Inhalt: Prof. Dr. Regine Graml, Professorin für Betriebswirtschaftslehre, Personalmanagement und Organisation am Fachbereich Wirtschaft und Recht der Frankfurt UAS, hat in der Studie mit ihrem Kollegen Prof. Dr. Tobias Hagen, Professor für Volkswirtschaftslehre und Quantitative Methoden, auf zwei wissenschaftliche Methoden gesetzt: ein Korrespondenzexperiment und eine Online-Befragung.
In einem Korrespondenzexperiment wurde mittels fiktiver Bewerbungen untersucht, wie sich die Einstellungschancen verändern, wenn die Bewerbung Hinweise auf die sexuelle Orientierung ‚lesbisch‘ enthält (beispielsweise durch Angabe des Familienstands „eingetragene Lebenspartnerschaft“). Insgesamt wurden 294 identische Bewerbungen verschickt, jeweils zur Hälfte für die lesbische und die heterosexuelle Bewerberin. Hier zeigten sich Tendenzen zur Diskriminierung lesbischer Bewerberinnen im Vergleich zu heterosexuellen Bewerberinnen, beispielsweise durch ein Drittel weniger positive Rückmeldungen (wie Einladungen zu Interviews, Nachfragen oder alternative Stellenangebote).
„Diese Tendenz zur Diskriminierung der lesbischen Bewerberin im Vergleich zur heterosexuellen Bewerberin ist vor dem Hintergrund erstaunlich, dass die heterosexuelle Bewerberin verheiratet und kinderlos ist“, erläutert Graml. „Nach heteronormativen Vorstellungen ist bei einer jungen, heterosexuellen, verheirateten Frau in absehbarer Zeit mit einer kinderbedingten Erwerbsunterbrechung und eventuell längerfristig reduzierter Arbeitszeit und mehr Ausfalltagen zu rechnen.“ Ablehnung einer homosexuellen Bewerberin trotz stereotyp anzunehmender geringerer Mutterwahrscheinlichkeit – laut Graml ist dies ein Hinweis auf eine Diskriminierungsneigung gegenüber lesbischen Bewerberinnen. Diesen Befund bestätigen auch andere europäische Studien, wie die Meta-Studie „Society at a Glance 2019“² der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) belegt hat.
Mittels einer Online-Befragung wurde zudem stichprobenartig untersucht, inwiefern sich die Erfahrungen von lesbischen und heterosexuellen Frauen im Erwerbsleben unterscheiden. Dazu wurden die Antworten von 1.952 Befragten (713 lesbisch, 1.239 heterosexuell) inhaltlich ausgewertet. Hier zeigte sich, dass mit 78 Prozent aller Frauen eine deutliche Mehrheit aufgrund ihres Geschlechts im Berufsleben benachteiligt worden ist. Von den lesbischen Frauen berichteten zudem 51 Prozent, dass sie Diskriminierungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung erlebt haben, 35 Prozent selten, 16 Prozent häufig. Eine wesentliche Erkenntnis der Befragung ist, dass lesbische Frauen häufige Diskriminierung am Arbeitsplatz öfter aufgrund ihres Geschlechts erfahren (38 Prozent) als aufgrund ihrer sexuellen Identität (16 Prozent).
Und: Lesbische Frauen, die nicht out sind, geben häufiger Diskriminierungserfahrungen etwa durch homofeindliche Kommentare an als Frauen, die out sind. Dabei wurde deutlich: Diejenigen lesbischen Frauen, die out waren, waren zufriedener mit ihrer Situation als die Frauen, die nicht out waren. „Ein Coming-out am Arbeitsplatz kann also die Lebenszufriedenheit erhöhen“, resümiert Graml. Eine wichtige Determinante für das Coming-out am Arbeitsplatz sind der Studie zufolge LSBTIQ*-Netzwerke und Diversity-Maßnahmen im Unternehmen. Graml: „Sind diese Maßnahmen im Betrieb vorhanden, steigert das die Wahrscheinlichkeit für eine explizit-out-Strategie um ca. 19 Prozentpunkte.“
Diese Erkenntnis greifen die Autorinnen und Autoren auch in der Broschüre auf, indem sie auf Grundlage der Studienergebnisse Handlungsempfehlungen geben, wie Unternehmen und Organisationen Diskriminierungen im Berufsleben effektiv vorbeugen und eine LSBTIQ*-freundliche Arbeitsumgebung schaffen können. Litwinschuh-Barthel: „Insofern freuen wir uns sehr, dass wir jetzt gemeinsam Ergebnisse der Studie in Form einer Broschüre veröffentlichen und dazu beitragen können, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu bestärken, sich für mehr Diversität im Berufsleben aktiv zu engagieren.“
Schlagwörter:Arbeitswelt; Befragung; Bewerbung; Diskriminierung; Experiment; intersektionale Perspektive; Intersektionalität; lesbische Frau; quantitative Analyse; Sexismus
CEWS Kategorie:Arbeitswelt und Arbeitsmarkt, Diversity, Geschlechterverhältnis
Dokumenttyp:Graue Literatur, Bericht