Quelle: Beiträge zur Hochschulforschung, 42 (2020) 4, S 94–109
Inhalt: Der Artikel nimmt zentrale Herausforderungen für Gleichstellungsarbeit in der deutschen Universitätsmedizin in den Blick, die auf einer formalstrukturellen Ebene und mit Blick auf organisationale Praktiken erschlossen werden. Auf der Grundlage eines multimethodischen empirischen Designs zeigt er, dass die (mehrheitlich nebenberuflich tätigen) Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten mit einem zentralen Widerspruch zwischen einer geringen institutionellen Einbettung und zunehmend komplexen Arbeitsanforderungen konfrontiert sind, die sich aus der gestiegenen Bedeutung von Gleichstellung für eine an wissenschaftlicher Exzellenz und unternehmerischen Rechenschaftspflichten orientierten Hochschulgovernance ergeben. Am Beispiel von Berufungsverfahren wird anhand einer Typologie von Problemlösungsmustern ein vertiefender Einblick in die Arbeitsweise und Befugnisse der Beauftragten gegeben sowie deren organisationales Spannungsfeld zwischen Professionalisierungsanforderungen und tradierter Nischenposition illustriert. Um dieses Spannungsfeld erfolgreich gestalten und wirkungsvoller als bisher die Gleichstellung in der Medizin voranbringen zu können, ist eine strukturelle Stärkung der Position im Rahmen integrierter Organisationsmodelle sowie ein kontinuierlicher Aufbau von Fach- und Handlungswissen der Beauftragten gefordert.1
Quelle: Beiträge zur Hochschulforschung, 42 (2020) 4, S 50–69
Inhalt: Berufungskommissionen sind wichtige Arenen für die Durchsetzung der Interessen verschiedener Akteure. Sie werden auch in der Gleichstellungspolitik als zentrales Handlungsfeld betrachtet. Im Zentrum des Beitrags steht die Frage, welche Gleich-
stellungsmaßnahmen auf professoraler Ebene, insbesondere im Handlungsfeld Berufungskommissionen, bekannt sind und wie sie angesichts wachsender Ansprüche an exzellente Wissenschaft wahrgenommen und umgesetzt werden. Das Konzept des Geschlechterwissens nach Dölling/Wetterer diente als zentrale theoretische Perspektive. Die leitfadengestützten Interviews wurden rekonstruktiv ausgewertet. Es zeigte sich, dass das Gleichstellungswissen der Interviewten in Bezug auf den Kosmos Hochschule umfangreich ist, ihr Geschlechterwissen jedoch überwiegend alltagsweltlich. Ein zentrales Ergebnis ist, dass die Imperative Gleichstellung und Bestenauswahl in Berufungskommissionen als widersprüchliche Zielvorgaben wahrgenommen werden.
Schlagwörter:Berufungskommission; Genderkompetenz; Geschlechterwissen; Gleichstellungsmaßnahmen; Professor; Professorin
Gleichstellungspläne : Wirksame Instrumente der Hochschulsteuerung auf dem Weg zu mehr Exzellenz
Autor/in:
Kamm, Ruth; Weber, Ines
Quelle: Beiträge zur Hochschulforschung, 42 (2020) 4, S 82–93
Inhalt: Mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit durch wissenschaftliche Exzellenz im Europäischen Forschungsraum zu stärken, werden im Rahmen des EU-Programms Horizon 2020 länderübergreifende Projektkonsortien gefördert, die für die beteiligten Standorte Gleichstellungspläne entwickeln und einführen. An deutschen Hochschulen gelten Gleichstellungspläne als tradierte Instrumente und rechtliche Basis der Gleichstellungsarbeit. Dies ist jedoch nicht in allen europäischen Hochschulsystemen der Fall. In diesem Beitrag wird der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Konzeptualisierung und Implementierung von Gleichstellungsplänen vorgestellt und gezeigt, wie Baltic Gender, ein Konsortium aus acht Einrichtungen im Ostseeraum mit meereswissenschaftlichem Schwerpunkt, diesen genutzt hat. Aus den bisherigen Erkenntnissen werden Bedingungen abgeleitet, unter denen Gleichstellungspläne ihre Wirksamkeit als Steuerungsinstrumente entfalten und dargestellt, wie sie zur Forschungsexzellenz beitragen können.
Exzellent und geschlechtergerecht? : Universitäre Strategien zur gleichstellungspolitischen Einbindung der akademischen Profession
Autor/in:
Erbe, Birgit
Quelle: Beiträge zur Hochschulforschung, 42 (2020) 4, S 70–81
Inhalt: Der Beitrag befasst sich mit zwei widersprüchlichen Konzepten über das Verhältnis von Geschlecht und Exzellenz und wie diese auf Universitätsebene verhandelt werden: zum einen dem Ansatz einer „inklusiven Exzellenz“, der aus Sicht der Politik von den Universitäten als Gleichstellungsstrategie verfolgt werden soll, und zum anderen der Annahme, welche von einer Mehrheit in der Wissenschaft vertreten wird, dass die Gleichstellung der Geschlechter dem Ziel wissenschaftlicher Exzellenz entgegenstünde. Anhand dreier Fallstudien deutscher Universitäten zeigt der Artikel, ob und wie es den jeweiligen Hochschulleitungen gelingt, die Hochschullehrenden als akademische Profession für die Verwirklichung gleichstellungspolitischer Ziele zu gewinnen. Dabei wird deutlich, wie sehr der Verhandlungserfolg der Hochschulleitung von externem Gleichstellungsdruck abhängt, wie er durch die Exzellenzinitiative oder die Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards der DFG aufgebaut wurde. Der Artikel gibt zugleich Hinweise, wie die gleichstellungspolitische Governance verbessert werden kann.
Professorinnen im Spannungsverhältnis von Exzellenz und Chancengleichheit : Empirische Befunde aus einer qualitativen Interview-Studie
Autor/in:
Paulitz, Tanja; Braukmann, Stephanie
Quelle: Beiträge zur Hochschulforschung, 42 (2020) 4, S 30–48
Inhalt: Der Beitrag fragt ausgehend vom jüngeren hochschulpolitischen Wandel, im Zuge dessen Chancengleichheit zu einem Bestandteil von Exzellenz wurde, nach der Arbeitssituation von Professorinnen an deutschen Universitäten. Damit wird jene Statusgruppe ins Zentrum der Betrachtung gerückt, die sich im System etabliert hat und gemeinhin dafürsteht, dass Chancengleichheit erreicht ist. Auf Basis einer laufenden qualitativen empirischen Untersuchung werden erste Befunde vorgelegt, wie dieses Verhältnis von Exzellenz und Chancengleichheit von Professorinnen erfahren wird, welche Zugänge es eröffnet, auf welche Barrieren die Professorinnen stoßen und welche Ambivalenzen sich hinsichtlich ihrer Position rekonstruieren lassen. Dabei wird die These entwickelt, dass sich die Partizipationschancen von Professorinnen in den Wettkämpfen um Exzellenz in geschlechtlich strukturierten Spielen um Anerkennung erweisen müssen.
Schlagwörter:Chancengleichheit; Drittmittel; Exzellenz; Forschungsförderung; Interview; Partizipation; Professorin
CEWS Kategorie:Hochschulen, Wissenschaft als Beruf, Geschlechterverhältnis
Chancengleichheit in der Exzellenz? : Öffentliche Forschungsförderung im europäischen und n ationalstaatlichen Vergleich
Autor/in:
Hönig, Barbara
Quelle: Beiträge zur Hochschulforschung, 42 (2020) 4, S 10–29
Inhalt: Der Beitrag erörtert das Verhältnis von Chancengleichheit und „Exzellenz“ als kulturellen Zielen der Wissenschaft am Beispiel öffentlicher Forschungsförderung. Die europäische Exzellenzinitiative des European Research Council (ERC) wird auf ihr Verständnis von Chancengleichheit und Gleichstellung hin analysiert und empirische Belege für deren Umsetzung untersucht. Die These, dass der ERC die nationalstaatliche Ebene der Exzellenzförderung in dieser Hinsicht nachhaltig beeinflusste, wird anhand exemplarischer Befunde zu Exzellenzinitiativen Schwedens, Spaniens und der Niederlande überprüft. Ergebnisse zeigen die Ambivalenz teilweise fortbestehender nationalstaatlicher Traditionen bei gleichzeitigem Antizipieren des europäischen Rahmens und liefern Anknüpfungspunkte für institutionelle Maßnahmen, um die Durchsetzung von Chancengleichheit als integralem Bestandteil einer sich meritokratisch legitimierenden Forschung zu verbessern.
Publikationen, Zitationen und H-Index im Meinungsbild deutscher Universitätsprofessoren
Autor/in:
Kamrani, Pantea; Dorsch, Isabelle; Stock, Wolfgang G.
Quelle: Beiträge zur Hochschulforschung, 42 (2020) 3, S 78–98
Inhalt: Wie wichtig sind deutschen Universitätsprofessoren Publikations- und Zitationsraten? Haben sie Vorlieben für gewisse Datenbanken (wie Web of Science, Scopus oder Google Scholar)? Welche Bedeutung messen sie dem H-Index in den jeweiligen Informationsdiensten bei? Kennen sie Definition und Rechenweg beim H-Index? Es wurde mit einer Online-Umfrage (und einem Wissenstest zum H-Index) gearbeitet, die von mehr als 1000 Professoren ausgefüllt wurde. Dabei wurde zwischen den Ergebnissen für alle Teilnehmer und zusätzlich den Ergebnissen nach Geschlecht, Generation und Wissensgebiet unterschieden.
Für die Mehrheit der befragten Forscher sind Publikationen wichtig, für Mediziner sind sie sogar sehr wichtig. Für Naturwissenschaftler und Mediziner sind Zitationen und H-Index bedeutsam, während Geistes- und Sozialwissenschaftler, Wirtschaftswissenschaftler und Juristen Zitationen und den H-Index (teilweise erheblich) weniger schätzen. Zwei Fünftel aller befragten Professoren kennen keine Details zum H-Index.