"Umgekehrte Welt"? Macht, Sexualität und Geschlechterhierarchie im Fastnachtsspiel des späten Mittelalters
Titelübersetzung:"Opposite world"? Power, sexuality and gender hierarchhy in Shrovetide plays during the late Middle Ages
Autor/in:
Roth, Margit
Quelle: Psychologie und Gesellschaftskritik, 21 (1997) 3/4, S 99-117
Inhalt: Die literarische Gattung "Fastnachtsspiel" war im Mittelalter eine beliebte Spielform, die in den Wochen vor Beginn der Fastenzeit insbesondere in Handwerker-Kreisen zur Aufführung kam. Inhaltlich setzt man sich im Fastnachtsspiel mit dem Herrscher-Bürger Verhältnis, der Kirche und der Sexualität auseinander. Während die gängigen Herrschaftsstrukturen im Fastnachtsspiel kritisiert und pervertiert wurden, wurde das Geschlechterverhältnis bestätigt. Anhand eines Vergleichs der Lebensrealität von Frauen im Mittelalter, ihrem sozialen und rechtlichen Status und der Darstellung der Frau im Fastnachtsspiel wird aufgezeigt, wie sich das bestehende Geschlechterverhältnis durch sexuelle Metaphern, durch Spott und Hohn fortschreibt. Eine "umgekehrte Welt", wie sie im Fastnachtsspiel entworfen werden soll, spart den Aspekt der Geschlechterhierarchie folglich aus.
Schlagwörter:Literatur; gender relations; gender; Macht; Hierarchie; middle ages; domination; power; playing; life situation; sexuality; sozialer Status; Sexualität; woman; Geschlechterverhältnis; Lebenssituation; hierarchy; literature; Herrschaft; Spiel; Mittelalter; social status
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Sozialgeschichte, historische Sozialforschung
Ungewöhnliche Homosexuelle: Schwulsein ohne die community
Titelübersetzung:Unusual homosexuals: being gay without the community
Autor/in:
Biechele, Ulrich
Quelle: Psychologie und Gesellschaftskritik, 21 (1997) 3/4, S 135-150
Inhalt: Aus fast dreißig Jahren Schwulenforschung ist das Bild des "gewöhnlichen Homosexuellen" überliefert. Das ist ein gut ausgebildeter, beruflich integrierter Mann im Alter von 20 bis 40, vielleicht 50 Jahren, der in einer Großstadt lebt, sich klar als homosexuell definiert und mehr oder weniger intensiv in der schwulen Subkultur bewegt. Dieser Blick aus der Perspektive der Mittelschicht trügt jedoch. Gerade schwule Männer aus der Unterschicht leben häufig im Windschatten dieser gay community und halten Distanz zu ihren Einrichtungen. Der entsprechende Lebensstil ist ihnen zu kostspielig, die Moden zu exzentrisch, die Kommunikationsrituale zu undurchsichtig. Wichtiger ist es, in der heterosexuellen Umwelt nicht aufzufallen und an Orten, die eindeutig der sexuellen Kontaktaufnahme dienen, sexuelle Befriedigung zu finden und personale Begegnungen zu erleben.
Quelle: Psychologie und Gesellschaftskritik, 21 (1997) 3/4, S 119-133
Inhalt: Obwohl lesbische Sexualität ohne Männer stattfindet, sind maskuline Stilisierungen und phallische Phantasien oftmals Bestandteile lesbischer Identität und Sexualität. In der theoretischen Auseinandersetzung werden maskuline Stilisierungen oder phallische Phantasien entweder verurteilt, in ihrer Wichtigkeit marginalisiert, gar nicht thematisiert oder vorsichtig und mißtrauisch diskutiert. Ganz im Gegensatz dazu zeigt lesbische Pornographie stolz und lustvoll den lesbischen Phallus. Um die Bedeutung des lesbischen Phallus zu verstehen und nicht in der Spaltungsdynamik zwischen den einander entgegenstehenden Entwürfen 'richtiger' lesbischer Sexualität zerrissen zu werden, ist es wichtig, das 'Phallische' oder das 'Maskuline' als Symbolisierung aktiven Begehrens zu begreifen. In einer durch patriarchale Definitionsmacht strukturierten Gesellschaft gibt es noch keine Begriffe, die das lesbische Begehren angemessen ausdrücken können. Jedoch will ich zeigen, daß auch das, was in der lesbischen, sexuellen Szene als 'maskulin' oder 'phallisch' bezeichnet wird, natürlich ein zutiefst weibliches Erleben ist.
Das transsexuelle Schneiden als Symptom des zweigeschlechtlichen Weltbildes
Titelübersetzung:Transsexual cutting as a symptom of the hermaphroditic image of the world
Autor/in:
Schachl, Tonia
Quelle: Psychologie und Gesellschaftskritik, 21 (1997) 3/4, S 151-174
Inhalt: Transsexuelle, die sich der geschlechtsangleichenden Operation unterziehen wollen, versuchen, einen seelischen Konflikt körperlich zu beseitigen. Sie privatisieren mit dieser rigiden Ordnung ihres Körpers in die konventionellen Schablonen aber auch das gesellschaftliche Problem der Geschlechterdichotomisierung, funktionieren somit als SymptomträgerInnen und entheben die Normalen bis zu einem gewissen Grad der Konfrontation damit. Je unauffälliger die Transsexualität in Richtung (Trans-)Normalität verschwindet, desto besser können sich die Betroffenen in die Gemeinschaft integrieren. Je auffälliger - transsozial sichtbarer - sie sind, desto geringer ist die soziale Akzeptanz, nicht nur bei Normalen, sondern gerade auch bei den erfolgreich normalisierten zurechtgeschnittenen Transsexuellen. Diese Tendenz zur Anpassung, die einen Operationssog bewirkt, wird durch die öffentlichen Bilder der Medien subtil gefördert aber auch gespiegelt.
Schlagwörter:gender relations; transsexualism; social recognition; surgery; soziale Anerkennung; soziale Integration; social integration; Transsexualität; gender role; mental conflict; Geschlechtsrolle; Geschlechterverhältnis; Akzeptanz; acceptance; Operation; psychischer Konflikt
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Sonstiges zur Soziologie
Psychologie - zwischen sex und gender oder geschlechtslos?
Titelübersetzung:Psychology - between sex and gender or asexual?
Autor/in:
Moré, Angela
Quelle: Psychologie und Gesellschaftskritik, 21 (1997) 3/4, S 7-30
Inhalt: Die Autorin stellt die verschiedenen traditionellen Ansätze zur Sichtweise der Geschlechter in der Psychologie vor und thematisiert anhand von Beispielen die Konsequenzen, die die vermuteten Unterschiede und deren Bewertungen einerseits, die Nichtbeachtung soziokultureller Einflüsse andererseits haben. Mit Bezug auf neuere psychoanalytische und neurobiologische Forschungen wird die Hypothese entwickelt, daß aufgrund der integrativen Wechselbeziehungen zwischen Körperwahrnehmungen, Affekten und kognitiven Prozessen die kulturell verbreiteten Feststellungen und Werturteile über die Geschlechter (ebenso wie die unterschiedlichen realen Lebensbedingungen) auf das affektive Erleben und Selbsterleben der Individuen Einfluß nehmen und so tatsächlich auch zur Konstituierung manifester Geschlechterdifferenzen beitragen.
Die Verwilderung des Patriarchats in der Postmoderne
Titelübersetzung:The decadence of the patriarchy in the post-modern age
Autor/in:
Scholz, Roswitha
Quelle: Psychologie und Gesellschaftskritik, 21 (1997) 3/4, S 31-51
Inhalt: In dem Text wird behauptet, daß es in der fortgeschrittenen Postmoderne vor dem Hintergrund ökonomischer und globaler Entwicklungen zur Ausbildung von Flexi-Zwangsidentitäten kommt, die sich unter Aufrechterhaltung der Geschlechterhierarchie für Männer und Frauen jeweils anders darstellen. Mehr noch: Es werden Tendenzen einer Verwilderung des Patriarchats im Weltmaßstab deutlich. Eine weitere These ist, daß prominente Theoriekonzepte im Feminismus diese neuen postmodern-patriarchalen Geschlechterverhältnisse affirmieren.
Richtige Männer: eine Analyse männlicher Identitäten im Lichte der Theorie Bourdieus
Titelübersetzung:Proper men: an analysis of masculine identities in the light of Bourdieu's theory
Autor/in:
Zemann, Armin
Quelle: Psychologie und Gesellschaftskritik, 21 (1997) 3/4, S 53-76
Inhalt: Theorien zur Entstehung und Veränderbarkeit geschlechtlicher Identität werden aufeinander bezogen und auf ihre Erklärungskraft hin untersucht. Der Bourdieusche Begriff des "sozialen Habitus" wird auf männliche Identitäten in verschiedenen Kulturkreisen bezogen. Ausgehend von einer konstruktivistischen Position arbeitet der Autor unter Bezugnahme auf materialistische Theorien Grenzen des "Spiels mit dem Geschlecht" heraus.
Titelübersetzung:I Judith - you Jane? In the jungle of discourses
Autor/in:
Kühner, Angela
Quelle: Psychologie und Gesellschaftskritik, 21 (1997) 3/4, S 87-98
Inhalt: Hinter dem Label Feminismus verbirgt sich heute eine Vielfalt unterschiedlicher Diskurse. Die Autorin unternimmt einen assoziativen Streifzug durch die feministische Landschaft, so wie sie sich einer Psychologiestudentin der 90er Jahre darstellte. Die eigene Erfahrung beschreibt sie dabei sowohl als Begegnung mit unterschiedlich attraktiven und mächtigen Diskursen als auch als - rückblickend zum Teil amüsiert betrachtete - Sozialisation zur Feministin. Dabei spannt sie den Bogen von der Sensiblisierung durch feministische Wissenschaftskritik bis zur aktuell so hitzig geführten Debatte um Dekonstruktion und die Thesen von Judith Butler.