Quelle: Handbuch Sozialisationsforschung. Klaus Hurrelmann (Hrsg.), Matthias Grundmann (Hrsg.), Sabine Walper (Hrsg.). Weinheim: Beltz (Pädagogik), 2008, S. 240-253
Inhalt: Der Beitrag wendet sich dem Verhältnis von Geschlecht und Sozialisation zu. Geschlechter werden als dichothom und oppositionell dargestellt, als "männlich" und "weiblich". Der Artikel arbeitet heraus, dass die Geschlechtsidentität hingegen nichts "Naturgegebenes" ist, sondern im Verlauf des Aufwachsens sozial konstruiert wird. Bestimmte Verhaltensweisen werden als "männlich" oder "weiblich" definiert, damit ist auch ein bestimmter "Habitus" verbunden, also Standards für Verhalten und Benehmen. Es wird hervorgehoben, dass "Geschlecht" somit keine "individuelle Eigenschaft" des Subjekts ist; andererseits wird geschlechtlicher "Habitus" nur im Handeln des Individuums aktualisiert und bestätigt, ist also nichts dem Handeln der Akteure Externes. Durch die gesellschaftliche Konstruktion bipolarer Geschlechtlichkeit ("männlich" oder "weiblich") werden jedem Geschlecht bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, andere hingegen als "untypisch" ausgeschlossen. Jedes der beiden Geschlechter existiert nur in Relation und Abgrenzung zum anderen. Der Beitrag vertritt die Auffassung, dass die "herrschende" Geschlechterordnung durch "schwule" und "lesbische" Ansprüche und Forderungen untergraben wird. Der Artikel wendet sich dann dem "Kinderspiel" zu, das "Geschlechterdifferenz" in Szene setzt. Jungen befürworten in der Regel Rivalitäts-orientierte Wettkampfspiele, die an äußeren, festen Regeln orientiert sind. Mädchen erwärmen sich hingegen eher für auf Kooperation, Gemeinsinn und Verkleidung basierende Spielformen. Der Beitrag diskutiert dann geschlechterbezogene Differenzen in jugendlichen Peer-Beziehungen und wendet sich danach der Problematik von Gewalt in der "Konstruktion von Männlichkeit" zu. Abschließend wird "doing gender" besprochen, die Realisierung und Aktualisierung von Geschlechtsstereotypen im Jugendalter. Bestimmte "Lebensstile" werden eher Männern zugeschrieben, andere eher Frauen. Überraschend ist vielleicht, dass die bürgerliche Mittelschicht stärker an dichothomisierten Geschlechterrollen festhält als Vertreter aus dem "Arbeitermilieu". Eine veränderte alltägliche Lebensführung kann möglicherweise zu einer Aufweichung starrer Geschlechtergrenzen beitragen. (ICB)
CEWS Kategorie:Bildung und Erziehung, Geschlechterverhältnis, Frauen- und Geschlechterforschung
Dokumenttyp:Sammelwerksbeitrag
Wem nützt die Einrichtung einer Mädchenklasse?
Titelübersetzung:Who benefits from the institution of a girls' class?
Autor/in:
Faulstich-Wieland, Hannelore
Quelle: Zeitschrift für Frauenforschung und Geschlechterstudien, Jg. 22 (2004) H. 4, S. 39-57
Inhalt: Auf dem Hintergrund, dass die Koedukationsdebatte immer noch von Diskursen bestimmt ist, die geschlechtsgetrennte Angebote als eine produktive und geeignete Lösung vor allem bei Benachteiligungen von Mädchen ansehen, stellt der Beitrag Ergebnisse und Erfahrungen mit der Einrichtung einer Mädchenklasse in einem österreichischen Gymnasium vor. Mit Hilfe einer wissenschaftlichen Begleitung sollte herausgefunden werden, was es bringt, eine Mädchenklasse zu bilden. Anhand von sechs Erhebungsphasen mit standardisierten Befragungen und Feldaufenthalten sowie von Auswertungen der Zeugnisnoten sollten sowohl die Einschätzungen der Schüler bzgl. Schule und Klassenklima, die erreichten Leistungen sowie die Selbstbilder und Einstellungen zur Gleichberechtigung evaluiert werden. Ob die Einrichtung einer Mädchenklasse tatsächlich ein geeignetes Instrument zur Herstellung von Gendergerechtigkeit sein kann, wird als zweifelhaft angesehen. Die Gründe liegen zum Teil in dem ungeklärten Konzept der Gendergerechtigkeit und darin, dass solche Klassen möglicherweise einer Stigmatisierung an der Schule ausgesetzt sind und damit häufig scheitern. (ICH)
CEWS Kategorie:Bildung und Erziehung, Geschlechterverhältnis, Frauen- und Geschlechterforschung
Dokumenttyp:Zeitschriftenaufsatz
Das Geschlechterthema an einem österreichischen Gymnasium mit monoedukativer Tradition : erste Ergebnisse einer wissenschaftlichen Begleitung
Titelübersetzung:The gender topic at an Austrian secondary school (Gymnasium) with a monoeducational tradition : initial results of evaluation research
Autor/in:
Faulstich-Wieland, Hannelore
Quelle: Gender methodologisch: empirische Forschung in der Informationsgesellschaft vor neuen Herausforderungen. Sylvia Buchen (Hrsg.), Cornelia Helfferich (Hrsg.), Maja S. Maier (Hrsg.). Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwiss., 2004, S. 231-246
Inhalt: Wie kann man die Bedeutung, die Geschlecht für die Akteure hat, erforschen, ohne sie von vornherein vorauszusetzen und damit möglicherweise zu reifizieren? Das ist die zentrale Frage der aktuellen Genderforschung und auch Hauptgegenstand des vorliegenden Beitrags. Dazu wird anhand einer laufenden wissenschaftlichen Begleitung des 7. Jahrgangs eines österreichischen Gymnasiums aufgezeigt, wie die Autoren versucht haben, das Problem methodisch zu lösen: nämlich herauszufinden, welche Bedeutung Geschlecht im schulischen Alltag für die Schülerinnen und Schüler hat, "ohne direkt danach zu fragen". Die Aufgabe für die wissenschaftliche Begleitung lautet damit herauszufinden, inwieweit ein "dramatisierender" Kontext (nämlich eine über das Geschlecht definierte Organisationsform, in diesem Fall die Mädchenklasse) eine "Entdramatisierung" von Geschlecht möglich macht, d.h. ob die monoedukative Organisationsform dazu beiträgt, Geschlechterstereotypien zu vermeiden, bzw. Strategien zu entwickeln, diese abzubauen. Eine "Entdramatisierung" durch den "Wegfall" des männlichen Geschlechts lässt sich nicht nachweisen. Monoedukative Kontexte ersparen nicht die Reflexion darüber, welche Bedeutung dem Geschlecht zukommen soll - koedukative Kontexte natürlich auch nicht. Dies begründet insgesamt die Forderung nach einer "reflexiven Koedukation". (ICA2)
Quelle: Zeitschrift für Frauenforschung und Geschlechterstudien, Jg. 21 (2003) H. 1, S. 76-90
Inhalt: Nach der These der Autorinnen verläuft eine Linie der Selektion im deutschen Bildungssystem in einer neuen Verschränkung von Geschlecht und Ethnie: Der Bildungsgewinn von Mädchen und Frauen bietet mit einem veränderten Leitbild neue Handlungsmöglichkeiten für deutsche Mädchen an, während die einengenden und benachteiligenden Strukturen für Schülerinnen mit Migrationshintergrund gelten, indem eine intrageschlechtliche Distinktion vorgenommen wird. Im Feld der gymnasialen Bildung ist diese zugleich nach wie vor mit sozialstrukturellen Differenzierungen gekoppelt. Jene Migrantinnen, die den formalen Sprung in die gymnasiale Bildung geschafft haben, werden nunmehr mit dem alten Leitbild des "braven" und "fleißigen" Mädchens konfrontiert und - bei nicht entsprechendem Verhalten - mit Selektion bedroht. Die Autorinnen verdeutlichen den Zusammenhang von gymnasialer Bildung, vergeschlechtlichtem Verhalten und Ethnisierungsprozessen anhand von Material aus zwei empirischen Studien und beleuchten insbesondere die Verhaltenserwartungen von LehrerInnen an Schülerinnen. Sie thematisieren die Zuschreibungen gegenüber Schülerinnen sowie deren Implikationen und gehen in einem Vergleich der Materialausschnitte der Frage nach, welche Handlungsspielräume Mädchen als legitim zugestanden werden. (ICI2)
Quelle: Zeitschrift für Pädagogik, Jg. 47 (2001) H. 1, S. 67-79
Inhalt: "In dem Beitrag wird der Frage nachgegangen, wie Geschlecht in schulischen Interaktionen konstruiert wird. Entgegen der scheinbaren Selbstverständlichkeit, dass Geschlecht natürlich und ohne gesellschaftliches Zutun vorhanden ist, wird in Auseinandersetzung mit den theoretischen Ansätzen von E. Goffman/ E. West/ D.H. Zimmerman und P. Bourdieu Geschlecht als eine sozial hergestellte Kategorie konzeptualisiert. Vor dem Hintergrund der unhintergehbaren Subjektivität von Forschung werden methodisch die Zugänge der Ethnographinnen im Forschungsprozess einerseits reflektierend expliziert und andererseits zu dem Versuch genutzt, Einblicke in sonst verdeckte Vorgänge der Konstruktion von Geschlecht zu erhalten. Anhand zweier Beispiele aus dem Deutschunterricht werden 'Genderism' (Goffman) schulischen Verhaltens herausgearbeitet. Durch das Auseinanderfallen von übernommener Rolle und handelnder Person im Unterricht treten Irritationen mit der Geschlechtszugehörigkeit auf. Diese verweisen auf die interaktionelle Arbeit, die im Schulalltag notwendig ist, um Geschlecht stimmig darzustellen." (Autorenreferat)
Inhalt: "The authors inquire into the question of how gender is constructed through interaction at school. In opposition to the apparent self-evidence that gender exists naturally and without societal assistance, they conceptualize gender as a socially produced category through the analysis of the theoretical approaches of Goffman, West/ Zimmermann, and Bourdieu. The methods of examination of the ethnographers in the research process are presented against the background of the unavoidable subjectivity of research in two ways. On the one hand, they are explicated reflectively. On the other hand, they are used in the attempt to preserve insights into the otherwise hidden processes in the construction of gender. The authors develop the 'Genderism' of school conduct using two examples from German instruction. In instruction, confusion with sexual orientation arises through the falling apart of the assumed role and the active person. This confusion points out the interactive work necessary in schools in order to represent gender coherently." (author's abstract)