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Vielfaltsbarometer 2019: Gesellschaftliche Vielfalt in Deutschland überwiegend positiv bewertet


Kategorien: Diversity, Antidiskriminierung, Intersektionalität; Geschlechterverhältnisse; Statistik; Wissenschaft Aktuell

Eine repräsentative Studie der Robert Bosch Stiftung gibt Auskunft über die Einstellung der Bevölkerung zu verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen.

Gesellschaftliche Vielfalt ist in Deutschland gut akzeptiert. Die Mehrheit der Deutschen empfindet das Zusammenleben mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen als bereichernd und weniger als Gefahr. Gleichzeitig gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern und den unterschiedlichen Gruppen. So ist die Offenheit gegenüber Menschen mit Behinderung und nicht-heterosexueller Orientierung, aber auch gegenüber Menschen aus anderen Herkunftsländern sehr hoch, die Akzeptanz religiöser Vielfalt hingegen deutlich niedriger. Zu diesen Ergebnissen kommt das Vielfaltsbarometer 2019 der Robert Bosch Stiftung GmbH, das die Einstellung der Bevölkerung zu sieben gesellschaftlichen Gruppen auf Bundes- und Länderebene untersucht. Für die repräsentative Studie wurden deutschlandweit über 3.000 Personen befragt. Forscher der Jacobs University Bremen haben die Studie im Auftrag der Stiftung durchgeführt und die Ergebnisse mit vorhandenen soziodemografischen und sozioökonomischen Daten in Beziehung gesetzt. Das Vielfaltsbarometer bündelt die Ergebnisse in einem Vielfaltsgesamtindex. Auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten liegt der Mittelwert für die Akzeptanz von Vielfalt in Deutschland aktuell bei 68 Punkten und damit klar im positiven Bereich.

Akzeptanz von Menschen mit Behinderung besonders hoch

Neben regionalen Unterschieden zeigt das Vielfaltsbarometer, in welchen Bereichen Vielfalt mehr oder auch weniger akzeptiert ist. So stehen die Deutschen Menschen mit Behinderung (83 Punkte) und nicht-heterosexueller Orientierung (77 Punkte), aber auch Menschen mit anderer ethnischer Herkunft (73 Punkte) sehr offen gegenüber. Auch bei Menschen eines anderen Lebensalters (70 Punkte) oder eines anderen Geschlechts (69 Punkte) ist die Akzeptanz hoch. Die größten Vorbehalte gibt es gegenüber sozioökonomisch Schwachen (58 Punkte) und gegenüber Religion und religiöser Vielfalt (44 Punkte).

„Beim Thema Religion ist die deutsche Bevölkerung zerrissen“, sagt Professor Klaus Boehnke von der Jacobs University Bremen. „Allerdings legen die Ergebnisse nahe, dass es sich dabei nicht um ein Votum zu einzelnen Religionen wie dem Islam handelt. Vielmehr zeigt sich in der geringen Zustimmung eine allgemeine Distanz gegenüber religiösen Lebensweisen und Traditionen.“

West-Ost und Nord-Süd Gefälle

Der bundesweite Vergleich zeigt sowohl ein relativ deutliches West-Ost als auch ein Nord-Süd Gefälle. Besonders offen gegenüber Vielfalt sind die Menschen in Hamburg (72 Punkte), Schleswig-Holstein (71 Punkte), Bremen (71 Punkte), Berlin (71 Punkte) und Niedersachsen (70 Punkte). Im Mittelfeld finden sich die verbleibenden Länder der alten Bundesrepublik. Skeptischer gegenüber Vielfalt zeigen sich die Bürgerinnen und Bürger in den ostdeutschen Bundesländern, die mit Punktzahlen zwischen 65 und 61 Punkten die hinteren Plätze im Ranking einnehmen.

Mentalität und persönliche Einstellung entscheidend

Die Studie zeigt, dass vor allem individuelle und persönliche Aspekte für die Akzeptanz von Vielfalt entscheidend sind. Je mehr sich Menschen von anderen Gruppen bedroht fühlen, desto geringer fällt die Zustimmung aus. Ist hingegen die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, stark ausgeprägt, liegt die Akzeptanz höher. Zudem gibt es eine deutliche Korrelation zwischen Offenheit, politischer Überzeugung und Einstellung zur Globalisierung. Je stärker sich Menschen politisch links verorten und die Globalisierung als Bereicherung sehen, desto besser ist es um die Vielfaltsakzeptanz bestellt. Ökonomische und strukturelle Faktoren wie der eigene Wohlstand oder die Arbeitslosenquote in der Region sind hingegen nachrangig.

Akzeptanz von Vielfalt stärkt gesellschaftlichen Zusammenhalt

Darüber hinaus belegt das Vielfaltsbarometer, dass neben dem Vertrauen in Institutionen und Mitmenschen die Akzeptanz von Vielfalt eine entscheidende Stellschraube ist, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Dort, wo Vielfalt akzeptiert wird, ist auch der gesellschaftliche Zusammenhalt stärker und umgekehrt. „Nicht Vielfalt an sich ist die Herausforderung für gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern die Frage, wie wir mit ihr umgehen“, sagt Sandra Breka, Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung. „Die Daten des Vielfaltsbarometers sprechen dafür, dass der konstruktive Umgang mit Vielfalt erlernbar ist. Vor allem persönliche Begegnungen können die Empathie stärken und das Unbehagen gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen abbauen.“

In der Nachbarschaft große Offenheit für Vielfalt

Begegnungen in der Nachbarschaft kommt eine große Bedeutung zu. Hier stehen die meisten Menschen beispielsweise Homosexuellen, Sozialhilfeempfängern oder religiösen Moslems noch einmal deutlich offener gegenüber, als die allgemeine Einstellung zu diesen Gruppen vermuten lässt. „Die Zivilgesellschaft kann es sich zur Aufgabe machen, solche Begegnungen zu initiieren. Nicht weniger bedeutend ist aber die Rolle von Politik und Medien, die durch ihre Art der Kommunikation den Grundton legen, wie über gesellschaftliche Vielfalt in Deutschland gesprochen wird“, so Breka.

Über die Studie „Zusammenhalt in Vielfalt – das Vielfaltsbarometer 2019“

Das Vielfaltsbarometer der Robert Bosch Stiftung ist eine repräsentative Befragung zum Thema „Gesellschaftliche Vielfalt und Zusammenhalt“. Es liefert Daten über die Meinung der Befragten zu den Vielfaltsdimensionen Lebensalter, Geschlecht, Behinderung, sexuelle Orientierung, ethnische Herkunft, Religion und sozioökonomischer Status. Die Ergebnisse wurden mit vorhandenen soziodemografischen und sozioökonomischen Daten in Beziehung gesetzt, um Aussagen darüber treffen zu können, welche individuellen und strukturellen Faktoren die Akzeptanz von Vielfalt erhöhen.

Die Daten für das Vielfaltsbarometer wurden zwischen Mai und Juli 2018 erhoben. Dafür wurden bundesweit 3.025 Personen ab 16 Jahren telefonisch zu ihren Meinungen und ihrem Verhalten gegenüber verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen befragt. Die Datenerhebung erfolgte durch infas – Institut für angewandte Sozialwissenschaft aus Bonn, die wissenschaftliche Begleitung des Vorhabens übernahm die Jacobs University Bremen.

Weitere Informationen

Quelle: PM - Robert Bosch Stiftung, 04.04.2019