'Sex' (also das biologischen Geschlecht) als spezifisch moderne Errungenschaft fassen, 2. das biologische Geschlecht und seine natürliche 'Generativität' (also seine Bindung an eine organische Notwendigkeit von Fortpflanzung) in den Zusammenhang eines im Neunzehnten Jahrhundert entstandenen biologisch/ soziologischen Gattungsdenkens stellen, und die 3. die Sexualnatur als eine Art moderner Wissenschaft- und Technikfolge ansprechen. Der Wirklichkeitswert der biologischen Zweigeschlechtlichkeit korrespondiert direkt mit demjenigen von Lebenswissenschaften und Lebenstechnologien." (Autorenreferat)
"Frauenbewegung" im Alter: Selbstdisziplinierung oder Weg zur Emanzipation?
Titelübersetzung:"Women’s movement" during old age: self-disciplining or path to emancipation?
Autor/in:
Uhlmann, Angelika
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongress "Die Natur der Gesellschaft"; Frankfurt am Main, 2008. S 1418-1423
Inhalt: "Bis zur Jahrtausendwende waren sportliche alte Frauen unsichtbar in der Forschung zum sportlichen Engagement im Lebenslauf. Dies betraf alle relevanten Fachdisziplinen wie Sportwissenschaft, Gender Studies, Gerontologie, Medizin, Medizingeschichte und -soziologie. Sportliche alte Frauen unterlagen einer dreifachen Diskriminierung: im Bezug auf ihr Geschlecht, ihr Alter und ihre sportliche Betätigung. Alte Frauen nehmen heute selbstverständlich an der Bewegungs- und Sportkultur teil - anders als früher und anders als Männer. Die ersten Studien, die alten Frauen eine stärkere sportliche Betätigung als ihren männlichen Altersgenossen attestierten, berücksichtigten Fragestellungen, die vorher vernachlässigt worden waren (z.B. nicht nur nach der Zugehörigkeit zu einem Sportverein, Berücksichtigung von Alltagsbewegungen). Mit der Überschrift 'Frauen: Längeres Leben durch körperliche Fitness' berichtete das Deutsche Ärzteblatt im August 2005 von amerikanischen Studien, die eine alters- und geschlechtsabhängige Erhöhung der Lebenserwartung durch körperliche Betätigung festgestellt haben. Seit die Hormonersatztherapie zur Bekämpfung von Wechseljahresbeschwerden und -folgen (wie z.B. Osteoporose) nicht mehr propagiert wird, wurde Bewegung zum zentralen Präventionsprogramm für Frauen. Alte Frauen bevorzugen den informellen, nichtorganisierten Sport mit niedrigschwelligem Zugang - Nordic Walking ist dafür ideal und wird zu 80% von Seniorinnen ausgeführt. Veränderte Modevorstellungen erleichterten den Einstieg in sportliche Betätigung. Das gesellschaftlich geforderte 'erfolgreiche Altern' setzt körperliche Fitness unbedingt voraus. Aktivität und Sportlichkeit wird heute auch von alten Frauen erwartet ('Puma statt Oma'). Erstaunlich ist, dass weder kommerzielle und nicht-kommerzielle Sportanbieter noch gesundheitspolitische Entscheidungsträger auf die Nachfrage nach 'Frauenbewegung' im Alter reagiert haben - in Australien gibt es z.B. 'Older Women Wellness Centres'. Dabei wird dieser Art der Gesundheitsförderung in Zukunft von großer sozialpolitischer Bedeutung sein - wie schon die oben erwähnten amerikanischen Studien gezeigt haben. Ist die 'Frauenbewegung' im Alter eine Selbstdisziplinierung, eine Folge der verminderten Leistungen der Krankenkassen, eine Reaktion auf die Orientierung an Jugendlichkeit ('never-ager') oder ein emanzipatorischer Akt zur Gestaltung eines angenehmen, gesunden und ausgefüllten Lebens?" (Autorenreferat)
Schlagwörter:Frauenbewegung; health insurance fund; alter Mensch; Leistung; North America; Prävention; prevention; Gesundheitspolitik; Pazifischer Raum; Pacific Rim; Federal Republic of Germany; everyday life; Nordamerika; body; Australien; health policy; Körper; Fitness; United States of America; women's movement; Lebenserwartung; sports; Disziplin; Emanzipation; Sport; life expectancy; USA; woman; emancipation; Australia; Krankenkasse; elderly; achievement; Alltag; discipline; fitness
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Gesundheitspolitik, Gerontologie, Alterssoziologie
Von der schwarzen zur weißen Küche: zur Frage des Verschwindens häuslicher Kochkunst
Titelübersetzung:From black to white cuisine: the question of the disappearance of domestic cooking skills
Autor/in:
Meyer-Renschhausen, Elisabeth
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongress "Die Natur der Gesellschaft"; Frankfurt am Main, 2008. S 5965-5975
Inhalt: "Bereits um 1800 verbannte die Rumfordsche Kochmaschine das offene Herdfeuer. Ziel war ein sparsamer Umgang mit dem immer knapper werdenden Feuerholz. Das offene Herdfeuer verschwand unter Eisenringen, statt Funkenhut bekam der Herd einen Rauchabzug. Erst jetzt lohnte es sich, die ganze Küche weiß zu streichen und die weiße Farbe, die in die Küchen der nördlichen Hemisphäre einzog, wurde zum symbolischen Zeichen für den Einzug von Wissenschaft und Hygiene, die nun das 'traditional knowledge' samt Rauch- und Geruchswolken ersetzten. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts begannen wohlmeinende Ärzte, die Fehl- und Mangelernährung des gemeinen Volkes als ein Problem zu kommentieren. Frauenrechtlerinnen, die berühmt wurden für ihre Suppenküchen, die nicht nur jedermann offen standen, sondern auch volkstümliche Suppengerichte anboten, schrieben Kochbücher, in denen Fette, Eiweiße samt Kohlenhydrate und - nach dem Ersten Weltkrieg - auch Vitamine und Spurenelemente die Hauptrolle spielten. Die alte Kochkunst als ein Vermögen, nach Augenmaß und Gefühl die richtige Dosis zu bestimmen, verschwand. Sie wurde durch eine zu erlernende Küche ersetzt, deren Maßstäbe von den Experten aus Medizinalinstituten und Kliniken stammten. Nicht mehr das Haptische und die richtigen Proportionen bestimmten nun die Kochkunst, sondern die in Chemielaboren errechnete optimale Zusammensetzung eines Gerichts. Mit dem Verschwinden des alten Wissens und seiner sinnlichen Seiten schwand auch der Sinn für die soziale Bedeutung der Mahlzeit als Ritual und herkömmlicher Umgang mit dem Leiblichen." (Autorenreferat)
Körper und Geschlecht im medizinischen Kontext: das Beispiel Brustkrebs
Titelübersetzung:Body and gender from a medical context: the example of breast cancer
Autor/in:
Reuter, Julia
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongress "Die Natur der Gesellschaft"; Frankfurt am Main, 2008. S 4158-4170
Inhalt: "Aktuelle Arbeiten der gender und science studies attackieren die 'moderne' dualistische Unterscheidung zwischen Natur und Kultur. Ihr Hauptkritikpunkt richtet sich gegen die Konzipierung der Moderne als ein Projekt wissenschaftlich-technische Rationalität, das zwischen politischer und epistemologischer Repräsentation, zwischen Kultur und Natur strikt trennt, gemäß der Vorstellung von Kultur als Ergebnis immanenter zeitlich und räumlich gebundener Verhandlungen und Konstruktionsleistungen und Natur als transzendenter Bereich von Universalität, Fakten und Wahrheit. Stattdessen wird auf die 'Bruchstellen' und 'unbeabsichtigten Nebenfolgen' dieser Unterscheidung verwiesen, mit dem Ziel, die vielfältigen Phänomene und Verschränkungen zwischen Natur und Kultur aufzuzeigen und sie gleichzeitig theoretisch wie theoriewissenschaftlich neu zu rahmen. Ausgehend von Bruno Latours und Michel Callons Actor-Network Theory und Donna Haraways 'Cyborg-Mythos' fokussiert der Beitrag die (Neu-)Konzeption von Natur und Kultur im Kontext poststrukturalistischer Theorien. Während im ersten Teil theoretische Überlegungen im Vordergrund stehen, sollen daran anschließend auch Beispiele von Natur-Kultur-Konstruktionen aus der Forschungspraxis und daraus resultierende Probleme diskutiert werden. Als Grundlage dienen hierbei erste Ergebnisse eines Forschungsprojekts zu Körper- und Geschlechtsrollenerfahrungen brustkrebserkrankter Frauen, das die Problematik einer rigiden Natur-Kultur-Unterscheidung im Kontext der Medizin aus Sicht der Betroffenen thematisiert und Ansätze einer personalen wie gesellschaftspolitischen Neuordnung aufzeigt." (Autorenreferat)
KörperDifferenz: zur Dekonstruktion von Körper und Behinderung in biographischen Erzählungen von Frauen
Titelübersetzung:Body difference: deconstruction of the body and handicap in biographical narrations of women
Autor/in:
Bruner, Claudia Franziska; Dannenbeck, Clemens
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie "Soziale Ungleichheit - kulturelle Unterschiede"; Frankfurt am Main, 2006. S 1601-1610
Inhalt: "Der Beitrag fusst auf den Befunden eines im Februar an der LMU-München bei Prof.Dr. Heiner Keupp abgeschlossenen Dissertationsprojekts. Narrativ-biografische Interviews mit als körperbehindert geltenden Frauen werden als empirische Basis herangezogen, um die soziale Konstruktion von Körper und Behinderung in ihrer Dynamik und Prozesshaftigkeit nachzuzeichnen. Körper sind unweigerlich vergeschlechtlicht, sozial klassifiziert, ethnisch und kulturell entworfen sowie Normalitäts- und Ästhetikdiskursen unterworfen. So werden unterschiedliche und unterschiedene Körper laufend hervorgebracht und verändert, was sich in gesellschaftlichen Macht- und Dominanzverhältnissen niederschlägt. Welchen sozialen Produktionsbedingungen unterliegt dabei der als 'behindert' ausgerufene (verrufene)Körper? Unser Bild vom Körper ist stark verbunden mit Vorstellungen von Wachstum und Entwicklung, von Werden und Vergehen, von Veränderung und Bewegung. Weiter dominiert die Vorstellung, dass dem Körper Subjekte gegenüberstehen, die ihn zu ihrem Beobachtungsobjekt machen könnten: Körper sind den (eigenen und fremden) Blicken ausgesetzt, sie stehen im Rampenlicht, sie werden wahrgenommen. Fern erkennen wir die gesellschaftlichen Ein- und Angriffe auf den Körper: Körper verändern sich nicht nur von selbst (quasi von Innen heraus, durch ihre 'natürliche' Alterung), sie werden verändert, sie entstehen nicht nur, sie werden geschaffen und sie vergehennicht nur, sie werden vernichtet. Welche Texte schreiben also den Körper, welcheBilder entwerfen ihn, wie sehen die Sozialisationsprozesse und Selbstverständnisse bezüglich des Körpers aus? Biografische Forschungsmethoden bieten die Möglichkeit, Ambivalenzen in Identifikationsprozessen sichtbar werden zu lassen, den Neu-Territorialisierungen und Verschiebungen des Schnittfeldes von class, gender,race und body über die Erzählungen der Interviewten nachzuspüren. Biografische Erzählungen informieren, wie und wodurch sich Körper(selbst)bilder, Behinderung(en) und Geschlechterverhältnisse herstellen, reproduzieren und verändern." (Autorenreferat)
Feministischer Guerilla-Krieg oder materialistischer Konstruktivismus?
Titelübersetzung:Feminist guerilla war or materialistic constructivism?
Autor/in:
Villa, Paula-Irene
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Soziologie "Differenz und Integration; Opladen, 1997. S 131-136
Inhalt: "Im Zuge der gegenwärtigen feministischen Debatten um eine neue und nicht-essentialistische Formulierung weiblicher (als eine Form geschlechtlicher) Identität rücken andere strukturelle Dimensionen von Subjektivität zunehmend in den Blick. Wenn 'Frau' ein positionaler Begriff ist (Alcoff/ de Lauretis), müssen die jeweiligen Positionen, die uns zu dem machen, was wir sind, in ihrer gegenseitigen Wechselwirkung und Bedingtheit analysiert werden. Diese Positionen können als zumindest drei strukturelle Differenzen konzeptualisiert werden: Klasse, Geschlecht und Ethnizität. In diesem Vortrag sollen systematische Defizite der gegenwärtigen (De)Konstruktivistischen Debatte um Geschlecht ausgeleuchtet werden, wobei das Augenmerk auf die Vernachlässigung der gesellschaftstheoretischen Dimension im Sinne des ungleichen Zugangs zu Ressourcen) liegt. Die gegenwärtige Verengung auf den 'diskursiven Guerilla-Krieg' kann durch eine entsprechende Versöhnung zwischen der Analyse symbolischer Strukturen einerseits und soziostruktureller/materieller Kontexte andererseits überwunden werden. Zu diesem Zwecke wird der Leib als Knotenpunkt von Biologischem, Symbolischen und Sozialem (Braidotti) eingeführt und die These vertreten, daß sich soziale Differenzen als sichtbare Mobilisierung von Ressourcen denken lasssen. Hierfür wird auf das Habitus-Konzept von Bourdieu als "leiblich-affektiver praktischer Sinn' zurückgegriffen. Dadurch kann der feministische Konstruktivismus soziologisch-materialistisch gewendet werden." (Autorenreferat)