Gleichgeschlechtliche Partnerwahl in Deutschland
Projektbeschreibung
Das von der DFG von 2015 bis 2019 geförderte und seither weitergeführte Projekt befasst sich mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in Deutschland. In den vergangenen Jahren haben ihre soziale Sichtbarkeit sowie ihre gesellschaftliche und rechtliche Anerkennung erheblich zugenommen, und selbst in den Daten der amtlichen Statistik sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften mittlerweile erfasst. Dennoch werden sie von der sozialwissenschaftlichen Forschung bislang nur selten in den Blick genommen. Erste Studien zur Verbreitung und Sozialstruktur gleichgeschlechtlicher Partnerschaften liegen hauptsächlich für die USA vor, während es für Deutschland bereits an empirischen Basisinformationen mangelt.Mit dem Projekt wird ein Beitrag zur Erschließung eines neuen Forschungsfeldes geleistet. Erstmals für Deutschland wird die Verbreitung und Entwicklung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften sowohl im Zeitverlauf als auch in der Kohortenfolge beschrieben. Daneben wird die Entstehung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften beleuchtet. Hier geht es um die Frage, welche individuellen und gesellschaftlichen Bedingungen zur Verbreitung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften beitragen. Nicht zuletzt wird die Partnerwahl in gleichgeschlechtlichen Beziehungen untersucht. Für die empirischen Auswertungen werden Daten verschiedener Erhebungen des Mikrozensus herangezogen und nutzbar gemacht. Obwohl sich der Mikrozensus nur bedingt zur Beantwortung der genannten Fragen eignet, stellt er die einzige repräsentative Datenquelle in Deutschland dar, in der gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in ausreichender Zahl enthalten sind.
Projektergebnisse
Das Projekt beschäftigt sich mit der Verbreitung und Sozialstruktur gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in Deutschland und deren Wandel seit Beginn der 1970er Jahre. Als Datengrundlage dient der Mikrozensus, in dem gleichgeschlechtliche Partnerschaften zwar erst seit 1996 erfasst sind, für die Jahre zuvor aber geschätzt werden können. Wie die methodischen Analysen zeigen, kommt es bei der Erfassung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften im Mikrozensus zu einer Unterschätzung. Da es sich um ein sensibles Thema handelt, wollen nicht alle Befragten angeben, dass sie mit einem gleichgeschlechtlichen Partner zusammenleben, und machen daher keine oder falsche Angaben. Bei der Schätzung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften kommt es dagegen zu einer Überschätzung. Für die weiter zurückliegenden Jahre erlaubt es die Schätzung aber, wenigstens eine obere Grenze der Verbreitung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zu bestimmen. Bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften handelt es sich um eine seltene Form des partnerschaftlichen Zusammenlebens. Nicht mehr als 1% aller Partnerschaften mit gemeinsamem Haushalt sind gleichgeschlechtlich. Angesichts einer Verbreitung von Homosexualität, die auf mehrere Prozent der erwachsenen Bevölkerung geschätzt wird, mag dies überraschen. Eine plausible Erklärung dafür ist, dass homosexuell orientierte Personen seltener in Partnerschaft leben als heterosexuell orientierte Personen, und dass gleichgeschlechtliche Paare seltener im gemeinsamen Haushalt leben als verschiedengeschlechtliche Paare, wie zusätzliche Auswertungen von sozialwissenschaftlichen Umfragedaten zeigen. Im Zeitverlauf kommt es zu einer kontinuierlichen Zunahme gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, die unter Männern etwas stärker ausfällt als unter Frauen. Wie die differenzierte Betrachtung zeigt, handelt es sich dabei um eine Zunahme über die Kohorten. Die jüngeren Kohorten sind über den gesamten Lebensverlauf hinweg häufiger in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft gebunden als die jeweils älteren Kohorten. In dieser Zunahme spiegelt sich eine Veränderung im Verhalten wider, und nicht nur eine Veränderung der Bereitschaft, eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft im Mikrozensus anzugeben. Die Muster der gleichgeschlechtlichen Partnerwahl sind ebenfalls Gegenstand der Betrachtung. Ebenso wie in verschieden- gibt es auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften eine Tendenz zur Ähnlichkeit der Partner hinsichtlich der Merkmale Alter und Bildung. Diese Ähnlichkeit ist aber – insbesondere in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften von Männern – geringer ausgeprägt als in verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften. Im Zeitverlauf ändert sich daran nur wenig.
Publikationen
Bohr, Jeanette; Lengerer, Andrea (2024): Partnership Dynamics of LGB People and Heterosexuals. Patterns of First Partnership Formation and First Cohabitation. In: European Journal of Population, 40, xx-xx. https://doi.org/10.1007/s10680-024-09697-4
Lengerer, Andrea; Schroedter, Julia H. (2022): Patterns and Trends of Same-Sex Partner Choice in Germany. In: Journal of Comparative Family Studies, 53, S. 161-188. https://doi.org/10.3138/jcfs.53.2.020
Lengerer, Andrea (2022): Assessing the Quality of Same-Sex Partnership Reports in the German Microcensus. GESIS Papers 2022/01. https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/77343
Lengerer, Andrea; Bohr, Jeanette (2019): Gleichgeschlechtliche Partnerschaften in Deutschland. Verbreitung, Entwicklung und soziale Unterschiede. In: Informations¬dienst Soziale Indikatoren, 62, S. 7-12. https://doi.org/10.15464/isi.62.2019.7-12
Lengerer, Andrea; Bohr, Jeanette (2019): Gibt es eine Zunahme gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in Deutschland? Theoretische Überlegungen und empirische Befunde. In: Zeitschrift für Soziologie, 48, S. 136-157. http://dx.doi.org/10.1515/zfsoz-2019-0010
Lengerer, Andrea (2019): Mikrozensus Tools: Identifikation verschieden- und gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in den Scientific Use Files 1973 bis 2014. GESIS Papers 2019/09. https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/63307