Servants in preindustrial Europe: gender differences
Titelübersetzung:Diener im vorindustriellen Europa: Geschlechterdifferenzen
Autor/in:
Fauve-Chamoux, Antoinette
Quelle: Historical Social Research, 23 (1998) 1/2, S 112-129
Inhalt: Die spezifische Arbeit und die Mobilität männlicher wie weiblicher Dienerschaft hängen eng mit dem sozioökonomischen Übergang und der Urbanisierung der vorindustriellen europäischen Gesellschaften zusammen. Hausdienst wird als Parameter des europäischen Familienmodells eingeführt. Der Arbeitsmarkt für Diener und Lehrlinge, die fern ihrer Heimat arbeiteten, wird bis 1597 zurückverfolgt. Anhand von Tabellen werden die Anzahl und das Lebensalter ländlicher und städtischer Hausdienerschaft in verschiedenen französischen Gemeinden miteinander verglichen. Auch das Aufkommen einer Dienerschaft im fortgeschrittenen Lebensalter wird erwähnt. Anhand von Tabellen verschiedener europäischer Staaten im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert und besonders am Fallbeispiel der französischen Stadt Rheims werden u.a. die ländlichen Ursprünge der städtischen Dienerschaft und die Mobilität von weiblichen Hausangestellten nachgewiesen. Der Arbeitsmarkt für männliche und weibliche Dienerschaft entwickelte sich stetig vom 18. bis ins 19. Jahrhundert hinein, wenn auch für Frauen mehr als für Männer. (prf)
Inhalt: 'The specific mobility and type of work of servants of both sexes were indeed a major feature in the delineation of building up European societies. Domestic service was the main way to elect for young rurals wanting to migrate towards small and big towns, since they could consider service as a transitory phase, giving them an opportunity to adapt themselves to a new way of life before marriage. From that point of view, domestic service contributed greatly to social change: a great number of young males and females turned their backs to traditional family and village life to the prospect of better ways of life in urban surroundings for a change, but were only able to find immediate employment as servants in these preindustrial eras. The prevalence of domestic service for young people is put in evidence, studying gender differences according to age groups. We might say that large towns counted more than 10 women out of 100 in a position of servants at a master's home at the end of the 17th century, and usually less than 10% of men in the same position. This rate increased steadily for all European towns as a consequence of massive rural exodus and of the opportunities offered on the overall female job markets, particularly on the domestic service market.' (author's abstract)
Small town development and urban illiteracy: comparative evidence from Leicestershire marriage registers 1754-1890
Titelübersetzung:Kleinstadtentwicklung und städtisches Analphabetentum: vergleichende Aussagen anhand des Heiratsregisters von Leicestershire 1754-1890
Autor/in:
Hoyler, Michael
Quelle: Historical Social Research, 23 (1998) 1/2, S 202-230
Inhalt: Mit dem Aufkommen einer allgemeinen Bildung im England der Frühmoderne werden die geographisch bedingten Bildungsunterschiede offenbar. Aus drei Kleinstädten mit jeweils unterschiedlichen Wirtschaftsfunktionen werden die anglikanischen Heiratsregister des Zeitraums 1754 - 1890 analysiert. Auf dieser Grundlage wird gefragt, wie sich zur Zeit der Industrialisierung in Kleinstadtgesellschaften vor allem die sozioökonomischen Unterschiede auf das Bildungsniveau auswirkten. Ferner wird nach Unterschieden zwischen einer Stadt und ihrer Umgebung gefragt. So werden Muster des Analphabetentums herausgearbeitet. Dabei zeigt sich ein enger und geschlechtsspezifischer Zusammenhang zwischen Analphabetismus und städtischen Beschäftigungs- und Sozialstrukturen. Bildung beeinflußte nur dann das Heiratsalter und verband sich mit großer Heiratsentfernung, wenn beide Gatten in der Lage waren, das Heiratsregister zu unterzeichnen. Anderenfalls rangierten sozioökonomische Bestimmungsfaktoren vor Bildungsfaktoren. (prf)
Inhalt: 'Geographical variations in literacy levels are a constituent feature of the long process of educational expansion in England. Based on the analysis of Anglican marriage registers for the period 1754 to 1890, the article explores patterns of illiteracy in three small Leicestershire towns with contrasting economic functions. Illiteracy levels were closely related to urban occupational and social structures, which also affected distinct gender differentials. Evidence on the effect of literacy on age at marriage and marriage distance suggests that demographic behaviour and spatial interaction were determined more by socio-economic factors than by the possession of literacy skills. Literacy attainment, however, was linked to extended marriage distances when both spouses could sign the register.' (author s abstract)
Konfession und demographisches Verhalten: Oberkassel, 1670-1810
Titelübersetzung:Religious affiliation and demographic behavior: Oberkassel, 1670-1810
Autor/in:
Hörning, Elisabeth
Quelle: Historical Social Research, 23 (1998) 1/2, S 275-298
Inhalt: Es wird untersucht, 'ob sich die reformierte oder die katholische Konfession als Indikator einer bestimmten Mentalität auf das demographische Verhalten der Bevölkerung in der Frühen Neuzeit auswirkt'. Dazu wird das demographische Leben des im Jahr 1810 670 Einwohner zählenden und bikonfessionellen Dorfes Oberkassel (zwei Drittel Katholiken und ein Drittel Reformierte) nachgezogen. Grundlage sind die Kirchenbücher beider Pfarreien ab 1670 (reformiert) bzw. ab 1695 (katholisch) und ihre erfolgten Familienrekonstitutionen. Mittels der Historischen Demographie werden eine qualitative und quantitative Untersuchung miteinander verbunden und Schaubilder und Tabellen wiedergegeben. Zum einen wird das demographische Verhalten untersucht, 'das bis zu einem gewissen Grad willentlich gesteuert werden konnte (Sexualität und Heiratsverhalten)'. Zum anderen wird das demographische Verhalten dargestellt, 'auf das der Mensch in der Regel wenig Einfluß hatte (Mortalität)'. So wird der Zusammenhang zwischen generativem Verhalten, Konfession und Ökonomie in ihrer gegenseitigen Wechselbeziehung verdeutlicht. Insgesamt führte das jeweils ausgeprägte konfessionelle Bewußtsein nur zu geringen Verhaltensunterschieden. Auch das generative Verhalten war weitgehend gleich. Die Lebenserwartung bei den Reformierten war deutlich höher, wofür es aber keine monokausale Erklärung gibt. So erwies sich die Mentalität als wenig beeinflußt von kirchlichen Normen bzw. vom konfessionellen Bewußtsein. (prf)
Inhalt: 'With the sample of a village of 670 inhabitants (1810), it is investigated whether the religious denomination, Catholic or Calvinist, has any influence on the demographics behaviour of a rural population. A well developed knowledge of denominational consciousness was observed; there were few interfaith marriages or conversions and the differences in the naming of children were distinctive. There were not such big differences in the demographic behaviour. As examples, the age at marriage, premarital sexuality (over 20% of births were premaritial conceptions) and the number of births were nearly equal. In life expectancy there was a seven year denominational differences. All women were noticeable by their low number of births, high age at marriage and high age at last birth. Family limitation was achieved through birth spacing, particularly by Protestant women after the third child onwards. In sum, a large degree of this rural population's demographic behaviour was observable, but only a few were influenced by denominational or religious norms.' (author's abstract)
Schlagwörter:soziale Norm; Lebenserwartung; mentality; Roman Catholic; wirtschaftliche Lage; generatives Verhalten; Katholik; Orientierung; Religionszugehörigkeit; demographic situation; life expectancy; reproductive behavior; demographische Lage; economic situation; social norm; comparison; Protestant church; religious affiliation; frühe Neuzeit; Mentalität; orientation; evangelische Kirche; early modern times; Vergleich
SSOAR Kategorie:Religionssoziologie, Sozialgeschichte, historische Sozialforschung, Bevölkerung
Class, work and religion in the female life course: the case of a Dutch textile town: Enschede, 1880-1940
Titelübersetzung:Soziale Klasse, Arbeit und Religion im weiblichen Lebenslauf: der Fall einer niederländischen Textilarbeiterstadt: Enschede, 1880-1940
Autor/in:
Janssens, Angelique
Quelle: Historical Social Research, 23 (1998) 1/2, S 254-274
Inhalt: Zwischen Frauenerwerbsarbeit und Geburtenrate wird ein enger Zusammenhang angenommen. Dieser wird bei Frauen in den Niederlanden für den Zeitraum 1880 - 1940 untersucht. Am Beispiel der mittelgroßen Textilindustrie-Stadt Enschede mit einem überaus hohen Geburtenanstieg zwischen 1899 und 1930 wird gefragt, inwieweit Erfahrungen mit dem Arbeitsmarkt die Eheentscheidung bzw. Ehechancen junger Frauen beeinflussen. Dabei werden bei den Frauen die Beschäftigungsgruppen 'Lehrerin/Kleinhandel', 'Nähen/Hausangestellte', 'Weben' und 'beschäftigungslos' unterschieden. Es zeigt sich, daß das Eheschließungsverhalten und die Familiengröße nicht wesentlich von sozioökonomischen Faktoren wie dem beruflichen Status des Ehemannes abhingen. Zumindest im frühen 20. Jahrhundert wurde in Enschede die Triade 'Frau, Arbeit und Familie' durch die Triade 'Frau, Familie, Religion' ersetzt. Damit verlief in diesem Zeitraum die Teilung der Gesellschaft nicht horizontal nach sozioökonomischen Gruppen, sondern vertikal nach religiösen und kulturellen Zuordnungen. Der ziemlich späte Wandel demographischer Verhaltensweisen in den Niederlanden geht einher mit geringer Frauenerwerbstätigkeit bis in die 60er Jahre. (prf)
Inhalt: 'In recent years it has become an accepted wisdom to assume a close correlation between the productive and reproductive activities of women. This paper therefore examines the extent to which the labour force participation of women in the Netherlands and patterns of demographic behaviour of women are interrelated in the period between 1880 and 1940. The Netherlands hold a special position in that respect since it combines a rather late demographic transition with low levels of female labour force participation that continue well into the 1960s. This paper presents some preliminary results concerning the industrial textile town of Enschede. In the middle of the Dutch fertility decline socio-economic influences did not appear to have been much impact on either marriage or fertility behaviour. Rather, the evidence suggests that the famous triangle of 'women, work and family', at least for early twentieth-century Enschede, should be replaced by the triangle 'women, family and religion'.' (author's abstract)
Domestic service, migration and the social status of women at marriage: the case of a Dutch Sea Province, Zeeland 1820-1935
Titelübersetzung:Hauswirtschaftsdienst, Wanderungsbewegung und sozialer Status von Frauen bei der Eheschließung
Autor/in:
Bras, Hilde
Quelle: Historical Social Research, 23 (1998) 3, S 3-19
Inhalt: Die Autorin untersucht, inwieweit Mädchen vom Lande, die als Dienstmädchen in die Stadt abwanderten, mit ihrer Eheschließung einen höheren sozialen Status erreichen konnten. Sie stützt sich auf Daten aus den Jahren 1820 bis 1935, die in der niederländischen Provinz Zeeland ermittelt wurden und vergleicht diese mit entsprechenden Daten der Stadt Middelburg für denselben Zeitraum. Die Auswertung belegt, dass der Dienstmädchenberuf nicht zu Ehen mit Männern höherer sozialer Stellung führte als nach dem gegebenen Sozialstatus des Mädchens zu erwarten war. Hingegen bieten sich anderen in der Stadt lebenden Frauen größere Chancen auf eine Ehe mit höherem Sozialstatus. Die Untersuchung widerlegt damit die Auffassung anderer Wissenschaftler, wonach die Hausangestelltentätigkeit in der Stadt für Mädchen vom Lande als 'Brückenschlag' zu einem höheren Sozialstatus anzusehen sei. (prh)
Inhalt: 'Some scholars have seen female domestic service as a 'bridging occupation', facilitating the migration of women from the countryside to the cities and enabling them to make advantageous marriages and become upwardly socially mobile. However, previous research has yielded contradictory results with regard to the marriages of female servants. On the basis of 1800 marriage records, in this article it has been estimated how social background, occupation and migration determined the status at marriage of women in the province of Zeeland the Netherlands, in the period 1820-1935. When holding everything equal, just exercising the occupation of domestic service didn't result in marriages with men of higher social positions as could be expected given the status of the job. However, living in a city by the time of one's marriage, did indeed offer women greater chances on a high status marriage.' (author's abstract)
"Umgekehrte Welt"? Macht, Sexualität und Geschlechterhierarchie im Fastnachtsspiel des späten Mittelalters
Titelübersetzung:"Opposite world"? Power, sexuality and gender hierarchhy in Shrovetide plays during the late Middle Ages
Autor/in:
Roth, Margit
Quelle: Psychologie und Gesellschaftskritik, 21 (1997) 3/4, S 99-117
Inhalt: Die literarische Gattung "Fastnachtsspiel" war im Mittelalter eine beliebte Spielform, die in den Wochen vor Beginn der Fastenzeit insbesondere in Handwerker-Kreisen zur Aufführung kam. Inhaltlich setzt man sich im Fastnachtsspiel mit dem Herrscher-Bürger Verhältnis, der Kirche und der Sexualität auseinander. Während die gängigen Herrschaftsstrukturen im Fastnachtsspiel kritisiert und pervertiert wurden, wurde das Geschlechterverhältnis bestätigt. Anhand eines Vergleichs der Lebensrealität von Frauen im Mittelalter, ihrem sozialen und rechtlichen Status und der Darstellung der Frau im Fastnachtsspiel wird aufgezeigt, wie sich das bestehende Geschlechterverhältnis durch sexuelle Metaphern, durch Spott und Hohn fortschreibt. Eine "umgekehrte Welt", wie sie im Fastnachtsspiel entworfen werden soll, spart den Aspekt der Geschlechterhierarchie folglich aus.
Schlagwörter:Literatur; gender relations; gender; Macht; Hierarchie; middle ages; domination; power; playing; life situation; sexuality; sozialer Status; Sexualität; woman; Geschlechterverhältnis; Lebenssituation; hierarchy; literature; Herrschaft; Spiel; Mittelalter; social status
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Sozialgeschichte, historische Sozialforschung
Frauenbildung in der Frühen Neuzeit: Mary Astells 'A Serious Proposal to the Ladies'
Autor/in:
Kreis-Schinck, Annette
Quelle: Freiburger FrauenStudien, (1996) 2, S 15-27
Inhalt: "Chancengleichheit oder, um es historisch auszudrücken, die Verbesserung der Lage der Frau stehen in engem Zusammenhang mit den Bildungs- und Ausbildungsangeboten, zu denen Frauen Zugang haben. Diese Erkenntnis verdanken wir durchaus nicht dem 19. Jahrhundert mit seiner Vielzahl gesellschaftspolitischer Reflexionen, Forderungen und Umwälzungen. Ausgehend von der Beobachtung, daß im 17. Jahrhundert einige wenige Frauen eine wenn auch instabile ökonomische Unabhängigkeit erreichen konnten - als Autorinnen, als Schauspielerinnen, als Lehrerinnen - fragt dieser Artikel nach den Voraussetzungen für diese Unabhängigkeit. Im Zentrum hierbei steht die sich in der Frühen Moderne lebhaft entwickelnde Diskussion über Erziehung und Ausbildung. Den Höhepunkt dieser Debatte in bezug auf Frauen bilden Mary Astells Ausführungen zu diesen Themen, niedergelegt in London zwischen 1694 und 1697 als 'A Serious Proposal to the Ladies, for the Advancement of Their True and Greatest Interest', ein zweiteiliges Werk, das bis 1701 allein fünf Neuauflagen erreicht und das damit auf die Dringlichkeit des Anliegens hinweist. Astells 'Ernsthafter Vorschlag an die Damen' faßt zusammen und erweitert, was in den vorausgegangenen einhundertundfünfzig Jahren zu dieser komplexen Frage geschrieben wurde." (Autorenreferat)
'Wahlrecht für Frauen, Zucht für die Männer!' ('Votes for women, purity for men!'): Frauenbewegung zwischen Emanzipation und moralischem Rigorismus ; zur Definition sozialer Probleme und abweichenden Verhaltens durch die Frauenbewegungen des 19. Jahrhunderts
Titelübersetzung:'Votes for women, purity for men!': the women's movement between emancipation and moral rigorism; definition of social problems and deviant behavior by the womens's movements in the 19th century
Autor/in:
Karstedt, Susanne
Quelle: Soziale Probleme, 4 (1993) 1, S 27-55
Inhalt: 'Für viele Frauenbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts läßt sich ein ausgeprägter moralischer Rigorismus nachweisen, der zumindest für das 19. Jahrhundert unter dem Verdacht steht, direkt und indirekt den Interessen der bürgerlichen Mittelschichten gedient zu haben. Der Aufsatz untersucht in einem internationalen Vergleich (Großbritannien, USA, Deutschland) 1. die strukturellen Ursachen der ersten Welle des Feminismus sowie die Ursachen der Koalition zwischen Feminismus und 'Moral-Unternehmen' und 2. die Interessen, die in die Zielsetzung dieser Bewegungen und in die jeweiligen Definitionen der sozialen Probleme einflossen. Drittens wird untersucht, welche gesellschaftlichen Deutungsmuster zum Erfolg der Koalition zwischen Feminismus und moralischem Rigorismus geführt haben. In einem Ausblick werden die gegenwärtigen Chancen für eine Verknüpfung zwischen moralischem Rigorismus und Durchsetzung von Fraueninteressen erörtert.' (Autorenreferat)
Inhalt: 'Many feminist social movements in the 19th and 20th century have been characterized by a very radical moral rigorism that is suspected of having served the social and economic interests of the middle classes, directly and indirectly. The essay analyzes by an international comparison (Great Britain, USA, Germany) the structural causes of the first wave of feminism and the coalition between feminism and 'moral entrepreneurship' (1). Secondly, the paper explores the interests that had an effect on the aims of these movements and their definitions of social problems (2). Thirdly, the author analyzes which social patterns of interpretation have contributed to the success of the coalition of feminism and moral rigorism. Finally the author discusses the question whether the alliance between feminism and moral rigorism may be successful in the contemporary situation.' (author's abstract)|
Schlagwörter:Frauenbewegung; abweichendes Verhalten; soziales Problem; North America; suffrage; Germany; social problem; Nordamerika; feminism; Wahlrecht; United States of America; women's movement; Definition; Emanzipation; Moral; Deutschland; bourgeoisie; USA; Großbritannien; emancipation; Feminismus; definition; morality; Great Britain; deviant behavior; Bürgertum
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Sozialgeschichte, historische Sozialforschung, soziale Probleme
Frausein als Entlastungsargument für die biographische Verstrickung in den Nationalsozialismus? Über Strategien der Normalisierung der nationalsozialistischen Vergangenheit in Deutschland
Titelübersetzung:Being a woman as an exoneration argument for biographical involvement in Nazism? Strategies of normalization of the Nazi past in Germany
Autor/in:
Grote, Christiane; Rosenthal, Gabriele
Quelle: Tel-Aviver Jahrbuch für Deutsche Geschichte, 21 (1992) , S 289-318
Inhalt: Durch die zunehmende Fremdenfeindlichkeit seit dem Sommer 1991 in der Bundesrepublik Deutschland fanden die aus unseren empirischen Untersuchungen (Rosenthal 199O; im Druck) entwickelten Annahmen über die mangelnde kollektive Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit, über die Kontinuität des NS-Gedankenguts und seine Tradierung an die nächsten Generationen in schmerzhafter Weise weitere Bestätigung. Unsere Analysen machten deutlich, daß sich der bereits vor 1945 einsetzende und nach 1945 fortgeführte soziale Lernprozeß im Umgang mit der Inhumanität und den Verbrechen des Nationalsozialismus auf das Erlernen der Tabus und kollektive Überwachung ihrer Einhaltung konzentrierte. Durch diesen impliziten, von den ZeitzeugInnen meist bewußt nicht wahrgenommenen, sozialen Lernprozeß wird vermittelt, worüber und wie gesprochen werden darf, worüber es besser zu schweigen gilt, und wie die Einhaltung der Tabus wechselseitig kontrolliert wird. Wir Deutschen - gleich welchen Alters - haben gelernt, wie Themen und Erzählungen über eigenerlebte Erfahrungen vermieden werden, die die kollektiv geteilte Norm "wir haben nichts gesehen und von nichts gewußt" oder aber das Gebot zur Zurückhaltung ethnozentrischer und insbesondere antisemitischer Einstellungen verletzen könnten. Auch in der öffentlichen bzw. veröffentlichten Meinung der Bundesrepublik werden fremdenfeindliche und antisemitische Einstellungen latent gehalten oder gar in eine philosemitische Haltung verkehrt (vgl. Stern 1991).
Schlagwörter:ethnocentrism; antisemitism; coming to terms with the past; Nationalsozialismus; Politisierung; politicization; Federal Republic of Germany; woman; Vergangenheitsbewältigung; Nazism; strategy; Antisemitismus; gender-specific factors; Strategie; Ethnozentrismus; Vergangenheit in Deutschland; Entlastungsargument; Lebensgeschichten
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Sozialpsychologie, Sozialgeschichte, historische Sozialforschung