Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 9 (2017) 1, S 82-98
Inhalt: "Anhand zweier Datensätze von Interviews, die mit katarischen Studentinnen und Professorinnen durchgeführt wurden, werden die Hindernisse auf dem Weg hin zu einer geschlechterinklusiven Erwerbsbeteiligung untersucht. Der erste Datensatz ist das Ergebnis eines Projekts, das die Disparitäten zwischen Bildungsabschluss und Erwerbsbeteiligung unter katarischen Frauen untersucht. 274 junge Frauen im Alter von 17 bis 25 Jahren wurden mit dem Ziel befragt, einige der Gründe nachzuzeichnen, warum katarische Frauen nicht ins Berufsleben treten. Der zweite Datensatz bündelt die Ergebnisse von 350 Fokusgruppendiskussionen und Interviews mit Studentinnen. Hier wurde die Auswirkung von deren höherer Bildung auf deren Heiratsfähigkeit untersucht. Ihre Bildung hat - im Vergleich zu den Generationen ihrer Mütter und Großmütter - zu einer Erhöhung des Heiratsalters geführt, aber die sozialen Erwartungen an Frauen, die Rolle der Ehefrau und Mutter zu erfüllen, führen weiterhin dazu, dass eine Heirat die Arbeit einer Frau außerhalb des Hauses einschränken kann." (Autorenreferat)
Inhalt: "We offer observations about the obstacles to promoting a gender-inclusive labor force based on two sets of data on female Qatari students and professionals. Data set 1 is the result of a project pertaining to the disparity between education and employment among Qatari women. We surveyed 274 young women between the ages of 17 and 25 with the aim of understanding some of the reasons why Qatari women were not entering the workforce. Data set 2 derives from 350 focus groups and interviews with female students to assess the effect their tertiary education had on their marriageability. While education has delayed the age of marriage when this generation of women is compared with that of their mothers and grandmothers, the social expectations of becoming a wife and ensuing motherhood mean that marriage can restrict a woman's working outside the home." (author's abstract)
Schlagwörter:gender relations; soziale Norm; Ehe; marriage; Erwerbsbeteiligung; Persian Gulf; wedding; Heirat; gender role; Katar; Persischer Golf; social norm; Familie-Beruf; work-family balance; woman; Geschlechtsrolle; Geschlechterverhältnis; level of education; labor force participation; gender-specific factors; Bildungsniveau; Qatar
"Making Art, Making Media, Making Change!?" Prozesse des Queerings und des Empowerments in der Arbeit mit Jugendlichen
Titelübersetzung:Making art, making media, making change!? Processes of queering and empowerment in working with young people
Autor/in:
Zobl, Elke; Drüeke, Ricarda
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 8 (2016) 2, S 65-82
Inhalt: "Wie können soziale und kulturelle Ordnungen, die eine Gesellschaft strukturieren, in der Arbeit mit Jugendlichen thematisiert werden? Wie lassen sich Machtverhältnisse und hegemoniale Deutungen infrage stellen? Das in diesem Beitrag vorgestellte Wissenschaftskommunikationsprojekt greift solche Fragestellungen auf und eröffnet in der Zusammenarbeit mit Jugendlichen Möglichkeiten der Intervention in hegemoniale Deutungsmuster durch eigene kulturelle Produktionen. Den theoretischen Rahmen bildet eine Verbindung der Perspektive des Queerings mit Ansätzen der kritischen Kunst- und Kulturvermittlung. Anhand von durchgeführten Workshops mit Jugendlichen und den im Projekt entwickelten visuellen Materialien diskutieren wir, wie durch Bildkarten die Heteronormativität sowie Zweigeschlechtlichkeit infrage gestellt sowie dominante Blickregime und hegemoniale Bildpolitiken und Zuschreibungen kritisch reflektiert werden können. Ein Queering kann demnach Handlungsräume für Jugendliche eröffnen, in denen gemeinsam gesellschaftliche und soziale Normierungen dekonstruiert sowie (macht)kritische und ermächtigende Deutungen erarbeitet werden können." (Autorenreferat)
Inhalt: "How can social and cultural regimes that structure society be addressed when working with young people? How can power structures and hegemonic constructions be called into question? The scientific communication project presented in this article addresses these questions. In collaboration with young people, the project opens up possible interventions in hegemonic interpretations through young people's active cultural productions. The theoretical outline is shaped by queer theories - in particular the queering perspective - linked to approaches in critical art and cultural education. Based on visual material developed within the research project (image cards that question heteronormativity and gender binary) we discuss a way to critically reflect dominant regimes of the gaze and hegemonic images. We suggest that queering can open a space of agency for young people in which societal and social norms can be deconstructed and new meanings developed and envisioned." (author's abstract)
Judith, Niklas und das Dritte der Geschlechterdifferenz: undoing gender und die Post Gender Studies
Titelübersetzung:Judith, Niklas and the third of gender difference: undoing gender and post-gender studies
Autor/in:
Hirschauer, Stefan
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 8 (2016) 3, S 114-129
Inhalt: "Der Beitrag diskutiert die Konzepte des doing und undoing gender. Zunächst rekonstruiert er den methodologischen Sinn der Rede von 'doing' X, die Folgeprobleme und Radikalitätsverluste des doing gender sowie dessen soziologische Ergänzungsbedürftigkeit um das Konzept des 'undoing gender'. Anschließend betrachtet er das Verhältnis von Mikround Makrotheorien in den Gender Studies. Dort wird der Reichweitenlimitierung des (un)doing gender-Theorems oft mit einer rhetorischen Prämodernisierung der Gesellschaft begegnet. Mikro/Makro steht in den Gender Studies für einen epistemologischen Split, durch den man die 'Geschlechter' mikrotheoretisch dekonstruiert und makrotheoretisch rekonstruiert. Dieser Split ist in den politischen Verstrickungen des Feldes begründet. Der Aufsatz plädiert für das Dritte der Geschlechterdifferenz als eine Beobachtungsposition der Post Gender Studies, von der aus sich Prozesse des Gendering und Degendering symmetrisch beobachten lassen." (Autorenreferat)
Inhalt: "This article discusses the concepts of doing and undoing gender. First, it reconstructs the methodological sense in speaking of 'doing X', the subsequent problems for and the loss of radicalism of doing gender, and the sociological need to supplement it by the concept of 'undoing gender'. Second, the relationship between micro and macro theories in gender studies is taken into consideration. Here, the (un)doing gender theorem's limited scope is met with a rhetorical pre-modernization of society. Furthermore, micro/macro stands for an epistemological divide in gender studies, deconstructing 'genders' micro theoretically while reconstructing them macro theoretically. This divide stems from the political entanglement within the field. All told, this article makes the case for the third of gender difference as an observational position of post-gender studies from whose vantage point processes of both gendering and degendering can be viewed symmetrically." (author's abstract)
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 8 (2016) 3, S 29-45
Inhalt: "Der Artikel basiert auf einer Studie des Instituts für Gender and Diversity der Fachhochschule Ostschweiz (FHO), die 2014 und 2015 im Raum Ostschweiz durchgeführt wurde. Die Studie hatte zum Ziel, die Selbstbeschreibung und -wahrnehmung von Mädchen und jungen Frauen sowie deren Interessen und Zukunftsvorstellungen zu untersuchen. Dafür wurden insgesamt 78 leitfadengestützte qualitative Interviews mit Mädchen und jungen Frauen aus drei verschiedenen Altersgruppen und Schulen aus unterschiedlichen sozialen und geografischen Milieus im Hinblick auf ihre (vergeschlechtlichten) Lebensund Selbstkonzepte analysiert. Die Auswertung der Interviews erfolgte inhaltsanalytisch. Die deskriptiv dargestellten Ergebnisse zeigen eine Veränderung von eher offenen Lebensund Selbstkonzepten bei den 6- und 9-Jährigen hin zu eher geschlechtstypischen Vorstellungen bei den 15- bis 16-Jährigen. Im Alter zwischen 10 und 15 Jahren scheinen sich also die ersten Weichen für (oder auch gegen) eine geschlechtstypische Berufswahl und Lebensplanung zu stellen. Viele Mädchen, die durchaus geschlechtsatypische Interessen und Fähigkeiten aufweisen, haben sich letztlich - zumindest in der ersten Ausbildung - für einen frauentypischen Beruf entschieden." (Autorenreferat)
Inhalt: "The article is based on a study by the Institute for Gender and Diversity at the University of Applied Sciences of Eastern Switzerland (FHO) conducted in 2014 and 2015 in eastern Switzerland. The study was designed to investigate the self-description and -perception of girls and young women and their interests and visions of the future. A total of 78 semi-structured, qualitative interviews conducted with girls and young women from three different age groups and schools from different social groups and geographical areas were examined as regards their (gendered) concepts of life and self-concepts. The interviews were evaluated by means of content analysis. The results show that 6- to 9-year-olds are more open to gender-free concepts of life, while 15- to 16-year-olds tend to be more gender-stereotypical. It thus appears that between the ages of 10 and 15 girls take their first decisions in favour of (or against) gender-typical career choices and life planning. Many girls in the older age group, who have gender-atypical interests and abilities, ultimately opted for a typically female profession when taking their first step up the career ladder." (author's abstract)
Polyviduen: Liebe und Subjektivierung in Mehrfachpartnerschaften
Titelübersetzung:Polyviduals: love and subjectivity in polyamorous relationships
Autor/in:
Schadler, Cornelia; Villa, Paula-Irene
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 8 (2016) 1, S 11-26
Inhalt: "Der Beitrag beschäftigt sich mit Intimitäts- und Subjektivierungsformen in Mehrfachpartnerschaften, insbesondere in polyamoren Beziehungen. In einer Analyse von narrativen Interviews zu Beziehungsbiografien gehen wir dabei besonders auf Selbstdefinitionen der Beziehungsform und Erzählungen über Beziehungsalltage ein. Beziehungen definieren sich, so stellen wir fest, in Mehrfachpartnerschaften nicht über vordefinierte Subjektpositionen, sondern über dynamische Relationen innerhalb eines Beziehungsgeflechts. Dabei ziehen Benennungs- als Vereindeutigungspraktiken die Grenzen zwischen spezifischen Partnerschaften, während Intimität (Gefühle von Liebe, intensive persönliche Beziehungen oder Sexualität) auch in unbenannten, also unbestimmte(re)n Beziehungen gelebt werden kann. Die Beziehungskonstellationen scheinen vor allem eins: Aushandlungssache. In diesen Verhandlungen von Liebe und Intimität bilden sich Subjekte, die sich einerseits als hochindividualisierte Menschen mit hochspezifischen Bedürfnissen artikulieren, deren Grenzen andererseits durch die Imperative der Ehrlichkeit und Offenheit in den Beziehungen auch brüchig sind. Wir interpretieren dieses Selbstverhältnis als Subjektform 'Polyviduen', d.h. Immer-Vielfach-Verbundene, die innerhalb dieses Verbundenseins zugleich hoch individuell sind. Fixe Vorstellungen von vergeschlechtlichen Bedürfnissen oder Geschlechterrollen finden wir in den Daten entgegen unserer Erwartungen kaum. Vordergründig geben sich Polyviduen als geschlechtslose Verhandlungspartner*innen." (Autorenreferat)
Inhalt: "This article deals with enactments of intimacy and love in polyamorous relationships. We conducted narrative interviews that included the participants' relationship biographies. In particular, we focused on self-definitions and accounts of everyday life in polyamorous relationships. We found no predefined subject positions but rather relational positions within a network of relationships that are up for negotiation when constellations shift. The boundaries between different forms of partnership are often drawn by actively designating a relationship. However, we also found the very same practices of intimacy (sentiments of love, intense personal relationships or sexuality) in non-designated relationships. Relationship constellations are, above all, the outcome of constant negotiation. These negotiation practices include super-individualized subjects with highly individual needs on the one hand and subjects with eroding boundaries on the other, because negotiation practices force them to be honest and open. We call the emerging subjects 'polyviduals', that is individuals who are intrinsically connected to others in their network, but with highly individualized needs. Contrary to our expectations, we found hardly any predefined accounts of gendered needs or gender roles in our interviews. In general, polyviduals narrate themselves as ungendered negotiation partners." (author's abstract)
Das Narrativ "natürlicher" Mutterliebe und Mütterlichkeit in Literatur und Film
Titelübersetzung:The narrative of natural motherly love in literature and movies
Autor/in:
Schlicht, Corinna
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 8 (2016) 1, S 108-123
Inhalt: "Im Sinne einer kulturwissenschaftlichen Emotionsforschung, die Affekte und Gefühle auf ihre kulturellen Repräsentationsformen und Bedingungen hin untersucht, wird in historischer Perspektive gezeigt, wie das Narrativ mütterlicher Fürsorge bis heute das kulturelle Verständnis von der Frau formt. Die Analyse eines filmischen (Stephen Daldry The Hours) und eines literarischen Beispiels (Julia Franck Die Mittagsfrau) stellt zwei Werke in den Mittelpunkt, die jeweils eine Doppelperspektive einnehmen, die der Mutter und die des Kindes. Sie gehören zu der Textgruppe, die ein im Weiblichkeitsdiskurs eher tabuisiertes Feld behandeln, nämlich Mütter zu perspektivieren, die ihre Kinder nicht aufopferungsvoll lieben. Sie sind als kritische Reflexionen biologistischer Vorannahmen über scheinbar ąnatürliche' Mütterlichkeit, mit der innerhalb des kulturell verankerten binären Systems gleichzeitig die "Unnatürlichkeit" männlicher Fürsorge impliziert ist, ebenso zu verstehen wie als Infragestellung eines traditionellen Familienbilds, in dem Väter von der Zuständigkeit für das emotionale Kindeswohl eher ausgeschlossen sind, weil diese als genuin weibliche Aufgabe diskursiviert wird." (Autorenreferat)
Inhalt: "This article demonstrates from a historical perspective and in terms of cultural studies research into emotions, which examines affects and feelings in terms of their forms of cultural representation and cultural conditions, how the narrative of motherly care has shaped the cultural understanding of women up to the present day. An analysis of one cinematic (Stephen Daldry's "The Hours") and one literary (Julia Franck's "Die Mittagsfrau") example puts the focus on two works which both adopt a double perspective, that of the mother as well as of the child. They belong to the group of texts which deal with a tabooed field in the femininity discourse, that is the perspective of those mothers who do not selflessly love their children. They are to be understood as critical reflections of biologistic presuppositions about apparently "natural" motherliness, which at the same time, within the culturally anchored binary system, implies the "unnaturalness" of masculine care. Moreover, they must be understood as calling into question the traditional family image in which fathers tend to be excluded from responsibility for a child's emotional well-being because that is narrated as a genuinely female task." (author's abstract)
Feminist thought(s) as dirty intellectuality: the case of Andrea Dworkin
Titelübersetzung:Feministische Gedanken als schmutzige Intellektualität: der Fall Andrea Dworkin
Autor/in:
Pivec, Natasa
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 7 (2015) 3, S 31-43
Inhalt: Das breite Spektrum feministischer Gedanken von der Kunst bis zur Erkenntnistheorie, die sich um Geschlecht und seine vielfältigen Arrangements in der Gesellschaft drehen, werden als "anders" oder "schmutzig" dargestellt, wenn diese sich nicht in vorherrschende erkenntnistheoretische Prämissen oder künstlerische Standards der hegemonialen Männlichkeit einordnen lassen. Das Konzept der Andersheit wird der Wissenden/ Produzentin aufgrund ihres Geschlechtes und ihres epistemischen Fokus zugeschrieben, der dichotome Rahmungen eines Körper-Geist-Dualismus, erkenntnistheoretische Traditionen, geschlechtsspezifische Berufseinteilungen, Geschlechtsbinarismus und Körpernormen konventioneller Weiblichkeit durchbricht. Das Leben und Werk der radikalen Feministin Andrea Dworkin wird in der Analyse herangezogen, um die folgende theoretische Prämisse des Artikels zu bestätigen: Eine Frau, die sich als Wissende positioniert, Wissen produziert und als Feministin (selbst)kategorisiert (wird), wird als eine Bedrohung für das System der Geschlechterordnung, seine Strukturen, Diskurse und Praktiken wahrgenommen.
Inhalt: The wide spectrum of feminist thoughts, from art to epistemology, which are centred around gender and its multi-leveled arrangements in society is, when not aligned with predominant epistemic premises or artistic standards of hegemonic masculinity, rendered as Other or dirty. The concept of Otherness is ascribed to the knower/ producer on behalf of her sex and her epistemic focus, which transgresses several dichotomous frameworks of the body-mind dualism, epistemological traditions, gendered categorization of professions, gender binarism and body norms of conventional femininity. The life and work of radical feminist Andrea Dworkin was analyzed in order to confi rm the theoretical premise of the article, namely that when a woman positions herself as a knower and produces knowledge, (self)categorized as a feminist, she is perceived as a threat to the system of structures, discourses and practices of the gender order.
Milena Jesenská und Alice Rühle-Gerstel: Konstruktionen gesellschaftlicher Nichtanerkennung
Titelübersetzung:Milena Jesenská and Alice Rühle-Gerstel: Reconstructing social non-recognition
Autor/in:
Darowska, Lucyna
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 7 (2015) 3, S 77-92
Inhalt: Den Ausgangspunkt des Artikels bildet die These, dass zwei bedeutende weibliche Intellektuelle des 20. Jahrhunderts, Milena Jesenská und Alice Rühle-Gerstel, bis heute im Verhältnis zu ihren Leistungen nur bescheidene Anerkennung erfahren haben. Nach der Darstellung der beachtlichen Leistungen der beiden Autorinnen und Aktivistinnen folgt eine Analyse der Rezeption. Insbesondere werden Momente identifiziert, die Fehlinterpretationen verursacht bzw. die Rezeption blockiert haben. Für diese Untersuchung werden theoretische Ansätze aus den Bereichen der politischen und Sprachphilosophie und der politischen Soziologie herangezogen. Neben den geschichtlichen und politischen Ursachen hat auch die asymmetrische Geschlechterordnung wesentlich zu einseitiger und zum Teil verfehlter Rezeption beigetragen. Die Mechanismen, durch die sich üblicherweise der Ruf einer Person bildet und stabilisiert, wie z.B. Präsenz in der Öffentlichkeit und Kontakt mit dem Publikum, waren nach dem frühen Tod beider Frauen nicht wirksam. Der Artikel zeigt die Notwendigkeit einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem OEuvre und den Biografien Milena Jesenskás und Alice Rühle-Gerstels - auch innerhalb der feministischen Forschung - und will diesen Diskurs anregen.
Inhalt: The starting point for this article is the supposition that two significant female 20th century intellectuals, Milena Jesenská and Alice Rühle-Gerstel, have so far received only modest recognition for their achievements. The article briefly outlines the remarkable achievements of these two authors and activists and then analyzes the reception of their work. A number of events and processes can be identified which resulted in the misinterpretation and less than satisfactory consideration of their contributions. Theoretical approaches in the fields of political philosophy and political sociology are applied in the course of this analysis. Both the political system and asymmetrical gender power relations contributed in various ways to the false interpretation of the achievements of the two intellectuals. On account of their untimely deaths, both women were unable to build up their academic reputations, for example by means of being visible to and in contact with the public. The article demonstrates the need for further research into the biographies and legacies of Milena Jesenská and Alice Rühle-Gerstel, including from the feminist perspective. It also aspires to stimulate this critical discourse.
Madeleine de Scudéry - Intellektuelle avant la lettre?
Titelübersetzung:Madeleine de Scudéry - an intellectual woman in early modern France
Autor/in:
Hergenhan, Jutta
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 7 (2015) 3, S 61-76
Inhalt: Intellektuelles Engagement wird in Frankreich häufig mit männlichen Akteuren und einem couragierten Eintreten für die universellen Werte der Aufklärung assoziiert. Schon im frühmodernen Frankreich des 17. Jahrhunderts waren jedoch auch Frauen - entgegen bestehender Standes- und Geschlechterkonventionen - intellektuell tätig. Als Schriftstellerinnen und Salonbetreiberinnen thematisierten einige von ihnen die Ungleichheit von Frauen und Männern und entwarfen Modelle für respektvollere Geschlechterbeziehungen. Eine dieser - sowohl in anerkennendem wie auch in spöttischem Sinne - als "Preziöse" bezeichneten Frauen war die Schriftstellerin Madeleine de Scudéry. Da sie sich in ihrem literarischen Werk und auch in ihren persönlichen Lebensentscheidungen in unkonventioneller und reflektierter Weise mit für Frauen sehr problematischen Themen wie "Bildung", "Ehe" oder "Schreiben und Publizieren" auseinandersetzte, stellt sie gleichzeitig eine Ausnahmefigur ihrer Zeit und den Prototyp einer frühen Intellektuellen dar.
Inhalt: Madeleine de Scudéry - an intellectual woman in early modern France In France, the idea of intellectual endeavour is closely associated with male actors defending the universal values of the Enlightenment. However, women already led an intellectual life back in 17th century France, notwithstanding contemporary social and gender-related conventions. As writers and salon hostesses, several of these women pleaded for more respectful gender relations and criticized existing inequalities between women and men. Madeleine de Scudéry was one of these women, who were called précieuses by their contemporaries. In both her literary writing and the choices she made in her personal life she confronted difficult topics for women, such as "education and knowledge", "marriage" and "female authorship". Madeleine de Scudéry adopted unconventional positions and took unorthodox personal decisions, and engaged in a profound refl ection of women's living conditions, which made her both an exceptional fi gure in her time and the prototype of an early intellectual.
Formierung von Vaterschaft - ethnografische Befunde aus Institutionen der Natalität
Titelübersetzung:The making of fatherhood - ethnographic results from antenatal institutions
Autor/in:
Seehaus, Rhea; Rose, Lotte
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 7 (2015) 3, S 93-108
Inhalt: Zwar zeichnen sich in den familialen Geschlechterverhältnissen derzeit Transformationsprozesse ab, bei denen sich das Modell egalitärer Elternschaft allmählich durchsetzt. Dennoch verweisen aktuelle Forschungen darauf, dass es jungen Familien vielfach nicht gelingt, diesen Wunsch langfristig umzusetzen: Die Geschlechterverhältnisse in den Familien retraditionalisieren sich mit der Geburt des ersten Kindes. Vor diesem Hintergrund fragt der Beitrag aus praxeologischer Perspektive danach, wie sich diese ungleichen Arbeitsteilungen trotz der egalitären Ansprüche herstellen. Ausgehend von der These, dass bereits vor der Geburt des Kindes transitorische Prozesse der Herstellung von Elternschaft stattfinden, an denen die werdenden Eltern und die sie umgebenden natalen Spezialinstitutionen beteiligt sind, werden Informationsabende in Entbindungseinrichtungen, Geburtsvorbereitungs- und Säuglingspflegekurse untersucht. Anhand ethnografischer Protokolle wird nachgezeichnet, wie bereits in den institutionellen Praxen dieser Institutionen Geschlechterungleichheiten zwischen den Eltern hergestellt werden.
Inhalt: Although there is an emerging trend towards a transformation within familial gender relations in the course of which the model of egalitarian parenting is gradually prevailing, current research shows that young families often do not succeed in realizing this ideal in the long term. Gender relationships tend to retraditionalize when a couple's first child is born. Taking this scenario into account, this article shows from a praxeological perspective how these non-egalitarian divisions of labour persist despite egalitarian ideals. The thesis is that even before birth there are processes of parenting which the prospective parents and specialist antenatal and postnatal institutions take part in. Information evenings in hospitals and antenatal courses were analyzed. Based on ethnographic records the article demonstrates how these institutional practices create gender inequalities between parents.