Diskursanalyse und Biografieforschung: zum Wie und Warum von Subjektpositionierungen
Titelübersetzung:Discourse Analysis and Biographical Research: about the How and Why of Subject Positions
Autor/in:
Tuider, Elisabeth
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 8 (2007) 2, 28 S
Inhalt: In den aktuellen Überlegungen der im Anschluss an Michel FOUCAULT ausgearbeiteten Gouvernementality-Studies werden im Zuge der Formierung neuer (neoliberaler) Regierungsrationalitäten auch neue Subjektivierungsweisen konstatiert. Diese Subjektivierungsweisen sind – FOUCAULT folgend – als Effekte diskursiver Praktiken zu begreifen. Bisher offen geblieben ist aber die forschungsmethodische Erschließung von diskursiven Effekten. Denn während von Seiten der Diskursforschung bisher nur neue Subjektivierungsweisen deklariert wurden, ohne sie aber methodisch einzuholen, wurden von Seiten der Biographieforschung nur die subjektiven Verortungen betrachtet, ohne sie mit den sie umgebenden Diskursen systematisch zu verbinden. Um dieses Desiderat zu beheben und die diskursiven Effekte, die Subjektpositionierungen, methodisch zu erfassen, wird hier eine methodische Koppelung von Diskursanalyse und Biographieforschung vorgeschlagen, um damit den Defiziten beider Forschungstraditionen beizukommen. Am Beispiel der in Juchitán/Südmexiko auffindbaren Subjektpositionierung muxé wird die vorgeschlagene Methodenkoppelung exemplarisch veranschaulicht. Dem hier vorgestellten Vorgehen liegt die These zugrunde, dass biographische Erzählungen einerseits von Diskursen durchdrungen sind und die biographischen Erzählungen andererseits Hinweise auf die Materialisierung von Diskursen sowie auf das über die Diskurse Hinausgehende geben.
Inhalt: Recent reflections on governmentality studies which are based on Michel FOUCAULT, ascertain new forms of subjectivation within the frame of new (neoliberal) rationalities of government. Following FOUCAULT, these forms of subjectivation are seen as effects of discursive practices. However, there is no way yet on adequate methods for grasping discursive effects. For closing this gap and finding adequate methods to study discursive effects, the subject positions, I will suggest a methodical link between discourse-analysis and biography-analysis. Linking these two research traditions will eliminate the deficiencies of both research traditions: While discourse-analysis just stated new forms of subjectivations without finding adequate methods to study them, biography-analysis just focused on the subject positions without connecting them systematically to the surrounding discourses. Taking the subject position muxé, found in Juchitán/Southern Mexico, as an example, I will illustrate the possibilities of such a methodical combination. On the one hand, the outlined procedure is based on the assumption that biographical narratives are penetrated by discourses. On the other hand, biographical narratives refer to the materializations of discourses. They, in addition, point to that which exceeds a discourse.
Re-visioning Cogenerative Dialogues as Feminist Pedagogy|Research
Titelübersetzung:Rekonzeptualisierung kogenerativer Dialoge für die feministische Pädagogik|Forschung
Autor/in:
Scantlebury, Kathryn; LaVan, Sarah-Kate
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 7 (2006) 2, 10 S
Inhalt: Wir diskutieren in diesem Beitrag, unter welchen Umständen kogenerative Dialoge ein(e) feministische(s) Pädagogik|Forschungsmittel darstellen (können) und unter welchen Umständen dies nicht der Fall ist. Wenn kogenerative Dialoge als feministische Pädagogik|Forschung betrachtet werden, dann werden die unbewussten und grundlegenden Strukturen aufgezeigt und diskutiert, die – besonders für Mädchen und Frauen – Ungleichheiten sowohl innerhalb als auch außerhalb des Klassenzimmers erzeugen. Wir stellen Forschern und Forscherinnen ethische Fragen, damit sie überlegen, wann und wie kogenerative Dialoge zu Ungleichheiten und zum Verstummen von Schülern und Schülerinnen führen bzw. wann und wie bestehende Machtunterschiede zwischen Lehrern/Lehrerinnen und Schüler/Schülerinnen verstärkt werden. Schließlich werden Vorschläge für die Richtung zukünftiger Forschung angeboten.
Inhalt: We discuss when cogenerative dialogues are a feminist pedagogy|research tool and also the circumstances when this is not the case. When viewed as a feminist pedagogy|research, cogenerative dialogues expose and discuss the unconscious and underlying structures that cause inequities both within and outside the classroom, particularly for girls and women. We raise ethical issues for researchers to consider how and when cogenerative dialogues may cause inequities by silencing students or reinforcing existing power differentials between teachers and students and offer suggestions for future research directions.
SSOAR Kategorie:Forschungsarten der Sozialforschung, Frauen- und Geschlechterforschung, Erhebungstechniken und Analysetechniken der Sozialwissenschaften, Forschung, Forschungsorganisation
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 7 (2006) 2, 7 S
Inhalt: In diesem kogenerativen Dialog über das Verfahren "kogenerativer Dialoge" als Forschungsmethode und Ethik-Leitlinie gehen wir über unsere Einzelbeiträge in diesem Sonderband hinaus: Wir beginnen einen Diskussionsprozess, von dem wir hoffen, dass er von unseren Leserinnen und Lesern weitergeführt wird. Wir kommen zu dem Schluss, dass kogenerative Dialoge einen ausgezeichneten Ausgangspunkt darstellen, um soziale Gleichheit in der Praxis zu erreichen.
Inhalt: In this cogenerative dialogue about cogenerative dialogue as qualitative research method and ethics, we move beyond our individual contributions in this special issue to begin a process that we hope will be carried further by our readers. We conclude that cogenerative dialoguing constitutes an excellent starting point towards enacting equity in practice.
Kulturelles Kapital in der Migration : ein Mehrebenenansatz zur empirisch-rekonstruktiven Analyse der Arbeitsmarkintegration hochqualifizierter MigrantInnen
Titelübersetzung:Cultural capital during migration : a multi-level approach to the empirical analysis of labor market integration amongst highly skilled migrants
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, Vol. 7 (2006) No. 3, 19 S.
Inhalt: "Die Arbeitsmarktintegration von hochqualifizierten MigrantInnen kann zur Chance für Wissensgesellschaften werden, deren Prosperität vom Aufbau kulturellen Kapitals abhängt. In diesem Beitrag wird ein qualitativer Forschungsansatz vorgestellt, mit dem auf mehreren Ebenen untersucht werden soll, wie MigrantInnen ihr kulturelles Kapital in der Statuspassage in den Arbeitsmarkt verwerten: Neben der Mikroebene der individuellen biographischen Erfahrung von MigrantInnen findet deren Einbindung in Milieus, soziale Netzwerke und Selbstorganisationen (Mesoebene) ebenso Berücksichtigung wie die Makroebene der rechtlichen Regulierungen im Rahmen der Einwanderungs- und Arbeitsmarktpolitik. Dem Zusammenhang von Bildungs- und Aufenthaltstiteln beim Übergang in den Arbeitsmarkt gilt in der empirischen Analyse ein besonderes Augenmerk. Daher werden vier Fallgruppen, die systematisch hinsichtlich der Höhe und des Erwerbs ihres Bildungstitels im In- oder Ausland und bzgl. der Gleich- bzw. Nachrangigkeit ihres Aufenthaltstitels variieren, miteinander verglichen. Um zudem die Kontingenz der meso- und makrosozialen Kontexte der Statuspassagen in den Arbeitsmarkt zu erfassen, wird die Arbeitsmarktintegration in Deutschland mit derjenigen in Kanada, Großbritannien und der Türkei verglichen." (Autorenreferat)
Inhalt: "The integration of highly qualified migrants into the labour market can be an opportunity for knowledge societies because their prosperity depends on the incorporation and improvement of cultural capital. In this paper we present a qualitative research approach with which we analyze on several levels how migrants make use of their cultural capital during their entry into the labour market: in addition to the biographical experience of migrants we analyze how this experience is embedded in milieus, social networks and self-organizations (meso-level) and structured by the macro-level of judicial regulations of immigration and labour market policies. Our empirical analysis is focused by the assumed importance of educational qualification and residence status during entry into the labour market. Four different groups of empirical cases, which differ with respect to the level of education, the place of its acquisition (at home or abroad) as well as to their residence status, are compared to each other. In order to study the contingencies of meso and macro-social contexts, labour-market integration will be examined in the context of Germany as well as in Canada, Great Britain and Turkey." (author's abstract)
Somali Parents' Experiences of Bringing up Children in Finland: Exploring Social-Cultural Change within Migrant Households
Titelübersetzung:Die Erfahrungen somalischer Eltern mit der Kindererziehung in Finnland: sozio-kultureller Wandel innerhalb des Zuwanderer(innen)haushalts
Autor/in:
Degni, Filio; Pöntinen, Seppo; Mölsä, Mulki
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 7 (2006) 3, 16 S
Inhalt: Im Zeitraum von 1990 bis 1995 immigrierten ungefähr 5.000 bis 6.000 Somalis über Russland nach Finnland; Ende des 20. Jahrhunderts befanden sich etwas mehr als 8.000 somalische Staatsbürger(innen) im Land. Diese Daten basieren auf einer Umfrage aus den Jahren 1998-1999, die in den finnischen Städten Helsinki und Turku durchgeführt wurde. In der Befragung wurde anhand von 117 verheirateten Somalis der Gebrauch von Verhütungsmittel erforscht. Der vorliegende Beitrag ist auf einen Aspekt dieser Erhebung fokussiert: Die Autoren ermittelten 21 somalische Eltern (elf Frauen und zehn Männer), um die Erfahrungen somalischer Zuwanderer(innen) in der Erziehung ihrer Kinder in Finnland qualitativ zu untersuchen. In der Familie jedes/jeder Befragten lebten zum Zeitpunkt der Interviews mehr als fünf Kinder. Die Interviewpartner(innen) wurden hinsichtlich ihrer Erfahrungen mit der Erziehung ihrer Kinder in Finnland sowie generell zum Aufbau und Erhalt von Familienstrukturen befragt. Im Gegensatz zu Somalia ist die Kinderbetreuung in solch großen Familien (nach westlichen Standards) in Finnland keine Kollektivaufgabe; stattdessen wird es den biologischen Eltern selbst überlassen, ihren Familienalltag zu managen. Damit ist ein tiefgreifender Wandel der Familiennormen verbunden, der eine große Anzahl an neuen Herausforderungen mit sich bringt: er führt zur Notwendigkeit, die Kontrolle über das eigene Leben in einer fremden Umwelt wieder zu erlangen, und birgt intergeneratives Konfliktpotenzial zwischen erwachsenen Zuwanderer(inne)n und ihren heranwachsenden Kindern. Die Forschungsresultate zeigen, dass die somalischen Erfahrungen mit der Kindererziehung in Finnland, ihre Verhaltensweisen als somalische Eltern, die Beziehung unter den Geschlechtern sowie generell die Familienstrukturen des Zuwandererhaushalts beeinflussen. Diese Erkenntnis ist relevant, denn sie impliziert, dass die Lebenserfahrungen im Aufnahmeland sehr stark die Dynamik des Migrant(inn)enhaushalts beeinflussen.
Inhalt: Approximately 5,000 to 6,000 Somalis arrived in Finland between 1990 and 1995 through Russia. Currently, 8,096 have settled permanently in the country. The data reported here is from a 1998-1999 research survey carried out in the Finish cities of Helsinki and Turku. The survey of 117 married Somalis explored the social-cultural determinants of contraception use. The paper presented here focuses upon one particular aspect of the survey. We selected 21 Somali parents (11 women and 10 men) to look in-depth at the experiences of Somali migrants raising children in Finland. All of the respondents selected have more than 5 children in their family and all were asked to describe their experiences of raising children in Finland and, more generally, in establishing and maintaining family structures. Unlike their experiences in Somali, bringing up large families (by Westerns standards) is not a collective matter in Finland where biological parents are left to manage the family for themselves. A number of challenges also accompany this shift in family norms: first, and most notably, there is the need to re-establish control over one's life in an alien environment; second, intergenerational conflict between adult migrants and their adolescent children is often heightened. The findings indicate that Somalis' experiences of raising children in Finland raise important parenting challenges associated with changing generational, gender and family relations within the migrant household. Importantly, this case study of large Somali families shows how migrants' lives are intricately linked to the household dynamic between home and host country.
A cartography of qualitative research in Switzerland
Titelübersetzung:Eine Kartographie qualitativer Forschung in der Schweiz
Autor/in:
Eberle, Thomas S.; Elliker, Florian
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 6 (2005) 3, 21 S
Inhalt: Der vorliegende Beitrag versucht den gegenwärtigen Stand der qualitativen Forschung in der Schweiz zu beschreiben. Zunächst erstellten wir eine impressionistische Skizze, die unvermeidlich selektiv und subjektiv ist und einen kulturellen Bias aufweist. Um die Objektivität zu steigern, sammelten wir einige Fakten und Zahlen und präsentieren sie mittels deskriptiver Statistik. Anhand der Datenbank des Schweizerischen Informations- und Datenarchivs für die Sozialwissenschaften (SIDOS) analysieren wir ein Sample sämtlicher qualitativer soziologischer Forschungsprojekte, die im Zeitraum von 1995-2004 durch eine (schweizerische, deutsche oder französische) nationale Forschungsförderungsorganisation finanziert wurden. Wir vergleichen qualitative und quantitative Projekte sowie solche mit einem Methodenmix und suchen nach Gemeinsamkeiten, Differenzen und Trends: Hat der Anteil qualitativer Forschungsprojekte im Laufe der letzten zehn Jahre zugenommen? Gibt es kulturelle Unterschiede, z.B. eine Präferenz von Forschenden in der Deutschschweiz oder der französischen Schweiz für qualitative, quantitative oder kombinierte Methoden-Designs? Haben verschiedene Typen von Institutionen solche Präferenzen, oder gibt es geschlechterspezifische Unterschiede? Und welche Methoden sind in der Schweiz vorherrschend? In einem zweiten Datenset, das auf einer eigenen Umfrage basiert, verbreitern wir den Fokus und versuchen jene Methoden und theoretischen Ansätze zu bestimmen, die über verschiedene sozialwissenschaftliche Disziplinen hinweg am meisten benutzt werden. Aufgrund der Umfrage verfügen wir auch über individuelle Porträts der qualitativ Forschenden in der Schweiz mit ihren Präferenzen bezüglich theoretischer Ansätze und Methoden, ihrer Expertise, ihrer Forschung und ihrer Lehre, was für forschungspolitische Zwecke von großem Nutzen ist.
Inhalt: Our attempt to describe the state of qualitative research in Switzerland starts out with an impressionist sketch which inevitably is selective, subjective and culturally biased. In order to reach a more objective stance, we gather some facts and figures and present them by means of descriptive statistics. Based on the database of the Swiss Information and Data Archive Service for the Social Sciences (SIDOS), we analyze a sample of qualitative, sociological research projects funded by national science foundations (Swiss, German and French) between 1995-2004. We compare qualitative, quantitative and mixed methods projects and try to find similarities, differences and trends: Has the ratio of qualitative research projects increased over the last ten years? Can we find cultural differences, e.g. a preference of German or French Swiss researchers for either qualitative or quantitative or mixed methods designs? Do different types of institutions, or do men and women have such different preferences? Which methods are prevailing in Swiss qualitative research? In a second data set collected by a survey of our own, we broaden the perspective to other disciplines and try to identify the most commonly used methods and theoretical approaches. But we have also obtained individual portraits of the qualitative researchers in Switzerland with their preferences of theoretical approaches and methods, their expertise, their research and their teaching courses.
Practitioner-Research and the Regulation of Research Ethics: The Challenge of Individual, Organizational, and Social Interests
Titelübersetzung:Forschung von Praktikerinnen und Praktikern und die Regulierung von Forschungsethik: Widersprüche von individuellen, institutionellen und sozialen Interessen
Autor/in:
Coupal, Linda
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 6 (2005) 1, 12 S
Inhalt: Wenn fortgeschrittene Studenten und Studentinnen in Schulen forschen, bekommen sie es mit ethischen Regelwerken zu tun, die Widersprüche zwischen individuellen, organisatorischen und sozialen Interessen hervorheben. Dieser Beitrag befasst sich mit dem Problem von Praktikern und Praktikerinnen, die in den Bildungseinrichtungen, in denen sie beschäftigt sind, ethisch reflektierte Forschung durchführen wollen. Ich stelle dar, wie die Regulierung von Forschungsethik innerhalb von Macht/Wissens-Strukturen abläuft, die die Wissensproduktion behindern. Außerdem untersuche ich die politische Natur des moralphilosophischen Denkens dieser Behinderungen. Gegenwärtig dient der Regulationsprozess ethischer Bewertung von Humanforschung der Wahrung organisatorischer Interessen und dem Selbstschutz von Individuen. Ich schlage vor, dass eine stärkere Berücksichtigung der ethischen Prinzipien individueller Menschenwürde sowie von Gerechtigkeit und Einschluss aller Beteiligten eine moralische Grundlage für die Forschung von Praktikern und Praktikerinnen, die die Möglichkeiten sozialer Veränderungen in Schulen untersuchen wollen, bilden würde.
Inhalt: Graduate students who become practitioner-researchers in schools encounter ethical review regulations that highlight the contradictions among individual, organizational and social interests. This paper addresses the problem of practitioners who want to use ethical research methods within the educational organizations where they are employed. I identify how the regulation of research ethics works within networks of power/knowledge relations to restrict knowledge production, and I examine the political nature of the moral philosophical reasoning for these restrictions. In the current context, the regulatory process for the ethical review of human research provides a means for protecting organizational interests and for the self-protection of individuals. I propose that a greater emphasis on the ethical principles of individual human dignity, and justice and inclusiveness would provide moral ground for practitioner-researchers who want to explore the possibilities for social transformation in schools.
Schlagwörter:Forschungspraxis; research; Politik; human dignity; Frauenforschung; women's studies; research practice; Forschungsprojekt; Ethik; Schule; school; politics; ethics; Menschenwürde; research project; Action Research (Handlungsforschung); Macht/Wissen; ethics; action research; power/knowledge; politics; feminist research
SSOAR Kategorie:Forschungsarten der Sozialforschung
Das frühe homosexuelle Selbst zwischen Autobiografie und medizinischem Kommentar
Titelübersetzung:The Early Homosexual Self Between Autobiography and Medical Commentary
Autor/in:
Walter, Tilmann
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 6 (2005) 1, 24 S
Inhalt: Die Geschichte des frühen homosexuellen Selbst lässt sich in drei Phasen unterteilen: eine Zeit "latenter" Selbstzeugnisse, die bis ca. 1865 andauerte, dann eine Phase der Aktivierung des "homosexuellen" Wissens durch medizinische Experten und eine seit ca. 1895 andauernde Phase der zunehmenden Entmündigung dieser Stimme im Expertendiskurs. Um 1900 war Homosexualität als Verhalten bereits auf das "Skript" "homosexuelles Selbst" festgelegt: In den Augen der meisten Experten handelte es sich dabei um eine behandlungsbedürftige Krankheit, in den Augen der betroffenen Personen meistens nicht. In historischen Darstellungen werden "die Homosexuellen" deshalb häufig als Opfer medizinischer Machtausübung dargestellt. Hier soll demgegenüber argumentiert werden, dass sich Subjekte im Rahmen einer "flexiblen Normalisierung" selbst gesellschaftlichen Normen unterworfen haben. Historische Dokumente werden von mir mit Hilfe eines Modells der Persönlichkeitsentwicklung in der therapeutischen Beziehung interpretiert. Inzwischen hat die Einheitsanthropologie, die die Scientia sexualis anfangs geprägt hat, stark an Bedeutung verloren: Geschlecht und Sexualität gelten weithin als "Verhandlungssache", die Lebensweisen "heterosexueller" und "homosexueller" Männer – und inzwischen auch vieler berufstätiger Frauen – unterscheiden sich immer weniger deutlich. Von entscheidendem Einfluss scheint dafür der Wandel von der Produktions- hin zur Konsumtionsgesellschaft gewesen zu sein: "Die Homosexuellen" um 1900 können als "Avantgarde" des konsumistischen Habitus interpretiert werden.
Inhalt: The history of the "early homosexual self" can be divided into three phases: the time of "latent" autobiographies (until ca 1865), then the time of the activation of "homosexual knowledge" by medical experts and (since ca 1895) the time of silencing homosexual voices within experts' discourse. Around 1900 homosexual behavior was already bound to the "script" of the "homosexual" self and considered thereby a "disease" by most experts, what was not often confirmed by the people concerned. Within historical publications the "homosexuals" therefore were often presented as "victims" of medical science. I argue that subjects submitted themselves to valid social norms by "flexible normalization." Pertinent historical sources are interpreted in the light of a model for a personal development within therapeutical relationships. In the meantime, the unified anthropology of scientia sexualis has significantly lost importance: sexuality and gender are now considered to be "negotiated," and the difference in the lives of "heterosexual" and "homosexual" men—and of many working women—has become negligible. One can interpret this as an outcome of the change from a producing society to consuming society during the time when (ca 1900) the "homosexual" male functioned as a social "avant-garde.
Schlagwörter:homosexuality; 19. Jahrhundert; personality development; soziale Norm; gender; social construction; therapy; Selbstbild; self-image; Medizin; Fremdbild; medicine; social norm; stereotype; Biographie; soziale Konstruktion; Persönlichkeitsentwicklung; biography; Therapie; Homosexualität; nineteenth century; Geschichte der Homosexualität; Geschichte der Psychotherapie; history of homosexuality; history of psychotherapy
Fight for recognition : the portrait of the German physician Paula Tobias (1886-1970) ; a reconstructive biographical analysis
Titelübersetzung:Kampf um Anerkennung : Porträt der deutschen Ärztin Paula Tobias (1886-1970) ; eine rekonstruktive Biographieanalyse
Autor/in:
Lohfeld, Wiebke
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, Vol. 6 (2005) No. 3, 20 S.
Inhalt: "In dem vorliegenden Artikel wendet sich die Verfasserin einem bedeutsamen Aspekt von Biographie zu: den Ressourcen zur Aufrechterhaltung von Identität unter zugreifenden - und unterdrückenden - historischen und gesellschaftlichen Verhältnissen einerseits und andererseits der Frage, wie Identität ausgehend von einer Autobiographie rekonstruiert werden kann. Als Beispiel dient die Biographie der deutsch-jüdischen Ärztin Paula Tobias, die 1935 vor der nationalsozialistischen Verfolgung aus Deutschland geflohen ist. Die Rekonstruktion erfolgt auf der Grundlage ihrer Autobiographie und zusätzlich erhobener Daten, unter anderem Interviews mit Personen, die sie kannten, Urkunden, Wiedergutmachungsakten und Dokumenten der Universitäten, die Paula Tobias besuchte. Die Gesamtanalyse der Autobiographie und der weiteren Quellen bildet das Porträt einer der ersten deutsch-jüdischen Ärztinnen des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland. Während ihres gesamten Lebens kämpfte Paula Tobias für ihre Anerkennung, was sie insbesondere in ihrer Autobiographie zum Ausdruck bringt. Als ihr das NS-Regime die Anerkennung als Deutsche versagte, war es diese kämpferische Fähigkeit, die es ihr ermöglichte, ihre Identität als Deutsche aufrecht zu erhalten. Während die Verfasserin ihre gesamte Biographie entfaltet, wird ihr Weg des Kämpfens in ihren tiefen Überzeugungen begründet, die sie als junges Mädchen im Kampf um ihre Ausbildung, als junge Ärztin im Kampf um die Anerkennung der männlichen Kollegen und später als Deutsche im Kampf für ihre Rechte im NS-Regime entwickelte." (Autorenreferat)
Inhalt: "In this article the author intends to focus on one very crucial aspect of biography: the resources used to sustain identity under interfering - even depressing-historical and societal circumstances and how this identity is reconstructed from an autobiography. As an example, the author reconstructs the biography of a German-Jewish physician, Paula Tobias, who fled Germany in 1935 as a result of the National Socialist's politics of persecuting Jews. The reconstruction follows her autobiography and integrates further data that was collected, including interviews with persons who had been acquainted with Paula Tobias, civil registrations, reparation files and documents filed by those universities where Paula Tobias had studied. The analysis of the autobiography and the additional resources build the portrait of one of the first Jewish female physicians of the last century in Germany. Throughout her life she learned to fight for herself which is explicitly expressed in her autobiographical writing. When the NS regime refused to recognize her as German, it was her ability to fight that helped her to sustain her German identity. By unfolding the whole biography the author sketches her way of fighting as founded in the deep persuasions she developed as a young woman fighting for her education, as a young doctor fighting for recognition from other doctors and later as a German fighting for her rights under the NS-Regime." (author's abstract)
Learning From Flyy Girls: Feminist Research Ethics in Urban Schools
Titelübersetzung:Von schlauen Mädchen lernen: Feministische Forschungsethik an städtischen Schulen
Autor/in:
Scantlebury, Kathryn
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 6 (2005) 1, 8 S
Inhalt: Feministische Forschungsethik ist insbesondere an Fragen der Identität und Subjektivität – bezogen auf den Forscher/die Forscherin und auf das Forschungssubjekt – interessiert. Feministische Forschung will transformativ sein, indem sie sich mit Ungerechtigkeiten gegen Mädchen und Frauen beschäftigt. Im Falle von afrikanisch-amerikanischen Mädchen, die städtische Schulen besuchen, ereignen sich diese Ungerechtigkeiten innerhalb und außerhalb des Klassenraums.
Inhalt: Ethics for feminist researchers foreground issues of identity and subjectivity for the researched and researcher. Feminist research intends to be transformative by focusing on inequities that impact girls and women. For African-American girls in urban schools, those inequities occur out of and in the classroom.
Schlagwörter:research; Afrikaner; discrimination; North America; African; girl; Ethik; Mädchen; Schule; Diskriminierung; school; USA; Feminismus; ethics; Nordamerika; feminism; United States of America; feministische Forschung; städtische Schulen; ethische Überlegungen; feminist research; urban schools; ethical considerations
SSOAR Kategorie:Jugendsoziologie, Soziologie der Kindheit, Frauen- und Geschlechterforschung