Reproduction and the Good Life – Intersectional Perspectives

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Workshop am 29. - 30. Juni 2023 Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Universitätsmedizin Göttingen Organisation: Isabella Marcinski-Michel, Claudia Wiesemann, Forschungsgruppe „Medizin und die Zeitstruktur guten Lebens“ (DFG 5022) 

Call: 

"Das Konzept der Intersektionalität erhält in der internationalen bioethischen Forschung zur Reproduktionsmedizin zunehmend Aufmerksamkeit (de Proost 2021, Fletcher et al 2021, Harwood 2018, Munthe 2018), wenn auch weiterhin nur marginal. Theorien der Intersektionalität verweisen darauf, dass Ungleichheit produzierende soziale Strukturkategorien - wie Gender, Schicht, Alter, Disability, Race/Ethnizität und LGBTQ+ - ineinander verschränkt sind und in einer Wechselwirkung stehen. Für die Medizinethik generell sowie auch speziell die Ethik der Reproduktionsmedizin bedeutet dies, dass sie die von ihnen thematisierten ethischen Konflikte kontextualisieren und berücksichtigen sollte, inwiefern sie in historischen, politischen und sozialen Strukturen und damit verbundenen Normen eingebunden sind. 

In der deutschsprachigen Medizinethik stehen Überlegungen zur Reproduktionsmedizin, die mit dem Konzept der Intersektionalität arbeiten, noch am Anfang; hier besteht ein offensichtliches Forschungsdesiderat. Dies birgt das Risiko unvollständiger Analysen bezüglich Fragen der reproduktiven Gerechtigkeit. Das Konzept der Intersektionalität verweist auch auf die Frage, wer in den Debatten zur Ethik der Reproduktionsmedizin als reproduktives Subjekt adressiert wird - und wer nicht. Welche Vorstellungen guten Lebens und angemessener Zeitlichkeit bezüglich Fortpflanzung werden in der medizinethischen Literatur als Norm gesetzt? Wessen Vorstellungen guten Lebens werden ausgeschlossen, indem sie nicht thematisiert werden oder gar abgewertet?

Ansätze zur Intersektionalität ermöglichen eine umfassendere Analyse des Einflusses von historisch gewachsenen sozio-politischen Strukturen auf reproduktive Entscheidungen und damit verbundenen ethischen Konflikten. So beruhen reproduktive Freiheiten und Möglichkeiten auf Privilegien, beispielsweise werden Technologien wie das Social Egg Freezing primär von weißen, sozio-ökonomisch besser gestellten Frauen in Anspruch genommen (Harwood 2018, de Proost 2021). In der (feministischen) bioethischen Debatte um Leihmutterschaft lassen sich postkoloniale Vorurteile ausmachen (Khader 2013) und schließlich kann durch Rekurs auf intersektionale Ansätze eine pauschalisierende Verbindung von Behinderung und Benachteiligung kritisch Infrage gestellt werden, da eine Behinderung für Betroffene ganz unterschiedliche Folgen haben kann (Munthe 2018).

Im Rahmen der DFG-Forschungsgruppe „Medizin und die Zeitstruktur guten Lebens“ wollen wir mit einem zweitägigen Workshop dazu beitragen, den Stand der gegenwärtigen Debatte zu intersektionalen Perspektiven in der Ethik der Reproduktionsmedizin im deutschsprachigen Raum abzubilden und voranbringen. Wir freuen uns auf Vorträge, in denen normalistische Konzeptionen guten Lebens und angemessener Zeitlichkeit bezüglich Fortpflanzung vergleichend diskutiert werden. Dabei sollen die Debatten in der Ethik der Reproduktionsmedizin und deren zentrale Hintergrundannahmen kritisch reflektiert werden.

Mögliche Themen und Fragestellungen sind:

  •  Kontextualisierung von Vorstellungen guten Lebens und angemessener Zeitlichkeit bezüglich Fortpflanzung entlang der Achsen von Gender, Disability, Alter, Schicht, LGBTQ+, Race/Ethnizität
  •  Die bisher in der Ethik der Reproduktionsmedizin marginalisierte Perspektive von Männern bezüglich Reproduktion
  •  Welche Grenzen hat das Konzept der Intersektionalität für das Themenfeld der Ethik der Reproduktionsmedizin?
  •  Welche Konsequenzen hat eine intersektionale Perspektive auf ethische Fragen, die sich bezüglich reproduktiver Entscheidungen von Menschen mit Behinderung ergeben sowie der Geburt eines möglicherweise behinderten Kindes?

Der Call ist bereits abgelaufen.