"Leiden mit Geduld" - Schmerz und Geschlecht im 19. Jahrhundert: Praxistheoretische Rekonstruktionen
Titelübersetzung:"Patiently suffering" - praxeological reconstructions of pain and gender in the 19th century
Autor/in:
Nolte, Karen
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 10 (2018) 1, S 29-46
Inhalt: Die Forschung zur Geschichte des Schmerzes ist wesentlich geprägt durch die Arbeiten von Elaine Scarry und David Morris, die in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren im Kontext des Linguistic Turn in den Kulturwissenschaften entstanden sind. Scarry formulierte mit Blick auf die Medizin in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren die These der "Inexpressibility" des Schmerzes. Schmerz sei der Ausdruck einer "radikalen Subjektivität", die es unmöglich mache, physischen Schmerz zu definieren oder zu beschreiben. Die Grundannahme des Beitrags ist, dass praxeologische Zugänge einen anderen Zugang zur Geschichte des Schmerzes ermöglichen. Nicht der bisher dominierenden Frage nach der Authentizität von Schmerz in den Quellen soll nachgegangen werden, sondern es geht darum, Praktiken im Umgang mit Schmerz zu analysieren. Untersucht werden soll, in welcher Weise Konzeptionen von Geschlecht den Praktiken zum Umgang mit Schmerz im 19. Jahrhundert implizit sind. Das Aufschreiben von Schmerz wird im Folgenden ebenfalls als Praktik begriffen.
Inhalt: Research on the history of pain was significantly influenced by the work of Elaine Scarry and David Morris in the late 1980s and early 1990s in the context of the "linguistic turn" in cultural studies. Scarry developed the concept of the "inexpressibility" of pain in the late 1970s and early 1980s in regard to the field of medicine. According to Scarry, pain is an expression of "radical subjectivity", making it impossible to define or describe physical pain. The article argues that praxeological approaches open up new ways into the history of pain. The previously dominant question of how authentic descriptions of pain can be at reflecting the experiences of people concerned will be ignored here, i.e. whether pain can be adequately expressed in words. Rather, the article seeks to analyse practices when it comes to dealing with pain. The investigation focuses on the ways in which concepts of gender informed how pain was dealt with in the 19th century. Writing down and preserving descriptions of pain are also regarded as a practice.
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 7 (2015) 2, S 82-96
Inhalt: "Chronischer Juckreiz ist mit einer Lebenszeitprävalenz von ca. 23 % ein sehr häufiges Symptom, das durch zahlreiche dermatologische, internistische, neurologische und auch psychische Erkrankungen ausgelöst werden kann. Während bei jüngeren Patientinnen und Patienten eher der entstellende Aspekt der durch Kratzen beschädigten Haut eine Rolle spielt, leiden ältere Patientinnen und Patienten oftmals unter einem schwer zu behandelbaren Juckreiz unterschiedlichster Ursache. Obwohl der chronische Pruritus als Volkssymptom angesehen werden kann, liegen bisher nur sehr wenige Studien zu geschlechtsspezifischen Unterschieden vor. Diese zeigen, dass Frauen und Männer eine unterschiedliche Pruritus- Wahrnehmung haben - Frauen nehmen das Symptom intensiver wahr. Dies führt bei Frauen nicht nur zu einer höheren psychischen Belastung, sondern auch zu einem unterschiedlichen Verhalten - Frauen kratzen vermehrt. Aber auch die Qualitäten des Symptoms sind unterschiedlich, Frauen empfinden beispielsweise vermehrt einen brennenden Juckreiz, was u. a. auf die Aktivierung von schmerzleitenden Nervenfasern (neuropathische Komponente) hindeutet. Dies deutet auf eine unterschiedliche Verarbeitung von Pruritus im Gehirn hin. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede hinsichtlich der Juckempfindung sollten dringend weiter untersucht werden, um eine geschlechtsadaptierte Diagnostik und möglicherweise auch Therapie anbieten zu können und somit zur verbesserten Behandlung der Betroffenen beitragen zu können." (Autorenreferat)
Inhalt: "Chronicitch is a common symptom with a life-time prevalence of around 23% which is provoked by numerous dermatological, internal, neurological and mental disorders. While the disfiguring resulting from skin being damaged by scratching plays an important role in younger patients, older patients often suffer from a difficult-to-treat pruritus of various causes. Although chronic pruritus can be considered as a widespread disease, there are only a few studies which have examined sex-/ gender-specific differences. These studies have indicated that females and males have a different pruritus perception: females experience the symptom more intensively. This not only leads to a greater psychological burden in females, but results in a different behaviour, because females scratch more. Women also experience different symptoms, for example more women experience a burning itch, which indicates a stronger involvement of nerve fibres (neuropathic component). Women not only experience greater itch intensity, they are also more distracted by the itching than men are. This indicates a different cerebral perception and modulation. Sex-/genderspecific differences in regard to itching need further investigation in order to be able to offer sex-/gender-specific diagnostics and tailor therapy to improve the clinical situation of the affected patients." (Autorenreferat)
Genetische Ursachen sexueller Dimorphismen bei komplexen Erkrankungen
Titelübersetzung:Genetic roots of sexual dimorphisms in complex diseases
Autor/in:
Fischer, Christine; Kindler-Röhrborn, Andrea
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 7 (2015) 2, S 68-81
Inhalt: "Die häufigsten Erkrankungen in entwickelten Ländern sind Herz- Kreislaufkrankheiten, Tumorleiden, Stoffwechsel-, Autoimmun- und psychiatrische Erkrankungen. Diese werden als komplexe Krankheiten bezeichnet, da ihre Entstehung sowohl von genetischen als auch von nicht genetischen, von außen einwirkenden Faktoren beeinflusst wird. Viele dieser Krankheiten zeigen deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen sowohl im Hinblick auf die Neuerkrankungsrate als auch auf den Krankheitsverlauf. Als Erklärungen werden Unterschiede in den soziokulturellen Rollen von Männern und Frauen und daraus resultierend die Exposition gegenüber unterschiedlichen Risikofaktoren diskutiert. Kürzlich fand man durch genetische Studien für einige Krankheiten Hinweise auf unterschiedliche prädisponierende Gene bei Männern und Frauen. Diese Gene entwickeln ihre Wirkung auf die Krankheit nur auf dem Hintergrund eines Geschlechts. Geschlechterabhängige Präventions- und Therapiemaßnahmen für diese Erkrankungen erscheinen notwendig. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den genetischen Aspekten des geschlechterabhängigen Erkrankungsrisikos. Wir schildern Beispiele für geschlechtsspezifische Assoziationen sowohl beim Menschen als auch im Tierversuch und diskutieren methodische Probleme sowie mögliche biologische Mechanismen." (Autorenreferat)
Inhalt: "The most frequent conditions affecting populations in developed countries are cardiovascular diseases, tumours, metabolic disorders, autoimmune and psychiatric diseases. All these disorders belong to the category of complex diseases, as their development is influenced by genetic as well as non-genetic factors. Many of these disorders arise with a marked sex/gender bias regarding incidence and/or progression. Differences in the sociocultural roles of men and women resulting in exposition towards different risk factors have been discussed as being causative. Recently, genetic studies have revealed that different genes might predispose men and women towards specific complex diseases. These genes display effects on disease risk preponderantly in one sex. Therefore, sex-/gender-dependent disease prevention measures and therapies appear to be necessary. This article focuses on the genetic aspects of differential disease risks of men and women. We present examples of sex-specific association in humans and in model organisms and discuss possible biological mechanisms and methodological problems." (author's abstract)
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 3 (2011) 1, S 144–149
Inhalt: "Geschlechterspezifisches Wissen wird in der Medizin zunehmend bedeutsam. Die Implementierung dieses Wissens in die medizinische Aus-, Fort- und Weiterbildung, die klinische Praxis und medizinisch-naturwissenschaftliche Forschung war Thema der interdisziplinären Tagung an der MHH im September 2010. Einerseits wurden klinische und naturwissenschaftliche Fragen und neue Forschungsergebnisse aus unterschiedlichen medizinischen Fächern diskutiert, die auf vielfältige biologische und psychosoziale sowie kulturelle Unterschiede zwischen den Geschlechtern hinweisen und für die medizinische Praxis von zum Teil lebenswichtiger Bedeutung für PatientInnen sein können. Andererseits wurden Möglichkeiten und Stolpersteine der Implementierung dieser ständig wachsenden Wissensbestände in die medizinische Lehre anhand verschiedener Modellprojekte diskutiert, die sex- und gender-Aspekte von Gesundheit und Krankheit auf unterschiedliche Weise in Medizincurricula integriert haben." (Autorenreferat)
Inhalt: "Gender-specific knowledge in medicine is increasingly important. The implementation of this knowledge into medical training, further education, clinical practice, and medical-scientific research was the topic of an interdisciplinary conference at the Hannover Medical School in September 2010. On the one hand, clinical and scientific issues and new research findings from various medical subjects were discussed, which point to various biological as well as psycho-social and cultural differences between the sexes and most often are of vital importance for patients. On the other hand, possibilities and pitfalls for the implementation of this ever-growing body of knowledge into medical education were discussed by means of various pilot projects that integrate sex and gender aspects of health and illness in different ways into medical curricula." (author's abstract)