NVDA

NVDA ist ein kostenloser Open-Source-Screenreader. NVDA verbindet sich mit speziellen Software-Schnittstellen von Betriebssystemen und Anwendungen, um deren Inhalte auf geeignete Weise barrierefrei zu präsentieren (beispielsweise akustisch oder über eine Braillezeile) und mit ihnen zu interagieren (um zum Beispiel zwecks Navigation und Bedienung per Tastatur oder Joystick).

Daher eignet sich NVDA auch für die barrierefreie Erfassung und Bedienung von Webseiten über einen Webbrowser.

Zur Überprüfung der Barrierefreiheit einer Webseite sollten alle Prüfschritte auch manuell mit einem Screenreader durchgeführt werden – ein großer Anteil an Menschen benutzt Screenreader, um Webseiten zu betrachten und zu bedienen. Daher bietet sich NVDA als ein Werkzeug für Barrieretests an.

Da die Bedienung von NVDA wie bei allen Screenreadern gewöhnungsbedürftig ist, erklärt diese Seite die wichtigsten grundlegenden NVDA-Konzepte und -Bedienungsweisen. Mit dieser Grundlage kann dann NVDA genutzt werden, um Webseiten auf ihre Barrierefreiheit zu testen.

Installation und Einrichtung

NVDA-Installer von https://www.nvaccess.org/download/ herunterladen und installieren.

Visuelle Hervorhebung aktivieren

NVDAs Hauptmerkmal ist der Lesemodus. Einerseits bietet der Lesemodus die (u. a. akustische) Ausgabe von Seiteninhalten, angereichert mit Metainformationen. Andererseits ändert der Lesemodus das übliche Verhalten von Tastaturtasten: Sie dienen nun der Navigation innerhalb der aktuellen Webseite. Beispielsweise wird durch Drücken der Unten-Pfeiltasten die nächste "Seitenzeile" angesprungen und vorgelesen, anstatt wie üblich das Browserfenster vertikal zu scrollen.

Im Lesemodus kann der Seiteninhalt über Objektnavigation erschlossen werden, und spezielle Tastatureingaben erlauben das Anspringen von Objekten speziellen Typs. Beispiele für Objekttypen sind Überschriften, Navigationselemente und Eingabeformulare. Bei der Überprüfung von Barrierefreiheit hilft die visuelle Hervorhebung des aktuell ausgewählten Objektes. Diese Funktion wird auf folgende Weise aktiviert: 

  1. Während NVDA läuft: in der Windows-Taskleiste Rechtsklick auf NVDA-Logo → OptionenEinstellungen... auswählen.
  2. Das Fenster NVDA-Einstellungen erscheint. Kategorie Visuelle Darstellung auswählen → Haken setzen bei Hervorhebung aktivieren. Alle seine Optionen aktivieren → OK klicken.

NVDA zeichnet dann folgende Umrandungen: 

  • Blaue Umrandung: System-Fokus
    • volle blaue Umrandung: Eingaben beziehen sich auf dieses Element
    • gestrichelte blaue Umrandung: dieses Element hat System-Fokus, Eingaben während Lesemodus beziehen sich jedoch auf das Element in der vollen roten Umrandung. Bei Wechsel in den Fokusmodus ändert sich die Darstsellung wieder in eine volle blaue Umrandung und Eingaben beziehen sich auf dieses fokussierte Element. 
  • Rote Umrandung: Navigator-Objekt im Lesemodus
    • volle rote Umrandung: aktuelles Objekt. Eingaben beziehen sich auf dieses Objekt
  • Gelbe Umrandung: Virtueller Cursor im Lesemodus

NVDA-Sprachbetrachter aktivieren

Der NVDA-Sprachbetrachter protokolliert alle Screenreader-(Sprach-)Ausgaben. Dadurch kann zusätzlich oder alternativ zur akustischen Ausgabe die Screenreader-Ausgabe kontrolliert werden.

  1. Während NVDA läuft: in der Windows-Taskleiste Rechtsklick auf NVDA-Logo → Werkzeuge Sprachausgaben-Betrachter auswählen.
  2. Das Fenster NVDA-Sprachbetrachter erscheint. In diesem Fenster werden alle NVDA-Sprachausgaben protokolliert.
  3. Beim Testen auf Barrierefreiheit empfiehlt es sich, dieses Fenster direkt ab NVDA-Start anzuzeigen. Dazu im Fenster NVDA-Sprachbetrachter den Haken setzen bei Sprachbetrachter beim Starten anzeigen.

Screenreader-Ausgabe bei Mausbewegungen deaktivieren

Standardmäßig gibt NVDA auch Informationen zu Elementen aus, die bei Mauszeigerbewegungen unterhalb des Mauszeigers liegen. Für die Überprüfung von Webseiten auf Barrierefreiheit führt das schnell zur Informationsüberflutung, zumal das primäre Ziel der Überprüfung auf reiner Tastaturbedienung aufbaut. Daher empfiehlt sich die Deaktivierung von NVDA-Ausgaben bei Mauszeigerbewegungen (Mausklicks lösen weiterhin relevante Ausgaben aus):

  1. Während NVDA läuft: in der Windows-Taskleiste Rechtsklick auf NVDA-Logo -> Optionen -> Einstellungen... auswählen.
  2. Das Fenster NVDA-Einstellungen erscheint. Kategorie Maus auswählen -> Alle Haken entfernen, insbesondere Änderungen der Mauszeigerform ansagen deaktivieren und Mausverfolgung einschalten deaktivieren.

NVDA-Bedienung

NVDA-Modifier-Key

Einige NVDA-Befehle werden als Tastenkombinationen bei gleichzeitigem Drücken des NVDA-Modifier-Keys mit weiteren Tastaturtasten ausgelöst. Standardmäßig dient die Einfügen-Taste (Einfg, Insert, Ins) als NVDA-Modifier-Key. Bei den folgenden Tastaturbefehlen bedeutet NVDA das Gedrückthalten des NVDA-Modifier-Keys. Beispiel NVDA+s (Sprachmodus wechseln): Einfügen-Taste gedrückt halten und s-Taste drücken. Wiederholtes Drücken dieser Tastaturkombination wechselt zwischen den drei akustischen Ausgabemodi Stumm, Nur Signaltöne und Sprechen.

NVDA-Modi

Screenreader nutzen die Computertastatur zur erweiterten Bedienung und Navigation. Speziell NVDA kennt zwei Modi, Fokusmodus (Focus Mode) und Lesemodus (Browse Mode):

  • Fokusmodus: Im Fokusmodus verhalten sich die Tastaturtasten "gewöhnlich", wie ohne Screenreader. Beispielsweise scrollt das Browserfenster bei Drücken der Pfeiltasten; beim Drücken von Zeichentasten (Zahlen, Buchstaben, etc.) passiert außerhalb von Eingabefeldern normalerweise nichts, während innerhalb von Eingabefeldern das entsprechende Zeichen eingetippt wird. NVDA signalisiert den Wechsel in den Fokusmodus akustisch mit dem Geräusch "Tastaturanschlag und hoher Pieps".
  • Lesemodus: Im Lesemodus dienen die Tastaturtasten zum Anspringen von vorzulesenden Elementen. Beispielsweise werden beim Drücken der Pfeiltasten oben/unten wird die vorherige/nächste "Zeile" angesprungen und vorgelesen. Drücken der Pfeiltasten links/rechts lesen das vorherige/nächste "Zeichen" (Buchstaben) vor. Das Drücken von Zeichentasten löst NVDA-/Screenreader-spezifische Navigation aus. Beispielsweise wird durch Drücken der h-Taste die nächste Überschrift (heading) angesprungen; die Tastenkombination Umschalt+h (Shift+h) löst einen Sprung zur vorherigen Überschrift aus. NVDA signalisiert den Wechsel in den Lesemodus akustisch mit dem Geräusch "tieferer Pieps".

NVDA schaltet während der Seitenbedienung automatisch zwischen Fokusmodus und Lesemodus um: Beispielsweise aktiviert sich beim Reintabben in ein Formulareingabefeld der Fokusmodus. Beim Verlassen von Eingabefeldern, z.B. durch Weitertabben auf einen Seitenlink wird der Lesemodus aktiviert. Durch Eingabe der Tastenkombination NVDA+Leertaste (NVDA+Space) kann auch jederzeit manuell zwischen Fokusmodus und Lesemodus gewechselt werden.

Tastenbefehle (bei Standardbelegung)

  • NVDA ≙ (bei Standardbelegung) Einfügen-Taste (Einfg, Insert, Ins)
  • Strg ≙ Steuerungstaste
  • Umschalt ≙ Umschalttaste (Shift-Taste)
  • Alt ≙ Alt-Taste
  • Leertaste ≙ Space-Taste
  • Tab ≙ Tabulatortaste
  • ← ≙ Pfeiltaste (nach) links
  • ↑ ≙ Pfeiltaste (nach) oben / aufwärts / hoch
  • → ≙ Pfeiltaste (nach) rechts
  • ↓ ≙ Pfeiltaste (nach) unten / abwärts / runter
NVDA-Tastatureingaben (Fokusmodus und Lesemodus)
Tastatureingabe Funktion
Strg aktuelle Sprachausgabe stoppen
NVDA+Leertaste zwischen Fokusmodus und Lesemodus wechseln
NVDA+1 Modus "Tastenkombination erklären" einschalten und ausschalten. Wenn dieser Modus eingeschaltet ist, wird die entsprechende Eingabe nicht von NVDA ausgeführt, sondern NVDA erklärt die Eingabe. Das Einschalten von "Tastenkombination erklären" ist (eigentlich nur) sinnvoll, während NVDA im Lesemodus ist. Dann erklärt NVDA beispielsweise beim Drücken der Taste h: "h - springt zur nächsten Überschrift".
Während der Modus "Tastenkombination erklären" eingeschaltet ist, werden Eingaben nur erklärt, nicht ausgeführt. Im Fokusmodus werden dann sogar keine Zeicheneingaben an das Programm weitergegeben. Daher nicht vergessen, den Modus "Tastenkombination erklären" durch wiederholte Eingabe von NVDA+1 wieder zu deaktivieren.
Tab zum nächsten fokussierbaren Objekt navigieren und dieses vorlesen 
Umschalt+Tab zum vorherigen fokussierbaren Objekt navigieren und dieses vorlesen
NVDA+F7

Elementliste der aktuellen Seite öffnen.
Die Elementliste bietet Auflistungen des Seiteninhaltes, gruppiert nach Typen: Links, Überschriften, Formularfelder, Schalter (<button>) und Sprungmarken (HTML-Landmarks). Falls ein Seitenelement ein aria-label besitzt, wird dieses Label (zusätzlich) angezeigt.
Standard-HTML-Landmarks sind in derzeitigen NVDA-Versionen (2022) debatierbar recht unglücklich übersetzt/lokalisiert:

  • <header> ≙ "Banner" (role="banner")
  • <main> ≙ "Haupt" (role="main")
  • <footer> ≙ "Inhaltsangabe" (role="contentinfo")
  • <aside> ≙ "Ergänzung" (role="complementary")
  • <nav> ≙ "Navigation" (role="navigation")

Nützlich bei der Überprüfung des BITV-Prüfschrittes zu Überschriften (9.1.3.1a)

NVDA-Tastatureingaben (nur Lesemodus)
Tastatureingabe Funktion
zur nächsten "Zeile" navigieren und diese vorlesen. Eine Zeile entspricht (standardmäßig) bis zu 100 Zeichen innerhalb eines "Objektes". Falls die aktuelle Zeile die letzte (bzw. ggf. einzige) Zeile des aktuellen Objektes ist, wird das nächste Objekt und darin die erste (bzw. ggf. einzige) Zeile ausgewählt.
Ein Objekt entspricht einem in sich geschlossenen Element, beispielsweise auf Webseiten Textinhalte von mit Paragraf (<p>, individuell getrennt durch <br />, aber nicht Links / <a> innerhalb des Textinhaltes), eine Überschrift (<h1>, <h2>, ... <h6>), eine Tabellenzelle, Listeineinträge (<li>) von ungeordneten und geordneten Listen, Eingabefelder, Labels, etc..
Objekte, die explizit als unfokussierbar ausgezeichnet sind (bspw. durch tabindex="-1"), werden nicht annavigiert bzw. werden übersprungen.
zur vorherigen "Zeile" navigieren und diese vorlesen.
zum nächsten "Zeichen" navigieren und dieses vorlesen (buchstabieren). Insbesondere bei akustisch falsch vorgelesenen Wörtern hilft die Buchstabierung beim Verständnis  
zum vorherigen "Zeichen" navigieren und dieses vorlesen (buchstabieren).
Strg+↓

zum nächsten "Objekt" navigieren und dieses vollständig vorlesen (also keine Beachtung von 100-Zeichen-Untersprüngen).

Auch nützlich zur Überprüfung des BITV-Prüfschritts zur inhaltlichen Gliederung (9.1.3.1d

Strg+→ zum nächsten "Wort" navigieren und dieses vorlesen.
Umschalt+Strg+↓ Auswählen/Markieren/Erweitern der aktuellen Textauswahl von/mit allem Text von aktueller Screenreader-Cursor-Position bis zum nächsten Objekt (kann dann in die Zwischenablage mit herkömmlichen Strg+c kopiert werden). 
Strg+Alt+→ innerhalb einer Tabellenzelle: wenn eine rechts angrenzende Zelle existiert, dann zu dieser Zelle navigieren und diese vorlesen. Solche Tabellennavigation-Tastenkombinationen dienen also der räumlichen Navigation innerhalb einer Tabelle. Außerdem navigieren sie nicht aus der Tabelle raus.
Strg+Alt+↓ innerhalb einer Tabellenzelle: wenn eine unten angrenzende Zelle existiert, dann zu dieser Zelle navigieren und diese vorlesen.
NVDA+↓ Automatikmodus: Ab aktuellem Objekt allen Seiteninhalt vorlesen, und auch beim Vorlesen automatisch Objektnavigator auf das aktuelle Objekt weiterbewegen 
NVDA+↑ Aktuelles Objekt (erneut) vorlesen und Objektnavigator darauf belassen (also keine Navigation auslösen)
NVDA+↑↑ Aktuelles Objekt buchstabiert vorlesen (bei gedrückter NVDA-Taste die Nach-Oben-Pfeiltaste schnell zweimal drücken)
NVDA+↑↑↑ Aktuelles Objekt per Buchstabiertafel (Beispiel: hallo = "Heinrich Anton Ludwig Ludwig Otto") buchstabiert vorlesen (bei gedrückter NVDA-Taste die Nach-Oben-Pfeiltaste schnell dreimal drücken)
h

zur nächsten Überschrift (heading) navigieren und diese vorlesen.

Nützlich bei der Überprüfung des BITV-Prüfschrittes zu Überschriften (9.1.3.1a)

Umschalt+h zur vorherigen Überschrift navigieren und diese vorlesen
1, 2, 3, 4, 5, 6

zur nächsten Überschrift der Ebene 1, 2, 3, 4, 5, 6 navigieren und diese vorlesen

Nützlich bei der Überprüfung des BITV-Prüfschrittes zu Überschriften (9.1.3.1a)

d

zur nächsten Sprungmarke/Landmark navigieren und diese vorlesen

t

zur nächsten Tabelle (<table>) navigieren und diese vorlesen. Genauer: Wenn die Tabelle ein Tabellenüberschrift-Element (<caption>) beinhaltet, dieses auswählen, ansonsten das erste Tabelleninhaltselement (<th> oder <td>) auswählen.

Nützlich bei der Überprüfung der BITV-Prüfschritte zu Tabellen (9.1.3.1e, 9.1.3.1f, 9.1.3.1g)

l zum ersten Listeneintrag (<li>) der nächsten Liste (<ul>, <ol>) navigieren und diesen vorlesen
i zum nächsten Listeneintrag (<li>) navigieren und diesen vorlesen
g zur nächsten Bild (<img>) mit nichtleerer Beschreibung navigieren und dessen Beschreibung vorlesen.
Bilder mit leerer Beschreibung werden übersprungen. Ein Bild hat eine leere Beschreibung, wenn sein alt-Attribut explizit leer ist (alt="" oder alt). Leere Beschreibungen werden für Bilder verwendet, die rein dekorative Funktion erfüllen, also keine Bedeutung für den Seiteninhalt haben.
k zum nächsten Link (<a>) navigieren und diesen vorlesen. Anders als Tab werden also nur Link angesprungen und andere fokussierbare Elemente (Eingabefelder, Buttons, etc.) übersprungen. 
f zum nächsten Eingabefeld navigieren und dieses vorlesen. Nützlich für das strukturierte Ausfüllen von Formularen
q

zum nächsten Zitatblock navigieren und diesen vorlesen.

Nützlich bei der Überprüfung des BITV-Prüfschrittes zu Zitaten (9.1.3.1c)

Umschalt+<Taste> Zum vorherigen <Tastenobjekttyp> navigieren und diesen vorlesen

Seite auf Barrierefreiheit überprüfen

Die Initiative BIK (barrierefrei informieren und kommunizieren) setzt sich für Barrierefreiheit im Internet ein. Der von ihr entwickelte und gepflegte BIK-BITV-Test ist das in Deutschland etablierte Testverfahren, um Webseiten auf Barrierefreiheit entsprechend der deutschen Verordnung BITV 2.0 zu überprüfen.

Öffentliche Einrichtungen sind dazu verpflichtet, ihre Webseiten barrierefrei zu gestalten; ebenso verlangen öffentliche Mittelgeber von ihren geförderten Mittelempfängern eine barrierefreie Umsetzung ihrer Webauftritte und -angebote. Die Umsetzung der Anforderungen auf Barierefreiheit wird durch den BIK-BITV-Test geprüft. Ein offizielles Ergebnis kann nur durch zugelassene Sachverständige ermittelt werden.

Ein Verzeichnis informiert über die aktuellen 92 Prüfschritte. Mit Hilfe der BITV-Selbstbewertung können die Prüfschritte des offiziellen Tests auch eigenhändig und informell abgearbeitet werden, um den Stand der Barrierefreiheit eines Webauftritts zu evaluieren und Schwachstellen zu identifizieren; diese Selbstbewertung ersetzt jedoch nicht die Prüfung durch eine unabhängige Sachverständige.   

Von Beispielen lernen

BIK listet eine Auswahl an Webseiten, die auf BITV-Konformität überprüft wurden, und stellt deren Prüfberichte zur Verfügung: Einerseits gibt es eine Positivliste barrierefreier Webseiten, die BITV-konform sind. Andererseits liefert die Liste aller Tests auch solche Webseiten und Prüfergebnisse, die nicht konform sind. Damit eine Webseite als BITV-konform gilt, müssen alle anwendbaren Prüfschritte mit "eher erfüllt" oder besser bewertet sein.

Anbieter geprüfter Webseiten können sich freiwillig für die Aufnahme ihrer Testergebnisses in diese Listen entscheiden; die Prüfberichte nicht konformer Webseiten belegen, dass Sachverständige präzise und kritisch prüfen und dass auch unbedarfte "Kleinigkeiten" und "Fehlerchen" zur Bewertung eines einzelnen Prüfschrittes mit "teilweise erfüllt" oder schlechter führen – was sofort zum Gesamtergebnis nicht konform leitet.

BITV-Selbstbewertung durchführen

Mit Hilfe der BITV-Selbstbewertung können alle Prüfschritte des BIK-BITV-Tests selbstständig abgearbeitet werden. Jeder Prüfschritt wird mit Positiv-Negativ-Beispielen, Motivationen und Begründungen erklärt.

HTML-Seitenquelltext validieren

Der ursprüngliche Seitenquelltext (Ausgangsform) kann über den W3C Markup Validation Service validiert werden. Dieser Dienst identifiziert neben grundsätzlichen HTML-Syntaxfehlern auch solche mit Bezug auf Barrierefreiheit.
Der Seitenquelltext kann dem Markup Validation Service über URL-Angabe ("Validate by URI") oder Quelltext-Copy-Paste ("Validate by Direct Input") übergeben werden. Die URL-Angabe ist für die Überprüfung von extern (anonym/publik) erreichbaren Webseiten geeignet; mithilfe des Quelltext-Copy-Paste-Verfahrens können zusätzlich Webseiten getestet werden, die nicht extern erreichbar sind – beispielsweise Intranet-Webseiten und Webseiten, die von Staging-Servern und Entwickler-Computern ausgeliefert werden.

Bei vielen Webseiten verändert sich der Seitenaufbau während des Seitenbesuchs. Solche dynamischen Änderungen des DOM können durch unterschiedliche Weise entsehen: Interaktive Elemente (beispielsweise einem Karussell), das dynamische Nachladen von Inhalten (beispielsweise für Infinte Scroll) und Single-Page-Webanwendungen (React, Angular, Vue.js) sind Beispiele für Auslöser dynamischer Seitenänderungen.
Diese Änderungen haben ebenfalls darauf Einfluss, wie assistive Technologien den aktuellen Webseitenzustand interpretieren und somit an Benutzer weitergeben. Daher sollten zusätzlich zur Seitenquelltext-Validierung der Ausgangsform auch Validierungen des aktuellen Zustandes des DOM vorgenommen werden, um mögliche Probleme der Barrierefreiheit auf dynamischen Webseiten identifizieren zu können.
Die About-Seite des W3C Markup Validation Services bietet das Bookmarklet Check serialized DOM of current page an. Beim Ausführen dieses Bookmarklets auf einer Webseite wird der HTML-Quelltext des aktuellen Seitenaufbaus überprüft. Geeignete Momente für die Validierung des aktuellen Seitenzustandes sind: der Abschluss des initialen Seitenaufbaus (nachdem alle Komponenten/Widgets initialisiert sind), der Abschluss von Seitennavigationen in Single-Page-Webanwendungen sowie Zustandsänderungen von Widgets.

Seitennavigation mit Screenreader (NVDA) möglich und konsistent

In NVDAs Lesemodus können durch Drücken von Sprungtasten (Strg+↓, d, f, g, h, i, 1, 2, 3, 4, 5, 6, k, q, etc.) die entsprechenden Objekttypen angesprungen werden. Das Screenreader-Navigations-Verhalten entspricht dem beabsichtigten Seitenaufbau.

Beispielsweise soll beim Drücken der Taste t die erste Zelle der nächsten Tabelle angesprungen werden: "Richtige" Tabellen – Inhaltselemente, die Daten in tabellarischer Form darstellen – sollen nicht übersprungen werden; hingegen sollen Inhaltselemente ohne tabellarische Funktion nicht angesprungen werden: das HTML-Element <table> darf nicht für Layoutzwecke zweckentfremdet werden.

Die Navigation im Lesemodus soll der logischen Seitenreihenfolge entsprechen.

Fokussierbare Elemente, korrektes Tab-Verhalten und erkennbarer Fokus.

Die Tabreihenfolge ist konsistent: Beim Drücken der Tabulatortaste werden fokussierbare in logischer Seitenreihenfolge angesprungen.

Das aktuell fokussierte Element wird visuell hervorgehoben (z.B. durch einen Fokusring). Die Darstellung des fokussierten Zustandes ist über alle Elemente und Elementtypen einheitlich und wiedererkennbar (zum Beispiel durch einheitliche Farbgebung ("immer orange") oder einheitliche Formgebung ("immer gestrichelte Umrandung")).

Es dürfen keine Tab-Fallen existieren: Es ist immer möglich, durch mehrfaches Drücken der Tabulatortaste die gesamte Webseite von oben bis unten durchzutabben, und man gelangt (nach zwischenzeitlichem Verlassen des Seitenkontexts durch Fokussierung auf Browser-Steuerelemente) wieder zum ersten fokussierbaren Element am Seitenanfang.

Tab-Durststrecken sollten vermieden werden: Seitenbereiche außerhalb des primären Seiteninhaltes und Widgets sollten nicht zu viele antabbare Elemente auf einmal anbieten. Über dynamische Änderungen kann die Antabbarkeit eines HTML-Elementes beeinflusst werden: Änderungen mancher HTML-Attribute eines Elementes (oder seiner übergeordneten Elemente) beinflussen die Antabbarkeit, zum Beispiel die Attribute hidden, disabled, <dialog open>, <details open> und tabindex="-1". Beispielsweise beinhaltet das GESIS-Megamenü eine Vielzahl von Seitennavigationslinks, deren Antabbarkeit während der Benutzerinteraktion durch JavaScript beeinflusst wird.

Skip-Links vorhanden

Ganz zu Beginn des Seitendokuments existieren Skip-Links, über welche die relevantesten Seitenbereiche angesprungen werden können (z.B. Suchschlitz, Navigationsmenü, Hauptinhalt, Fußzeile, Sprachwechsel). Skip-Links sind normalerweise visuell versteckt und erscheinen nur für Screenreader oder bei explizitem Fokussieren.

Screenreader bieten zwar bereits weit mächtigere Navigationsmöglichkeiten an; Skip-Links dienen aber als Fallback-Lösung, wenn Benutzer*innen keine assistive Bedienungstechnologien zur Verfügung stehen, beispielsweise bei der Benutzung eines öffentlichen oder fremden Computes (Bekannte, Freunde, Arbeitskollegen).

Ohne Bezug auf sensorische Merkmale nutzbar

Formulierungen wie z.B. "in der linken Spalte...", "über Drücken des grünen Knopfes..." müssen vermieden werden: Angaben zu Farben und räumlicher Anordnung ergeben bei der Bedienung und Erschließung einer Webseite mit Screenreadren keinen Sinn (siehe BITV-Prüfschritte 9.1.3.3 und 9.1.4.1).

  • Die Nutzbarkeit ohne Bezug auf Farben kann durch Deaktivierung von Farbe überprüft werden: Chromes Developer Tools (F12) öffnen → Registerkarte Rendering auswählen (befindet sich im unteren Developer-Tools-Bereich im sog. Console Drawer. Gegebenenfalls Esc drücken, um diesen anzuzeigen. Gegebenenfalls dort die drei vertikalen Punkte anklicken und Rendering auswählen) → Im Rendering-Tab befindet sich zum Ende der Eintrag Emulate vision deficiencies. Hier Achromatopsia auswählen, um die Webseite ohne Farbe, nur in Grautönen, darzustellen.
  • Mögliche Verstöße können auch durch textuelle Suche gefunden werden. Hierfür bietet sich die kostenlose Open-Source-Chrome-Erweiterung Chrome Regex Search an (Chrome Regex Search bei GitHub, Chrome Regex Search im Chrome Web Store).
    Nach der Installation dieser Erweiterung lässt sich der textuelle Webseiteninhalt mit regulären Ausdrücken durchsuchen. Strg+Umschalt+f öffnet den Suchdialog. Durch Aktivierung des Schalters i wird die Suchanfrage case-insensitive ausgeführt.
    Die folgende Suchanfrage hebt potentielle textuelle Verstöße mit Bezügen auf sensorische Mermale hervor:

    hier|here|link|left|recht|right|obe|above|up|unte|low|down|breit|broad|rund|round|schmal|narrow|weiß|white|schwarz|black|rot|red|gelb|yellow|grün|green|blau|blue

    Diese Suchanfrage case-insensitive ausführen! Sie ist nicht allumfassend und eignet sich nur für deutschsprachige und englischsprachige Texte.

Bilder barrierefrei umsetzen

Bilder auf Webseiten lassen sich in zwei Kategorien aufteilen: Inhaltsrelevante Bilder und dekorative Bilder.

Inhaltsrelevante Bilder

Inhaltsrelevante Bilder sind solche Bilder, die für das Verständnis des Seiteninhaltes relevant sind; ohne sie und ohne das, was sie ausdrücken, würde dem beabsichtigten Seiteninhalt etwas fehlen.
Ein Beispiel für ein inhaltsrelevantes Bild: Ein Kühlschrank-Hersteller bietet eine Online-Bedienungsanleitung für seinen Kühlschrank zur Verfügung. Im Wartungskapitel wird auf die Eisfach-Enteisung eingegangen. Eine Grafik erklärt die dafür notwendigen Arbeitsschritte. Sie ist daher inhaltsrelevant. Also muss eine zusätzliche, vollständige, textuelle Beschreibung der notwendigen Arbeitsschritte angeboten werden, um barrierefreien Ansprüchen zu genügen. Andernfalls könnten sich Sehbehinderte nicht über diese Wartungsarbeit informieren.

Dekorative Bilder

Dekorative Bilder (auch Schmuckbilder genannt; Layoutgrafiken zählen auch dazu) sind solche Bilder, die für das Verständnis des Seiteninhaltes irrelevant sind. Die Entfernung von dekorativen Bildern hat keinen Einfluss auf das Verstädnis einer Webseite – ohne sie ist eine Webseite genauso gut verständlich und bedienbar wie mit ihnen.
Ein Beispiel für ein dekoratives Bild: Das Foto des Kölner Dom-Vorplatzes im Banner-Hintergrund der GESIS-Web-Homepage ist ein dekoratives Bild. Es erfüllt lediglich einen ästhetischen Zweck ohne Funktion auf den Seiteninhalt.

Differenzierung und korrekte Umsetzung

Um Bilder barrierefrei umzusetzen, müssen sie im HTML-Quelltext korrekt ausgezeichnet werden. Dabei ist auch der Kontext für die Verwendung des Bildes relevant. Die W3C bietet dazu einen Entscheidungsbaum; Penn States Beispiele und WebAIMs Beispiele bieten weitere Orientierungshilfe anhand verschiedener Szenarien.

Grob zusammengefasst:

  • inhaltsrelevante Bilder
    • bei geringem Informationsgehalt: vollständige Beschreibung über alt-Attribut: <img src="cat.jpg" alt="Schlafende graue Katze auf einer Wiese" />
    • bei umfangreicherem Informationsgehalt: leeres alt-Attribut und vollständige Beschreibung über begleitende HTML-Elemente: <img src="cat.jpg" alt="" /><span>Katzen sind Raubtiere. [...] Sie schlafen auf Wiesen häufig in eingerollter Form. [...]</span>
  • Dekorative Bilder
    • Bei Umsetzung durch <img>-Element: leeres alt-Attribut: <img src="shaking-hands.jpg" alt="" /><span>Wir sind Ihr Partner für Erfolg</span>
    • Bei Umsetzung durch CSS-Hintergrundbild: keine weitere Auszeichnungen notwendig (CSS-Hintergrundbilder werden von assistiven Technologien immer ignoriert): <div style="background-image: url(shaking-hands.jpg);"><span>Wir sind Ihr Partner für Erfolg</span></div>

Externe Ressourcen