Beschäftigungschancen von Geisteswissenschaftler*innen


Kategorien: Wissenschaftspolitik; Geschlechterverhältnisse; Wissenschaft Aktuell

Zwei - von der Gerda Henkel Stiftung geförderte -  Studien des Instituts der deutschen Wirtschaft und des Stifterverbandes haben sich aktuell mit Beschäftigungschancen und beruflichen Perspektiven von Geisteswissenschaftler*innen auseinandergesetzt.

Für die  Studie: "Bietet die Digitalisierung Beschäftigungschancen für Geisteswissenschaftler?" wurde eine Umfrage unter 1.100 Unternehmen durchgeführt. Es wurde deutlich: Bei stark digitalisierten Unternehmen ergeben sich keine vermehrten Beschäftigungschancen. "Unter diesen Unternehmen, die stark Beschäftigung aufbauen, signalisiert nur jedes zehnte einen steigenden Bedarf, knapp jedes vierte geht aber von einem sinkenden Bedarf an Geisteswissenschaftlern aus. Bei großen Digitalunternehmen sehen die Perspektiven besser aus als bei kleineren. Trotzdem bieten sich Geisteswissenschaftlern auch Chancen: Stark digitalisierte Unternehmen haben einen hohen Bedarf an Personen mit Kommunikations- und Kooperationskompetenzen und schreiben diese Kompetenzen in besonderem Maße Geisteswissenschaftlern zu. Aber nur wenn diese auch digitale Grundkenntnisse und Zusatzqualifikationen mitbringen, bieten sich ihnen zusätzliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt 4.0." 

Studie: Christiane Konegen-Grenier | Beate Placke | Mathias Winde:
Bietet die Digitalisierung Beschäftigungschancen für Geisteswissenschaftler?
Herausgegeben von Stifterverband und dem Institut für deutsche Wirtschaft (IW)
Gefördert durch die Gerda Henkel Stiftung, 26 Seiten, Erschienen im September 2019

Der IW-Report: "Geisteswissenschaftler auf dem Arbeitsmarkt"  fußt auf den Ergebnissen einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die von der Gerda Henkel Stiftung und dem Stifterverband gefördert wurde:

"Anhand der drei Indikatoren Anforderungsniveau der Tätigkeit, Häufigkeit von Führungs- und Aufsichtsaufgaben sowie Nettoeinkommen wurde die Adäquanz der Beschäftigung von Geisteswissenschaftlern gemessen. Danach sind sie insgesamt häufiger als der Durchschnitt der Akademiker inadäquat beschäftigt. Werden allerdings nur die in Vollzeit Erwerbstätigen betrachtet, dann erreichen sie nahezu ebenso häufig ein der akademischen Ausbildung entsprechendes Anforderungsniveau der Tätigkeit wie der Durchschnitt der Akademiker. Bei den Karrierepositionen und vor allem beim Einkommen sind die Unterschiede zwar größer, die Mehrheit der Geisteswissenschaftler findet sich aber ebenso wie die Mehrheit der Akademiker in einer mittleren Einkommensgruppe wieder."

Ausgewählte Ergebnisse:

"Mit einem Anteil von 8,2 Prozent an allen Studierenden und einem Anteil von 5,6 Prozent an allen rund neun Millionen erwerbstätigen Akademikern stellen die Geisteswissenschaftler ohne Berücksichtigung der Lehramtsabsolventen eine vergleichsweise kleine Gruppe in Studium und Beruf dar. Ihr markantester Unterschied zum Durchschnitt der Akademiker ist ihr hoher Frauenanteil, der wiederum in der Erwerbstätigkeit zu einem überdurchschnittlich hohen Anteil an zumeist freiwilliger Teilzeitbeschäftigung führt."  (S.3)

"Je nach persönlichen und beruflichen Merkmalen stellt sich die Adäquanz der in Vollzeit beschäftigten Geisteswissenschaftler unterschiedlich dar: Für Frauen, jüngere Erwerbstätige, Bachelor- und Masterabsolventen sowie für die in studienuntypischen Berufen und Branchen Beschäftigten fallen die Ergebnisse ungünstiger aus als für den Durchschnitt der Akademiker." (S.3)

"Mehrheitlich sind die erwerbstätigen Akademiker in Vollzeit beschäftigt. Bei den  Geisteswissenschaftlern liegt der Anteil der Teilzeitbeschäftigten mit rund 35 Prozent allerdings deutlich höher als in der Gesamtheit der Akademiker (22,4 Prozent). Das könnte an dem ebenfalls deutlich höheren Frauenanteil liegen, die weitaus häufiger in Teilzeit beschäftigt sind als die Männer. Von den Frauen mit Hochschulabschluss waren 2017 rund 37,7 Prozent in Teilzeit beschäftigt, bei den Männern mit Hochschulabschluss dagegen nur 9,8 Prozent (StatistischesBundesamt, 2018c)." (S.10/11)

"Männer mit einem geisteswissenschaftlichen Studienabschluss sind zu knapp 68 Prozent auf Expertenniveau beschäftigt, Frauen dagegen – auch wenn sie in Vollzeit beschäftigt sind - nur zu 54 Prozent. Bei ihnen ist nahezu jede Vierte nicht ausbildungsadäquat auf Fachkräfte- oder Helferniveau tätig, während dieser Anteil bei den Männern nur etwa halb so groß ist. Eine Erklärung für diese Unterschiede könnte sein, dass Frauen sich häufiger als Männer auf Stellen bewerben, für die eine akademische Ausbildung nicht erforderlich ist, wie eine Untersuchung zum Suchverhalten arbeitsloser Akademiker zeigt (Malin et al., 2019)." (S.23)

"Wie schon im Hinblick auf das Anspruchsniveau der Tätigkeit zeigen sich auch hinsichtlich der Führungs- und Aufsichtsfunktionen deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen, obgleich in beiden Gruppen nur die in Vollzeit tätigen berücksichtigt werden: Häufiger als weibliche Absolventen der Geisteswissenschaften übernehmen die Männer (41,4 Prozent gegenüber 29,5 Prozent) leitende Aufgaben und liegen damit noch nahe am Durchschnittswert für alle Akademiker." (S.26)

"Wie schon bei Anforderungsniveau und Führungsaufgaben sichtbar, unterscheiden sich Männer und Frauen auch im Hinblick auf das Gehalt. Geisteswissenschaftlerinnen erreichen deutlich weniger häufig die höchste Gehaltsklasse als Geisteswissenschaftler (7,0 Prozent gegenüber 17,2 Prozent). Gleichzeitig sind sie – trotz ausschließlich Betrachtung der in Vollzeit Erwerbstätigen – mit einem Anteil von 37,8 Prozent sehr viel häufiger als die Männer (24,1 Prozent) in der niedrigsten Einkommensgruppe vertreten. Weitere Analysen sind erforderlich, um diese großen Unterschiede zu klären. So könnte beispielsweise die Entscheidung für eine individuell ungünstige Steuerklasse im Rahmen des Ehegattensplittings bei verheirateten Geisteswissenschaftlerinnen eine Rolle spielen, da im Mikrozensus nur die Nettoeinkommen berücksichtigt werden." (S.31)

Studie: Christiane Konegen-Grenier:
IW-Report 32/19 Geisteswissenschaftler auf dem Arbeitsmarkt - Berufe, Branchen, Karrierepositionen
Gefördert von der Gerda Henkel Stiftung und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.
Erschienen am 4. September 2019

Quelle, weitere Informationen und Download der Studien: https://www.stifterverband.org/medien/future-skills-digitalisierung-geisteswissenschaftler