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HSR Trans 17: Statistik der DDR

Gerhard Heske: Meinungsäußerungen, Standpunkten und Einschätzungen zur Statistik und statistischen Ergebnissen aus der DDR. HSR Trans 17 (2005).

Bei der Zusammenstellung handelt es sich in der Regel um Auszüge aus größeren Arbeiten zu den angeführten Themen. Spezielle, die Statistik der DDR betreffende Aussagen, wurden herausgezogen und zusammengestellt. Die Auszüge wurden alphabetisch nach Autoren angeordnet. Der Quellennachweis wurde am Schluss der Zusammenstellung angefügt.

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„Mit dem Ziel der Planerfüllung gingen zwar gelegentlich geringfügige Veränderungen der statistischen Ist-Ergebnisse einher (z.B. Verschiebung der Fertigstellung von Erzeugnissen in andere Berichtszeiträume im Bereich der Industrie, vorübergehende Buchung von hochtragenden Färsen als Milchvieh im Bereich der Landwirtschaft), doch wurden in den befragten Unternehmen zum Nachweis der Planerfüllung i.d.R. die Planvorgaben der tatsächlichen Entwicklung angepaßt. Das Ist-Ergebnis wurde streng kontrolliert und war weitestgehend richtig. Durch die o.g. Verschiebung von Produktionsergebnissen in andere Monate kann es Störungen beim Monatsvergleich zum Vorjahr (und in der Saisonfigur) geben, weniger beim Vergleich von Jahres- und Halbjahresergebnissen.

Die wirtschaftliche Tätigkeit im Gebiet der neuen Bundesländer beruhte in der Vergangenheit fast ausschließlich auf Plänen (Fünfjahres-, Jahres-, Quartals- und Monatsplan sowie Dekadenplan). Zur Realisierung der Pläne und zur Regelung von Detailfragen waren die Kombinate und Betriebe (= Unternehmen) verpflichtet, Wirtschaftsverträge abzuschließen, und zwar sowohl für den Bezug der Vorleistungen als auch für die abzusetzende Produktion.

Da der Plan Gesetzescharakter hatte, durften Planänderungen nur von den jeweils für die einzelnen Planvorgaben zuständigen Ebenen vorgenommen werden (Ministerrat, Staatliche Plankommission, die Ministerien, die Kombinate).

In Fällen, in denen es nicht gelang, die Planziele zu erreichen, wurden die Pläne der tatsächlichen Entwicklung angeglichen. Diese Änderungen mußten jedoch eingehend begründet werden. Überzeugende Gründe für die Nichteinhaltung der Planvorgaben waren das Fehlen von Inputgütern, die nur gegen Devisen beschafft werden konnten, fehlende Arbeitskräfte, fehlende Materialzulieferungen und verspätete Inbetriebnahme neuer Produktionseinrichtungen (siehe folgende Tabelle 1).

      Tabelle 1: Gegenüberstellung von Plan- und Ist-Daten für die Industrielle Warenproduktion zu
 Industrieabgabepreisen im Bereich der Industrieministerien der ehemaligen DDR *)

Mill. Mark

 

Zeitpunkt der Planung

Jahresplan

Plan-Daten(kumuliert)

Ist-Daten (kumuliert)

für den Berichtszeitraum

 

Anfang 1988 für 31.12.1988

474 514,8

-

-

Ende 1988 für 31.12.1988

465 497,2

465 497,2

467 732,3

31.3.1989 für 31.12.1989

465 697,2

116 714,2

117 491,0

30.6.1989 für 31.12.1989

464 688,2

231 199,3

232 799,7

30.9.1989 für 31.12.1989

464 102,5

346 549,8

348 584,6

Ende 1989 für 31.12.1989

462 367,5

462 367,5

459 841,4

 

Die Meldeweise der Unternehmen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR war entsprechend den vorgegebenen Definitionen weitestgehend korrekt; die Produktionsstatistik bildet deshalb die tatsächliche Entwicklung richtig ab.

In einem Erlaß des Ministerrates der ehemaligen DDR zur „Handelsberichterstattung 1986 bis 1990“ ist beschrieben, welche Auskunftspflichtigen einer Berichtspflicht zur Einzelhandelsumsatzberichterstattung unterliegen. ...

Aus der unter 2.2.1.1 zitierten Verordnung des Ministerrates der ehemaligen DDR läßt sich folgender Hinweis entnehmen:

„Als Einzelhandelsumsatz-Plan ist die bestätigte Jahresplanauflage einzutragen. Sollten sich im Berichtsjahr bestätigte Planveränderungen ergeben, sind diese in der nächsten Meldung zu berücksichtigen“.

Aus diesen Ausführungen und aus mehreren Gesprächen mit Sachverständigen aus dem GeStAL, den neuen Statistischen Landesämtern und den Verantwortlichen der besuchten Betriebe kann folgende Feststellung abgeleitet werden: Es gab zwar einerseits einen Plan für den Einzelhandelsumsatz mit einer Jahresplanauflage, aber andererseits war nur das in den berichtspflichtigen Einheiten erzielte tatsächliche Umsatzergebnis ausschlaggebend.

Nicht die Plansollvorgabe führte zu den berichteten Ergebnissen, sondern das tatsächlich erzielte Betriebsergebnis. Letzteres führte dann auch dazu, daß Planfortschreibungen, Planpräzisierungen oder Planmodifizierungen zu einer Planänderung führten. Bei einem vom Plansoll divergierenden Ergebnis wurde keine Anpassung des Ergebnisses an die Planvorgabe vorgenommen.

Das Ergebnis dieser Vor-Ort-Besichtigung ist: Die Qualität der in den einzelnen berichtenden Einheiten vorgenommenen Aufzeichnungen hinsichtlich des Einzelhandelsumsatzes ist in beiden Betrachtungsperioden weitgehend gleich. Wesentlichstes Element dieser Aufzeichnungen war und ist auch bis heute eine tägliche Registrierung der baren und unbaren Umsätze. Überprüft wurden diese Werte durch die entsprechenden Kontoauszüge von Post und/oder Bank, da eine tägliche Einzahlungspflicht der getätigten Umsätze besteht. Es ergibt sich also hieraus, daß die Vergleichbarkeit der jeweiligen Ergebnisse von der Qualität der Aufzeichnungen nicht beeinflußt ist.

Nach bisheriger Erkenntnis hat die enge Verflechtung von statistischen Meldungen mit der Abrechnung des Planes und dem Rechnungswesen weder in den Betrieben noch auf Kreis- und Bezirksebene zur Beeinträchtigung der Ergebnisgenauigkeit der Erzeugungsstatistiken geführt.

Bei größeren Abweichungen der Ist-Ergebnisse von den Planvorgaben sind die Planzahlen den tatsächlichen statistischen Erhebungsergebnissen angepaßt worden.

Aus statistischen Einzelangaben wurden bestimmte Vergütungen und Prämien der Betriebe abgeleitet (z.B. Höhe der Aufzuchtergebnisse, Tierverluste, Verbesserung der Futterverwertung, Höhe des Bruttoumsatzes der pflanzlichen und tierischen Produktion). Es lag zwar im Interesse der Betriebe, möglichst „gut“ dazustehen“ bzw. nicht negativ aufzufallen; da aber sowohl den Auskunftspflichtigen als auch den Konkurrenzbetrieben die statistischen Daten bekannt waren, ist aus diesen Gründen von weitgehend korrekten Angaben auszugehen.

Wie mehrere Betriebsleitungen berichteten, konnten Planauflagen auch wie folgt erfüllt werden:

  • Aus betriebswirtschaftlicher Sicht erschwerende Vorgaben über den zu einem bestimmten Erhebungsstichtag vorgeschriebenen Bestand an (Milch)Kühen konnten umgangen werden, indem andere Nutzungskategorien an Rindern der Erhebungsposition Milchkühe zugerechnet wurden. Um höhere durchschnittliche Milchleistungen nachzuweisen (Wettbewerb der Betriebe), wurden mehr Kühe, als in der Viehzählung angegeben, gehalten.

  • Im Bereich der pflanzlichen Erzeugung war das den einzelnen Betrieben vorgegebene Planziel (Anbaufläche, Erntemenge) auch durch Kompensation (z.B. Austausch von Gemüse- gegen Getreidelieferungen) zwischen mehreren Betrieben zu erfüllen, was in der Regel bereits zu einem Ausgleich von Soll- und Ist-Erzeugung auf Kreisebene führte.

  • Die Differenzierung zwischen Anbau- und Ernteflächen gab den Gütern und Genossenschaften im Rahmen der o.a. Wettbewerbe die Möglichkeit, in Einzelfällen leicht überhöhte durchschnittliche Hektarerträge für besonders ausgewählte Flächen nachzuweisen, indem die Ernteflächen systematisch kleiner als in Wirklichkeit angegeben wurden.

Die beispielhaft genannten „Manipulationen“ – es handelt sich hierbei offensichtlich um Einzelfälle - hatten nach Auskunft der befragten Betriebe nur geringe Auswirkungen auf die Güte bzw. Höhe des Gesamtergebnisses.“

 

Arnold, K.-H.       [2]

„Sie waren (die zunehmenden ökonomischen Probleme) ohnehin nur ungenau zu erkennen, da der Klartext fehlte. In diesem Punkt ähnelten die zugänglichen volkswirtschaftlichen Daten (der DDR) den veröffentlichten Konzernbilanzen von heute“.

 

Barsch [3]

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Validität der statistischen Ergebnisse

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