Inhalt: Wie kann Solidarität innerhalb und zwischen verschiedenen Bewegungen hergestellt und aufrechterhalten werden? Dieser Frage geht der Text anhand der Kontroversen in der Frauenbewegung um behindertenpolitische Themen nach, insbesondere in Bezug auf humangenetische Beratungsstellen und Pränataldiagnostik. Dazu werden vier Texte von Feministinnen mit und ohne Behinderung vorgestellt und auf ihre Appelle zur Solidarität befragt, die zwischen den beiden feministischen Kongressen gegen Reproduktionstechnologien ab Mitte der 1980er Jahre entstanden sind. Hier ist besonders interessant, wer in Bezug auf welche Ziele und Werte an wessen Solidarität appelliert. Die Anwendung des zentralen feministischen Slogans "Das Private ist politisch" auf die eigene Bewegung durch Feministinnen mit Behinderung und die autonome Strömung ermöglichte eine Kritik an internalisierter Behindertenfeindlichkeit/Ableism und an einem eindimensionalen und exklusiven Selbstbestimmungsbegriff in den Debatten um pränatale Diagnostik und Abtreibung. Diese Aufforderung zur Selbstkritik und die Vorschläge zur Entwicklung eines komplexeren und inklusiveren Selbstbestimmungsbegriffs wurden teilweise ignoriert oder auch mit Verratsvorwürfen begegnet. Die Konflikte sowie die Solidaritätsaufrufe zeigen, dass praktische Solidarität eher zwischen verschiedenen Bewegungsströmungen möglich ist als zwischen ganzen Bewegungen.
Schlagwörter:soziale Bewegung; social movement; Feminismus; feminism; Reproduktionsmedizin; reproductive medicine; Medizintechnik; medical technology; pränatale Diagnostik; prenatal diagnostics; Behinderung; disability; Intersektionalität; intersectionality; Frauenbewegung; women's movement; Solidarität; solidarity; Wertorientierung; value-orientation; Vorurteil; prejudice; Selbstbestimmung; self-determination; Ableism
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung
Dokumenttyp:Zeitschriftenaufsatz