Stillen als wissenschaftlicher Gegenstand: epistemologische Überlegungen zur Untersuchung einer "natürlich sozialen Tatsache" am Beispiel des medizinischen Diskurses
Titelübersetzung:Breastfeeding: epistemological reflection on medical discourses on a "naturally social fact"
Autor/in:
Garcia, Anne-Laure; Dietzsch, Ina
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 10 (2018) 1, S 100-114
Inhalt: Im gesellschaftlichen Diskurs um das Stillen ist gegenwärtig, trotz fundierter sozialwissenschaftlicher Kritik, immer noch die Position als hegemonial zu bezeichnen, die das Stillen als die beste Form der Säuglingsernährung sieht. Um die Hintergründe für die Macht dieser Position besser verstehen zu können, befragt der Aufsatz medizinische Publikationen aus über einem Jahrhundert aus der wissenschaftstheoretischen Perspektive der französischen Epistemologie und zeichnet die sich darin zeigende Wissensordnung um das Stillen nach: Wie hat sich das Stillen als wissenschaftlicher Gegenstand infolge der Verwissenschaftlichung der Medizin konstituiert? Wie wurde er im Kontext moderner Dichotomien zwischen dem Natürlichen und dem Sozialen positioniert? Welche Hierarchien wurden damit bedient, stabilisiert oder unterlaufen? Zentral für die Argumentation sind drei Erkenntnishindernisse im Sinne Gaston Bachelards, die im Untersuchungszeitraum des 19. Jahrhunderts eine Verschiebung des Gegenstands Stillen von einer natürlichen zu einer "natürlich sozialen Tatsache" erschwerten: die Hybridität der Medizin als Disziplin, die kumulative Praxis der medizinischen Forschung und ihr Fokus auf die Mutter-Kind-Dyade.
Inhalt: Although the social sciences have over the years expressed well-founded criticism, in the contemporary public discourse in Germany breastfeeding is still considered to be the best way to feed a baby. In order to be able to better understand why this is the case, this article discusses material taken from the medical discourse in Germany during the late 19th and 20th century while exploring the potential of the epistemological concept of rupture, which originates in the French sociological tradition. The following questions will be answered: How was breastfeeding constituted as a scientific subject of research during the process of scientification of medicine? Where did this scientific subject of research end up caught between the social and the natural? What kinds of hierarchy were stabilized or subverted as a result? This line of reasoning sheds light on three epistemological obstacles which exacerbate breastfeeding shifting from being a natural to becoming a naturally social fact in the period investigated: medicine as a hybrid discipline, cumulative practices of medical research and its focus on the dyad of mother and child.
SSOAR Kategorie:Allgemeine Soziologie, Makrosoziologie, spezielle Theorien und Schulen, Entwicklung und Geschichte der Soziologie, Frauen- und Geschlechterforschung
Meanings and motives before measures: the "what" and "why" of diversity within the mossos d'esquadra and the politie Utrecht
Autor/in:
Ewijk, Anne R. van
Quelle: Social Inclusion, 2 (2014) 3, S 60-74
Inhalt: This article proposes the definition of and motivation for diversity (policy) as an important research topic that should be studied before focusing on diversity policy measures. As such, it strives to demonstrate the academic potential of an analytical framework that outlines fundamental choices made in these respects. What types of diversity do organizations focus on? And what do they want to achieve with (increased) diversity? In this article the discourses underlying the diversity policies in two regional European police forces -the Mossos d'Esquadra and the Politie Utrecht- are analyzed. The main observation is that the results are surprisingly similar in spite of contextual factors that may lead observers to expect otherwise: they both focus on gender and migrant background, identifying these types of diversity as collective in nature, while striving for equal opportunities for individuals despite these collective differences. This article also explores possibilities for further theory building by formulating possible explanations for the similarities and differences which have been identified, suggesting a possible hierarchy in diversity within European organizations, and describing how the motivation for diversity might influence the effectiveness of diversity policies.
Regulationstheorie, Cultural Political Economy und feministische Gesellschaftstheorie
Titelübersetzung:Regulation theory, cultural political economy and feminist social theory
Autor/in:
Hauf, Felix
Quelle: Femina Politica - Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 22 (2013) 1, S 56-68
Inhalt: "Cultural Political Economy (CPE) ist ein im Entstehen begriffenes Paradigma, das darauf abzielt, den cultural turn auf dem Feld der politischen Ökonomie zu vollziehen, ohne dabei die materielle oder ökonomische Dimension des Sozialen völlig hinter der symbolischen oder diskursiven Dimension verschwinden zu lassen. Dazu werden regulations-, staats- und diskurstheoretische Ansätze auf produktive Weise verknüpft, um den komplexen Wechselverhältnissen zwischen diskursiven und nicht-diskursiven Elementen der politischen Ökonomie gerecht zu werden, ohne die Grundlagen der Regulationstheorie im historischen Materialismus und im kritischen Realismus gänzlich zu verlassen. Der resultierende Theorierahmen bietet einen neuen, vielversprechenden Zugang zu einer Reihe von Forschungsproblemen, zeichnet sich aber bislang durch einen Mangel an geschlechtertheoretischen Perspektiven aus. In diesem Beitrag argumentiere der Autor für eine feministisch reartikulierte CPE und verfolgt dabei die These, dass die weitere Entwicklung der CPE hin zu einer fruchtbareren Integration von neo-marxistischen und poststrukturalistischen Theorien gleichzeitig eine produktivere Verbindung von feministischer Gesellschaftstheorie und politischer Ökonomie ermöglicht." (Autorenreferat)
Schlagwörter:Feminismus; feminism; politische Ökonomie; political economy; Gesellschaftsbild; image of society; Gesellschaftskritik; social criticism; Gesellschaftstheorie; theory of society; Kultur; culture; kulturelle Faktoren; cultural factors; Diskurs; discourse; Forschungsansatz; research approach; Neomarxismus; neo-Marxism; Poststrukturalismus; post-structuralism; Regulationstheorie; regulation theory
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Allgemeine Soziologie, Makrosoziologie, spezielle Theorien und Schulen, Entwicklung und Geschichte der Soziologie, Volkswirtschaftstheorie
Plädoyer für eine utopietheoretische Erweiterung feministischer Gesellschaftskritik
Titelübersetzung:Plea in favor of a utopian theory extension of feminist social criticism
Autor/in:
Dierkes, Mirjam
Quelle: Femina Politica - Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 22 (2013) 1, S 68-80
Inhalt: "Der vorliegende Artikel argumentiert, dass kritisch-feministische Perspektiven auf Gesellschaft und Ökonomie einer utopietheoretischen Erweiterung bedürfen. Dies gilt vor allem dann, wenn sie sich real vorhandenen emanzipatorischen Praxen verpflichtet fühlen. Denn diese 'konkreten Utopien' sind auch auf der analytischen Ebene nur unter Einbezug einer utopietheoretischen Perspektive adäquat abzugrenzen und zu analysieren. Der Artikel sondiert in diesem Sinne kritisch vorliegende Ansätze aus dem theoretischen Utopiediskurs. Ziel dabei ist es, eine aktualisierte feministisch-utopietheoretische Position im Kontext von kritischer Gesellschaftstheorie zu konturieren." (Autorenreferat)
Inhalt: "This article aims to show that a critical-feminist perspective on society and economy needs an inclusion of utopian-theoretical perspectives. This is especially important as the theoretical perspectives which are indebted to emancipatory practices can only be distinguished and analytically understood if utopian perspectives are also theoretically included. In this sense, the article critically explores theoretical perspectives of the utopian discourse. In conclusion it develops the contours of an actualized feminist-utopian-theoretical position in the context of a critical social theory." (author's abstract)
Schlagwörter:Feminismus; feminism; Utopie; utopia; politische Ökonomie; political economy; Gesellschaftsbild; image of society; Gesellschaftskritik; social criticism; Forschungsansatz; research approach; Forschungsdefizit; research deficit; Forschungsschwerpunkt; research focus; Kritische Theorie; critical theory; Diskurs; discourse; Emanzipation; emancipation; Selbstbestimmung; self-determination
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Allgemeine Soziologie, Makrosoziologie, spezielle Theorien und Schulen, Entwicklung und Geschichte der Soziologie
Rezension: Julia Reuter (2011). Geschlecht und Körper: Studien zur Materialität und Inszenierung gesellschaftlicher Wirklichkeit
Titelübersetzung:Review: Julia Reuter (2011). Geschlecht und Körper: Studien zur Materialität und Inszenierung gesellschaftlicher Wirklichkeit (Gender and body: studies on materiality and enactment of social reality)
Autor/in:
Schindler, Larissa
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 13 (2012) 2, 6 S
Inhalt: Julia REUTERs Buch "Geschlecht und Körper" beschäftigt sich in zehn Aufsätzen mit zwei aktuellen Grundbegriffen der Soziologie, nämlich mit Geschlecht und mit Körper. Daneben enthält es auch Überlegungen zu Visualität und Fremdheit. Die Autorin konzentriert sich auf Performanz-, Diskurs- und Praxistheorien, die sowohl als Denkmittel eingesetzt als auch – reflexiv gewendet – zum Analysegegenstand werden. Das Buch zeichnet sich durch vielschichtige Beschreibungen rund um die beiden Begriffe aus, beschäftigt sich allerdings nicht so sehr mit der Frage, wie die beiden Konzepte als soziale Phänomene ineinandergreifen oder sich gegenseitig bedingen. Es setzt nicht primär neue Impulse, ist aber eine gelungene und interessant geschriebene Darstellung aktueller Themen und Diskussionen.
Inhalt: Julia REUTER's latest book, "Geschlecht und Körper" [Gender and Body], contains ten studies on these two central concepts in sociology, as well as lending consideration to visuality and otherness. The author focuses on theories of performance, discourse and practice, which are used both as analytical tools and, reflexively, as objects of analysis. The book offers rich descriptions of the two central concepts, but does not fundamentally deal with how they interrelate. It offers a vivid account of current themes and discussions.
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Allgemeine Soziologie, Makrosoziologie, spezielle Theorien und Schulen, Entwicklung und Geschichte der Soziologie
Migration, Geschlecht, Gewalt: Überlegungen zu einem intersektionellen Gewaltbegriff
Titelübersetzung:Migration, gender, violence: towards an intersectional concept of violence
Autor/in:
Sauer, Birgit
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 3 (2011) 2, S 44-60
Inhalt: "Politische Maßnahmen gegen und wissenschaftliche Diskussionen um sogenannte 'traditionsbedingte' Gewalt gegen Frauen in westlichen Einwanderungsgesellschaften machen einen intersektionellen Gewaltbegriff nötig, der der kulturalisierenden Falle entkommt und nachhaltigen Gewaltschutz zu denken ermöglicht, ohne bestimmte minorisierte Gruppen abzuwerten und von Gewalt betroffene Frauen zu viktimisieren. Der Text schlägt im Kontext eines weiten feministischen Gewaltbegriffs eine Re-Theoretisierung von Gewalt gegen Frauen vor. Ein feministischer Gewaltbegriff sollte erstens das Zusammenspiel von Gewaltstrukturen und -diskursen, zweitens die Interaktion von Ungleichheitsstrukturen in Minderheitengruppen und der Mehrheitsgesellschaft sowie drittens die Interaktion von Ungleichheits- und Gewaltstrukturen an der Schnittstelle von Geschlecht, Kultur, Ethnizität/Nationalität, Religion und Klasse umfassen." (Autorenreferat)
Inhalt: "Political measures against as well as scientific debates about so-called 'traditional harmful practices' against women in western immigration countries put the necessity of an intersectional concept of violence on the feminist scientific agenda, Such a concept should aim to escape the trap of culturalizing the 'Other'. It should also build the ground to guarantee sustainable harm reduction without stigmatizing minority groups nor victimizing women affected by violence. In the context of a broad feminist notion of violence the article suggests the re-theorization of the concept of violence against women. This conceptualization should include first the interplay of structures and discourses of violence, second the interaction of structures of inequality between minority groups and dominant society, and third the intersection of structures of inequality and violence between gender, culture, ethnicity, religion, and class." (author's abstract)
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, soziale Probleme, Migration, Allgemeine Soziologie, Makrosoziologie, spezielle Theorien und Schulen, Entwicklung und Geschichte der Soziologie