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Inequality research (Inequality)

The emergence of inequality in social systems


Projektbeschreibung

Sozioökonomische Ungleichheit ist – in kleinen Organisationen ebenso wie auf der Ebene von Nationalstaaten und Gesamtgesellschaften - eines der drängendsten gesellschaftlichen Probleme, denen wir heute gegenüber stehen. Extrem ungleiche Verteilungen von Reichtum, Einkommen und Einfluss werden in Verbindung gebracht mit steigender Gewalt und politischer Instabilität, sowie mit abnehmender Produktivität und Zufriedenheit des Einzelnen. Daher ist nicht nur ein zunehmendes Interesse an Ungleichheitsforschung bei Soziologen, Ökonomen und weiteren Sozialwissenschaftlern festzustellen, sondern auch eine gesteigerte Aufmerksamkeit für dieses Thema in der allgemeinen Öffentlichkeit – das zeigen die Occupy-Wallstreet-Bewegung, Veröffentlichungen wie Thomas Pikettys weitverbreitetes „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ oder der Panama-Papers-Skandal.

Trotz dieses großen Interesses an der Erforschung sozioökonomischer Ungleichheit haben die Sozialwissenschaften nur geringe Fortschritte in der Beantwortung der wichtigen Frage „Wie entsteht und festigt sich soziale Ungleichheit?“ machen können. Klassische Methoden der Sozialwissenschaften und der Sozialpsychologie bieten nur begrenzte Möglichkeiten, diese Fragestellung zu adressieren. Auf der einen Seite versuchen Soziologen, mit Hilfe individueller Zensusdaten oder den aus Selbstauskünften gespeisten Umfragedaten globale Phänomene zu erklären und beachten dabei meist nicht die durch Interaktion zwischen Individuen entstehenden Effekte. Auf der anderen Seite führen Sozialpsychologen Kleingruppenexperimente durch, um zu erforschen, ob und wie individuelles Verhalten Ungleichheit durch Interaktion reproduziert. Diese Experimente sind jedoch auf kleine Gruppen und kurze Zeiträume beschränkt.

Das Ziel dieses Projekts ist es diese beiden Ansätze durch kontrollierte online Experimente zusammenzuführen. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, die strukturellen Bedingungen, unter denen soziale Interaktion zu Ungleichheit führt, auf Kausalitäten zu überprüfen. Um die Begrenzungen traditioneller, laborgebundener Verhaltensstudien zu verlassen, wenden wir uns Experimenten mit Internetnutzern bzw. Nutzern mobiler Endgeräte zu und werden „künstliche Gesellschaften“ konstruieren, die jeweils für Tage oder Wochen bestehen. Diese „Welten“, die Dutzende von Teilnehmern umfassen, werden groß genug sein, um Mechanismen der Ungleichheit auf Makroebene zu testen, und klein genug, um wiederholte Tests mit veränderten Bedingungen durchzuführen.

Wir werden uns auf drei Gruppen von mutmaßlich zu Ungleichheit führenden Strukturbedingungen konzentrieren:

  • Sichtbarkeit von Reichtum, Ansehen, Beliebtheit sowie Veränderlichkeit von Beziehungen
  • Gruppenunterschiede und Mehrheits-/ Minderheitsunterschiede
  • Anreize für relativen (statt absoluten) Erfolg und Bedeutung von Zufall

Die künstlichen Gesellschaften, die wir konstruieren, erlauben uns die experimentelle Manipulation der Sichtbarkeit gegebener oder erworbener Merkmale, der Veränderbarkeit von Beziehungen, der Identität von Untergruppen, der Arten ökonomischer Interaktion, der anfänglichen Bedingungen und der Zielanreize. Mit der Variation diese Bedingungen ermöglichen unsere Experimente Effekte von Homophilie, Diskriminierung, Gruppen-Bias, Konkurrenz, Risikoverhalten, die, so die Erwartung, in unterschiedlichen Ausprägungen Ungleichheit auf Gruppenebene zur Folge haben. Mit sechs Sets von kontrollierten Experimenten mit zahlreichen und großen interagierenden Gruppen werden sowohl Effekte auf individueller Ebene wie auch in vergleichender Perspektive getestet. Obwohl wir auf größere und wirklichkeitsnähere Experimente als die vorgängige Forschung zielen, können wir uns auf bereits eingeführte und hochentwickelte Methoden zur Durchführung von Web-Experimenten stützen.

Mit diesem Forschungsprojekt hoffen wir, einen sowohl inhaltlich wie methodologisch innovativen Beitrag leisten zu können. Zunächst zielen wir darauf, das Wissen über die Ursachen soziökonomischer Ungleichheit zu erweitern: durch Versuchsanordnungen und Messungen auf Makroebene, wo individuelle Vorlieben und Handlungen unbeabsichtigte Folgen haben und Gruppenergebnisse auf Verhalten zurückwirken können. Das übergeordnete Ziel ist, mögliche Maßnahmen zu identifizieren, mit denen die Entstehung von Ungleichheit reduziert oder eingedämmt werden kann, und neue Wege für zukünftige Forschung, für politische Konzepte und Managemententscheidungen zu finden.

Darüber hinaus werden wir neue Techniken zur Erforschung von sozialen Phänomenen mit Hilfe von webbasierten, Software-kontrollierten Experimenten, die sich über Tage oder Wochen erstrecken, entwickeln. Wir werden unsere Open-source-Software der Community zur Verfügung stellen, damit andere Forscher an unsere Arbeit anschließen und soziale Interaktionen in künstlich konstruierten Gesellschaften erforschen können.





Projektlaufzeit

01.02.2017 - 28.02.2022

Förderung



Volkswagenstiftung