Inhalt: Der geschlechtsspezifische Lohnunterschied hat sich in der Schweiz ebenso wie in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten zwar leicht verringert, die Lücke ist aber immer noch beträchtlich und lässt sich nur zum Teil durch produktivitätsrelevante Faktoren erklären. Um zu untersuchen, ob sich ein entsprechender „gender wage gap“ auch darin wiederfindet, welche Löhne als gerecht angesehen werden, haben wir im Rahmen von Schweizer Bevölkerungsumfragen drei randomisierte Vignettenexperimente durchgeführt. Im Unterschied zu den meisten anderen Experimenten wurde den Befragten nur jeweils eine Vignette vorgelegt, um Einflüsse sozialer Wünschbarkeit zu vermindern. Das erste Experiment belegt eine geschlechtsspezifische Doppelmoral bei der Einkommensbewertung: Bei Männern wurde ein gegebenes Einkommen eher als zu gering beurteilt als bei Frauen. Der Befund konnte in einem zweiten Experiment mit ähnlichem Design jedoch nicht repliziert werden, wobei ein zentraler Unterschied zwischen den beiden Experimenten in dem in den Vignetten beschriebenen Haushaltskontext lag. In einem dritten Experiment haben wir deshalb den Einfluss der familiären Situation systematisch untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass nur bei verheirateten Personen ein Unterschied zwischen Frauen und Männern gemacht wird, nicht jedoch bei Singles. Im Einklang mit dem Stereotyp des männlichen Haupternährers zeigt sich ein ausgeprägter Effekt einer „Heiratsprämie“. Verheirateten Männern wird in der Wahrnehmung der Bevölkerung bei sonst gleichen Merkmalen ein höherer Lohn zugestanden als verheirateten Frauen.
Although the gender wage gap has narrowed somewhat in Switzerland, as in Germany, over the past two decades, the gap is still substantial and can only be partly explained by productivity-related factors. To investigate whether a corresponding gender wage gap is also reflected in what wages are considered fair, we conducted three randomized vignette experiments in Swiss population surveys. Unlike most other such experiments, each respondent was presented only one vignette to reduce social desirability bias. The first experiment provides evidence of a double standard in income evaluation: A given income was judged more likely to be too low for men than for women. However, the finding could not be replicated in a second experiment with a similar design. Because a key difference between the two experiments was the household context described in the vignettes, we systematically examined the influence of the family situation in a third experiment. The results show that a difference between women and men is made only for married individuals and not for singles. Consistent with the stereotype of the male breadwinner, a pronounced effect of a “marriage premium” for men emerges. Married men are perceived to be entitled to higher wages than married women, other things being equal.
Schlagwörter:Befragung; fatherhood premium; gender pay gap; gender wage gap; Gerechtigkeit; Vignettenstudie
CEWS Kategorie:Arbeitswelt und Arbeitsmarkt, Frauen- und Geschlechterforschung
Dokumenttyp:Zeitschriftenaufsatz