Geschlecht, "Rasse" und Klasse in Gerichtsverfahren: Bericht über ein Forschungsseminar zur empirischen Rechtssoziologie
Titelübersetzung:Gender, "race" and class in court proceedings: report on a research seminar regarding empirical legal sociology
Autor/in:
Cottier, Michelle; Wrase, Michael
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongress "Die Natur der Gesellschaft"; Frankfurt am Main, 2008. S 2339-2348
Inhalt: "Beobachtungen von Gerichtsverfahren und Entscheidungsprozessen gehören zur klassischen empirischen Justizforschung auch im deutschsprachigen Raum (s. etwa Lautmann 1972, Ludwig-Mayerhofer 1997). In den bisherigen Forschungen vernachlässigt wurde allerdings eine Thematisierung und Verbindung mit Theorien und Debatten in den Gender Studies und aktuellen Forschungen zu gesellschaftlichen Differenzen entlang der Kategorien 'Rasse', Klasse, Geschlecht und deren Interdependenzen (dazu etwa Klinger 2003). Dabei ist zu vermuten, dass diese Kategorien und die damit verbundenen sozialen Hierarchien und Differenzen in rechtlichen Interaktionen wie insbesondere in Gerichtsverfahren, in denen Erzählungen, Identitäten und Lebenswirklichkeiten hergestellt werden und die Verfügbarkeit verschiedenartiger Ressourcen die Position im Verfahren bestimmt (s. Hoffmann 1989, Löschper 1999, Scheffer 2003), besonders wirkungsmächtig sind. Diesen bislang kaum diskutierten Fragen möchte ein Forschungsseminar zur empirischen Rechtssoziologie nachgehen, das von den Einreichenden im Sommersemester dieses Jahres an der Humboldt-Universität Berlin veranstaltet wird. Das Seminar richtet sich an Studierende der Gender Studies, Rechts-, Sozial- und Kulturwissenschaften. Es verfolgt einen innovativen Lehransatz, bei dem die Studierenden in die Methoden der qualitativ-empirischen Sozialforschung eingeführt werden und anschließend selbst ein Forschungsdesign für Gerichtsbeobachtungen und Interviews mit den Richterinnen und Richtern erarbeiten. Die Verfahrensbeobachtungen werden im Zeitraum von Ende April bis Ende Juni am Landgericht Berlin an einer Kammer für Strafsachen durchgeführt. In der Ausschreibung des Seminars heißt es: Um der Wirksamkeit der Kategorien Geschlecht, 'Rasse' und Klasse im Recht auf die Spur zu kommen, genügt es oft nicht, geschriebene Quellen wie die Gesetzgebung, Rechtsprechung und Rechtslehre zu untersuchen. Zusätzlich muss auch die Umsetzung des Rechts in der sozialen Wirklichkeit - häufig auch als 'Rechtswirklichkeit' oder 'law in action' benannt - in die Betrachtung einbezogen werden. Zu deren Untersuchung steht eine Vielzahl von Methoden der empirischen Sozialforschung zur Verfügung. Die Teilnehmenden des Seminars erproben die praktische Durchführung von Forschungsvorhaben in der empirischen Rechtssoziologie anhand von in Gruppen unternommenen Projekten. Sie entwickeln eine konkrete Forschungsfrage und deren methodische Umsetzung. Sodann führen sie Beobachtungen von Gerichtsprozessen (wahlweise auch Interviews) durch. Den Abschluss bilden die Analyse des so gesammelten Materials und die Präsentation der Ergebnisse. In dem Paper möchten die Verfasser einen Einblick in die Ergebnisse der Forschungsarbeit im Seminargeben, in erster Linie aber über Erfahrungen, Möglichkeiten und Probleme der Verbindung von Lehre und Forschung im Bereich der empirischen Rechtssoziologie berichten und diskutieren." (Autorenreferat)
Schlagwörter:research; legislation; Rechtssoziologie; Student; student; Gesetzgebung; Rechtswissenschaft; university; Forschungsprojekt; Wirkung; Federal Republic of Germany; Lehre; sociology of law; effect; research project; social class; Rechtsprechung; empirische Sozialforschung; interdependence; gender; jurisprudence; jurisdiction; legal proceedings; Berlin; Rasse; Richter; empirical social research; woman; judge; research approach; Interdependenz; Forschungsansatz; soziale Klasse; Gerichtsverfahren; Berlin; race; apprenticeship
SSOAR Kategorie:Forschungsarten der Sozialforschung, Kriminalsoziologie, Rechtssoziologie, Kriminologie, Erhebungstechniken und Analysetechniken der Sozialwissenschaften
Titelübersetzung:Researching in the field of prostitution
Autor/in:
Ruhne, Renate
Quelle: Soziale Probleme, 19 (2008) 1, S 72-89
Inhalt: 'Trotz weit gehender Legalisierung stellt das Feld der Prostitution in Deutschland immer noch eine tabuisierte Grauzone des Sozialen dar, die auch von der Wissenschaft lange weitgehend ausgegrenzt wurde. Hintergründe liegen dabei nicht nur in einer erschwerten Zugänglichkeit des Feldes, sondern auch in verbreiteten Wahrnehmungsmustern, die eine offene und kritische Auseinandersetzung in der Forschung erschweren. Aubauend auf ein ethnographisch orientiertes Forschungsprojekt zur Prostitution in Frankfurt am Main thematisiert der Beitrag sowohl Fragen des (konzeptionellen) Zugangs zum Feld als auch Fragen der forschungsmethodologischen Überwindung sozialer Konventionalisierungen, die Wahrnehmung und 'Wissen' nicht nur im Alltagserleben, sondern auch in der Forschung beeinflussen (können). Ins Blickfeld gerückt wird dabei u. a. die in sozialwissenschaftlichen Forschungsprozessen stets zu berücksichtigende Balance zwischen 'Engagement und Distanzierung' (Elias 1990), das heißt zwischen einem (notwendigen) empathischen Zugang auf der einen und einer (ebenso notwendigen) gezielten 'Befremdung' (Amann/ Hirschauer 1997) der in der Forschung (re)konstruierten sozialen Wirklichkeit auf der anderen Seite.' (Autorenreferat)
Inhalt: 'In spite of its extensive legalisation in Germany, the field of prostitution still poses a grey social area, steeped in taboo and long excluded, for die greatest part, from any scholarly or scientific discourse, even within die social sciences. The background to this lies not only in die obstacles to its accessibility as an area of study, but also in the broad perceptual images which further complicate an open and critical debate within its research. Based upon an ethnographically oriented research project on prostitution in Frankfurt am Main the article takes as its subject questions on (conceptual) access to the field as well as questions arising from the methodological overcoming of the social conventionalisation, which have a significant impact on the perception and 'knowledge' of the field, not only in everyday life but also in research. Amongst chose aspects brought into view is the balance that has always to be taken into account in the processes of research in the social sciences between involvement and detachment (Elias 1990). That is to say between a (necessary) pathetic access on the one hand and on the other the (equally necessary) 'alienation' of the researched and thus (re)constructed social reality.' (author's abstract)|
Schlagwörter:perception; Forschungsprozess; research; zone; scientist; soziales Problem; Wahrnehmung; Methodologie; power; social reality; interaction; analysis; data collection method; Federal Republic of Germany; social problem; Wissenschaftler; Körperlichkeit; soziale Wirklichkeit; methodology; gender; knowledge; Macht; model; Raum; social science; prostitution; Modell; Sozialwissenschaft; Prostitution; research approach; Forschungsansatz; corporeality; research process; Interaktion; Analyse; Wissen; Erhebungsmethode
SSOAR Kategorie:Forschungsarten der Sozialforschung, Ethnologie, Kulturanthropologie, Ethnosoziologie, Erhebungstechniken und Analysetechniken der Sozialwissenschaften, soziale Probleme
Tagebuch versus Zeitschätzung: ein Vergleich zweier unterschiedlicher Methoden zur Messung der Zeitverwendung für Hausarbeit
Titelübersetzung:Time-diary versus time-estimation data: a comparison of two different methods of measuring the time spent on housework
Autor/in:
Schulz, Florian; Grunow, Daniela
Quelle: Zeitschrift für Familienforschung, 19 (2007) 1, S 106-128
Inhalt: 'Ein Vergleich der Ergebnisse von Zeitverwendungstagebüchern und Zeitschätzungen lässt Zweifel an der bislang aufrecht erhaltenen Annahme aufkommen, beide Methoden wären lediglich zwei verschiedene Wege zur validen Messung individueller Zeitbudgets. Auf der Basis eines eigens für diesen Methodenvergleich erhobenen Datensatzes wird gezeigt, dass die auf Grundlage beider Erhebungstechniken gewonnenen Daten signifikant unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen und folglich zu unterschiedlichen theoretischen Schlussfolgerungen in Bezug auf die Determinanten geschlechtsspezifischer Zeitverwendungsmuster für Hausarbeit führen würden.' (Autorenreferat)
Inhalt: 'A comparison of time-diary data and data obtained through survey questions leaves us to doubt that both methods are just two different ways of measuring individual time budgets validly. Comparing data of a unique pilot study for assessing methodological concerns of time use measurement, we find that both measurement techniques produce significantly different results that would eventually lead to substantially different conclusions with respect to the determinants of gender specific housework patterns.' (author's abstract)
Schlagwörter:research; Zeitverwendung; Methodenvergleich; time budgeting; time budget; comparison of methods; Hausarbeit; determinants; housework; Methode; method; Federal Republic of Germany; Zeitbudget; gender-specific factors; Determinanten
SSOAR Kategorie:Erhebungstechniken und Analysetechniken der Sozialwissenschaften, Familiensoziologie, Sexualsoziologie
Diskursanalyse und Biografieforschung: zum Wie und Warum von Subjektpositionierungen
Titelübersetzung:Discourse Analysis and Biographical Research: about the How and Why of Subject Positions
Autor/in:
Tuider, Elisabeth
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 8 (2007) 2, 28 S
Inhalt: In den aktuellen Überlegungen der im Anschluss an Michel FOUCAULT ausgearbeiteten Gouvernementality-Studies werden im Zuge der Formierung neuer (neoliberaler) Regierungsrationalitäten auch neue Subjektivierungsweisen konstatiert. Diese Subjektivierungsweisen sind – FOUCAULT folgend – als Effekte diskursiver Praktiken zu begreifen. Bisher offen geblieben ist aber die forschungsmethodische Erschließung von diskursiven Effekten. Denn während von Seiten der Diskursforschung bisher nur neue Subjektivierungsweisen deklariert wurden, ohne sie aber methodisch einzuholen, wurden von Seiten der Biographieforschung nur die subjektiven Verortungen betrachtet, ohne sie mit den sie umgebenden Diskursen systematisch zu verbinden. Um dieses Desiderat zu beheben und die diskursiven Effekte, die Subjektpositionierungen, methodisch zu erfassen, wird hier eine methodische Koppelung von Diskursanalyse und Biographieforschung vorgeschlagen, um damit den Defiziten beider Forschungstraditionen beizukommen. Am Beispiel der in Juchitán/Südmexiko auffindbaren Subjektpositionierung muxé wird die vorgeschlagene Methodenkoppelung exemplarisch veranschaulicht. Dem hier vorgestellten Vorgehen liegt die These zugrunde, dass biographische Erzählungen einerseits von Diskursen durchdrungen sind und die biographischen Erzählungen andererseits Hinweise auf die Materialisierung von Diskursen sowie auf das über die Diskurse Hinausgehende geben.
Inhalt: Recent reflections on governmentality studies which are based on Michel FOUCAULT, ascertain new forms of subjectivation within the frame of new (neoliberal) rationalities of government. Following FOUCAULT, these forms of subjectivation are seen as effects of discursive practices. However, there is no way yet on adequate methods for grasping discursive effects. For closing this gap and finding adequate methods to study discursive effects, the subject positions, I will suggest a methodical link between discourse-analysis and biography-analysis. Linking these two research traditions will eliminate the deficiencies of both research traditions: While discourse-analysis just stated new forms of subjectivations without finding adequate methods to study them, biography-analysis just focused on the subject positions without connecting them systematically to the surrounding discourses. Taking the subject position muxé, found in Juchitán/Southern Mexico, as an example, I will illustrate the possibilities of such a methodical combination. On the one hand, the outlined procedure is based on the assumption that biographical narratives are penetrated by discourses. On the other hand, biographical narratives refer to the materializations of discourses. They, in addition, point to that which exceeds a discourse.
Gendersensible Konzepte zur Behandlung komplexer Traumatisierung: methodische Überlegungen zur Untersuchung von Veränderungsprozessen in Therapie und Beratung
Titelübersetzung:Gender-sensitive approaches to the treatment of complex traumatisation: methodological considerations on research on change processes in psychotherapy and counseling
Autor/in:
Gahleitner, Silke Birgitta
Quelle: Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Institut für Psychologie; Klagenfurt (Beiträge zur Qualitativen Inhaltsanalyse), 2005. 10 S
Inhalt: Seit dem Aufkommen der evidenzbasierten Psychotherapie mit dem Ziel einer systematischen Integration individueller klinischer Expertisen ist eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis entstanden, die für alle helfenden Berufe neue Perspektiven eröffnet und Aspekte der Qualitätssicherung ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Durch die strikte Begrenzung auf operationalisierbare Therapieziele und lineare Kausalitäten evidenzbasierter Psychotherapieforschung geraten jedoch systematische Beobachtungen von Veränderungsprozessen, die KlientInnen als wirkungsvoll für sich erlebt haben, in den Hintergrund. Abgesehen von einzelnen Kasuistiken gibt es wenige regelgeleitete, vergleichende Deskriptionen, wie sich Veränderungen in Psychotherapie und Beratung tatsächlich vollziehen und wodurch sie in Bewegung gesetzt werden. Das geschilderte Forschungsvorhaben unternimmt den Versuch, über halbstrukturierte Erhebungsverfahren explizites ExpertInnenwissen und implizites KlientInnenwissen zu sammeln und einer systematischen Analyse zu unterziehen. Im Zentrum steht die Fragestellung, wie Beratung und Psychotherapie KlientInnen bei der Bewältigung komplexer Traumatisierung optimal unterstützen kann. Im Gegensatz zum quantitativ orientierten Mainstream der Psychotherapieforschung soll dabei von der subjektiven Erfahrung Betroffener ausgegangen werden und der Faktor Geschlecht besondere Aufmerksamkeit erfahren. Die problemzentrierten Interviews werden durch eine begleitende quantitative Untersuchung mit diagnostischen und therapie-evaluierenden Fragebögen ergänzt. Zur Auswertung der Interviews wird die qualitative Inhaltsanalyse mit einem geschlechtssensiblen Verfahren kombiniert werden, um der explorativen, induktiven Vorgehensweise mehr Raum zu eröffnen und dem Gender-Aspekt als Schwerpunkt des Forschungsgegenstandes gerecht zu werden. Die Ergebnisse aus den quantitativen Daten fließen in die qualitative Auswertung ein. Die Schnittstelle zwischen qualitativen und quantitativen Daten sowie ihre Chancen und Probleme in der Interpretation der Daten wird kritisch diskutiert. Die Ergebnisse könnten die Kontroverse um eine inhaltliche wie methodische Neubestimmung psychotherapeutischer Theorie und Praxis bereichern, die derzeit vielerorts diskutiert wird.
Inhalt: Since the development of evidence-based psychotherapy with the aim of systematically integrating clinical expertise a bridge has been constructed between research and practice which opens up new perspectives for all the helping professions and draws attention to aspects of quality assurance. However, as research efforts have been strictly limited to operationalizable therapy goals and the linear causalities of evidence-based psychotherapy research there has been less interest in systematic observations of those change processes that the clients themselves experience as effective. Apart from isolated case studies there are few systematic, comparative descriptions of how change actually occurs in psychotherapy and counselling and what sets it in motion. The research project presented is designed to collect explicit knowledge from experts and implicit knowledge from clients and to subject them to a systematic analysis. The study will then examine the question as to how counselling and psychotherapy can best help clients to cope with complex traumatization. In contrast to mainstream, quantitative psychotherapy research, it will start from the clients' subjective experience and pay special attention to the gender factor. The problem-centered interviews will be supplemented by a simultaneously conducted quantitative evaluation including questionnaires on diagnosis and therapeutic effectiveness. For the evaluation of the interviews qualitative content analysis will be combined with a gender-sensitive procedure in order to give greater weight to explorative, inductive methods and to do justice to the gender aspect as the central issue of the study. The results of the quantitative measures will be taken account of in the qualitative data analysis. The interface between qualitative and quantitative data and its advantages and disadvantages for the interpretation of the data will be discussed. The results could make a useful contribution to the currently widespread controversy on new directions and new methodological orientations in psychotherapeutic theory and practice.