Quelle: Reflexive Erziehungswissenschaft: Forschungsperspektiven im Anschluss an Pierre Bourdieu. Barbara Friebertshäuser (Hrsg.), Markus Rieger-Ladich (Hrsg.), Lothar Wigger (Hrsg.). Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwiss., 2009, S. 211-228
Inhalt: Der Aufsatz zum pädagogischen Forschungsbereich der reflexiven Erziehungswissenschaft beschäftigt sich mit dem Beitrag von Pierre Bourdieu zur Entwicklung der Frauen- und Geschlechterforschung. Für die eher sozialwissenschaftlich orientierten Frauen- und Genderforscherinnen stellt Bourdieus Werk eine Herausforderung dar. Dies wird im ersten Abschnitt an den Debatten über die Sozialisationsforschung gezeigt. Bourdieus Habitusbegriff bietet hier eine grundlegende Bereicherung, während seine Analyse männlicher Herrschaft kontrovers diskutiert wird. Der zweite Abschnitt beleuchtet, inwiefern die 'Illusion der Chancengleichheit' von Bourdieu/Passeron (1971) Untersuchungen des Zusammenhangs von sozialer Herkunftskultur, Geschlecht und ungleichen Bildungs-, Studien-, Studienfach- und Berufschancen inspiriert. Frauen- und Geschlechterforscherinnen nutzen das Analyseinstrument vor allem zur Erforschung des Weiterwirkens der sozialen Herkunft in die Hochschule hinein sowie allgemeiner für Antworten auf die Frage nach der Reproduktion von Geschlechterverhältnissen im Wissenschaftsbetrieb. Im Bereich der erziehungswissenschaftlichen Genderforschung, die sich mit schulischen und außerschulischen Arbeitsfeldern befasst, existieren bis heute wenige empirische Untersuchungen, die explizit mit dem Bourdieuschen Theorieansatz arbeiten. Dennoch lassen sich hierzu im dritten Abschnitt drei Studien vorstellen, die Bourdieus Denkwerkzeuge in diesem Kontext gewinnbringend einsetzen. Die Forschungsprojekte untersuchen (1) die Heterogenität im Schulalltag, (2) Männlichkeiten im gymnasialen Alltag sowie (3) Mädchen in einem Jugendverband. Abschließend lässt sich für die Frauen- und Geschlechterforschung fragen, ob und welche Modifikationen notwendig sind, um Bourdieus Ansätze stärker in erziehungswissenschaftliche Kontexte einzubringen. (ICG2)
Quelle: Handbuch Sozialisationsforschung. Klaus Hurrelmann (Hrsg.), Matthias Grundmann (Hrsg.), Sabine Walper (Hrsg.). Weinheim: Beltz (Pädagogik), 2008, S. 240-253
Inhalt: Der Beitrag wendet sich dem Verhältnis von Geschlecht und Sozialisation zu. Geschlechter werden als dichothom und oppositionell dargestellt, als "männlich" und "weiblich". Der Artikel arbeitet heraus, dass die Geschlechtsidentität hingegen nichts "Naturgegebenes" ist, sondern im Verlauf des Aufwachsens sozial konstruiert wird. Bestimmte Verhaltensweisen werden als "männlich" oder "weiblich" definiert, damit ist auch ein bestimmter "Habitus" verbunden, also Standards für Verhalten und Benehmen. Es wird hervorgehoben, dass "Geschlecht" somit keine "individuelle Eigenschaft" des Subjekts ist; andererseits wird geschlechtlicher "Habitus" nur im Handeln des Individuums aktualisiert und bestätigt, ist also nichts dem Handeln der Akteure Externes. Durch die gesellschaftliche Konstruktion bipolarer Geschlechtlichkeit ("männlich" oder "weiblich") werden jedem Geschlecht bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, andere hingegen als "untypisch" ausgeschlossen. Jedes der beiden Geschlechter existiert nur in Relation und Abgrenzung zum anderen. Der Beitrag vertritt die Auffassung, dass die "herrschende" Geschlechterordnung durch "schwule" und "lesbische" Ansprüche und Forderungen untergraben wird. Der Artikel wendet sich dann dem "Kinderspiel" zu, das "Geschlechterdifferenz" in Szene setzt. Jungen befürworten in der Regel Rivalitäts-orientierte Wettkampfspiele, die an äußeren, festen Regeln orientiert sind. Mädchen erwärmen sich hingegen eher für auf Kooperation, Gemeinsinn und Verkleidung basierende Spielformen. Der Beitrag diskutiert dann geschlechterbezogene Differenzen in jugendlichen Peer-Beziehungen und wendet sich danach der Problematik von Gewalt in der "Konstruktion von Männlichkeit" zu. Abschließend wird "doing gender" besprochen, die Realisierung und Aktualisierung von Geschlechtsstereotypen im Jugendalter. Bestimmte "Lebensstile" werden eher Männern zugeschrieben, andere eher Frauen. Überraschend ist vielleicht, dass die bürgerliche Mittelschicht stärker an dichothomisierten Geschlechterrollen festhält als Vertreter aus dem "Arbeitermilieu". Eine veränderte alltägliche Lebensführung kann möglicherweise zu einer Aufweichung starrer Geschlechtergrenzen beitragen. (ICB)
CEWS Kategorie:Bildung und Erziehung, Geschlechterverhältnis, Frauen- und Geschlechterforschung
Dokumenttyp:Sammelwerksbeitrag
Einführung in Genderstudien
Titelübersetzung:Introduction to gender studies
Autor/in:
Faulstich-Wieland, Hannelore
Quelle: Opladen: Leske u. Budrich (Einführungstexte Erziehungswissenschaft, Bd. 12), 2006, 2., durchges. Aufl.. 232 S.
Inhalt: "Der Schwerpunkt dieses Einführungsbandes soll auf dem Verständnis von 'Frauenstudien' als speziellem Studienangebot mit dieser bzw. ähnlicher Bezeichnung liegen - zugleich soll als einheitlicher Terminus von Genderstudien gesprochen werden, außer wenn auf explizite Angebote mit einer anderen Bezeichnung eingegangen wird. Es soll darum gehen, wie solche Studien aussehen, wo sie angeboten werden, welches ihre Inhalte sind, u.ä. Dazu wird zunächst einmal die Entwicklung in den USA betrachtet, weil es dort eine lange Tradition von Women's Studies gibt. Der Einführung von Genderstudien in Deutschland gingen allerdings auch bereits vielfältige Aktivitäten voraus, die unter dem Begriff 'Frauenforschung' firmierten. Diese beanspruchten die Entwicklung von 'Frauenwissenschaft und Frauenstudien als radikale Wissenschaftskritik' (Büchner 1984). Ihre Realisierung beinhaltete vor allem drei Aspekte: Zum einen gab es auf der theoretischen und forschungspraktischen Ebene Ansätze, der Bedeutung von Geschlecht nachzuspüren - den Androzentrismus, d.h. die 'männliche' Sicht der Dinge zu verändern. Zum zweiten wurden die so gewonnenen Erkenntnisse auch in Lehrveranstaltungen umgesetzt, gab es also ein Studienangebot in verschiedenen Fächern oder auch quer zu ihnen. Schließlich gab es finanzielle Sonderprogramme, mit deren Hilfe Professuren für Frauenforschung eingerichtet wurden - und als viertes sollte man erwähnen, dass auch einige Denominationen (Aufgabenbeschreibungen) von 'normalen' Professuren (solchen, die nicht aus Sondermitteln finanziert wurden) als Teilgebiet ihrer Aufgaben 'Aspekte der Frauenforschung' erhielten bzw. einige Professorinnen und mittlerweile auch Professoren solche Aspekte als Schwerpunkte ihrer Arbeit benennen. Damit haben wir weitere Hinweise für diese Einführung benannt, worüber zu informieren wäre: Welche theoretischen Entwicklungen der Frauenforschung hat es gegeben, und zwar insbesondere im Rahmen der Erziehungswissenschaft? Wie hat sich die Institutionalisierung vollzogen? Die Institutionalisierung von Frauenforschung und die Etablierung von Genderstudien hängen natürlich miteinander zusammen, weil spätestens die Einrichtung von Professuren es mit sich bringt, deren Wichtigkeit auch durch die Festlegung von Studien- und Prüfungsordnungen zu belegen. Von Anfang an ging es den Frauen, die sich an der Entwicklung der Frauenforschung beteiligten, jedoch nicht nur um die Veränderung der Inhalte von Wissenschaft, sondern auch um eine Kritik an den herrschenden Vermittlungsformen. Die 'radikale Wissenschaftskritik' beinhaltet die Forderung nach einer Veränderung des Wissenschaftsbetriebes überhaupt, d.h. sowohl der Inhalte wie der Lehr- und Lernformen. Was damit gemeint ist, müsste ebenfalls in einer Einführung thematisiert werden." (Textauszug)
Das Geschlechterthema an einem österreichischen Gymnasium mit monoedukativer Tradition : erste Ergebnisse einer wissenschaftlichen Begleitung
Titelübersetzung:The gender topic at an Austrian secondary school (Gymnasium) with a monoeducational tradition : initial results of evaluation research
Autor/in:
Faulstich-Wieland, Hannelore
Quelle: Gender methodologisch: empirische Forschung in der Informationsgesellschaft vor neuen Herausforderungen. Sylvia Buchen (Hrsg.), Cornelia Helfferich (Hrsg.), Maja S. Maier (Hrsg.). Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwiss., 2004, S. 231-246
Inhalt: Wie kann man die Bedeutung, die Geschlecht für die Akteure hat, erforschen, ohne sie von vornherein vorauszusetzen und damit möglicherweise zu reifizieren? Das ist die zentrale Frage der aktuellen Genderforschung und auch Hauptgegenstand des vorliegenden Beitrags. Dazu wird anhand einer laufenden wissenschaftlichen Begleitung des 7. Jahrgangs eines österreichischen Gymnasiums aufgezeigt, wie die Autoren versucht haben, das Problem methodisch zu lösen: nämlich herauszufinden, welche Bedeutung Geschlecht im schulischen Alltag für die Schülerinnen und Schüler hat, "ohne direkt danach zu fragen". Die Aufgabe für die wissenschaftliche Begleitung lautet damit herauszufinden, inwieweit ein "dramatisierender" Kontext (nämlich eine über das Geschlecht definierte Organisationsform, in diesem Fall die Mädchenklasse) eine "Entdramatisierung" von Geschlecht möglich macht, d.h. ob die monoedukative Organisationsform dazu beiträgt, Geschlechterstereotypien zu vermeiden, bzw. Strategien zu entwickeln, diese abzubauen. Eine "Entdramatisierung" durch den "Wegfall" des männlichen Geschlechts lässt sich nicht nachweisen. Monoedukative Kontexte ersparen nicht die Reflexion darüber, welche Bedeutung dem Geschlecht zukommen soll - koedukative Kontexte natürlich auch nicht. Dies begründet insgesamt die Forderung nach einer "reflexiven Koedukation". (ICA2)