Verfestigung von männlicher Herrschaft im Finanzmarktkapitalismus? Eine Fallstudie zur Bedeutung der Vermarktlichung von Arbeit für Geschlechterungleichheiten im Bankensektor
Titelübersetzung:Consolidation of masculine domination in finance capitalism? A case study on the significance of the marketization of labor for gender inequality in the banking sector
Autor/in:
Lill, Max
Quelle: AIS-Studien, 10 (2019) 1, S 5-22
Inhalt: Der Beitrag diskutiert auf Grundlage einer Fallstudie in der Landesbank Berlin (LBB) innerbetriebliche Schließungsprozesse entlang der Geschlechterachse sozialer Ungleichheit. Er fragt zudem nach Ansatzpunkten für eine geschlechtergerechte Arbeitspolitik im Bankensektor unter Bedingungen deregulierter Finanzmärkte, subjektivierter Arbeit und einer latenten Krise sozialer Reproduktion. Der Unternehmensfall wird dazu in doppelter Weise kontextualisiert: Einerseits durch eine kurze Darstellung geschlechtersoziologisch relevanter Entwicklungstendenzen der Branche, andererseits durch die Einbeziehung lebensweltlicher Reproduktionsbedingungen der Beschäftigten. Es wird die These entwickelt, dass sich eine geschlechterpolitisch widersprüchliche Konstellation abzeichnet: Kapitalmarktorientierte Restrukturierungen und vermarktlichte Formen der Leistungssteuerung begünstigen innerbetrieblich eine Persistenz männlicher Vorherrschaft. Soziale Reproduktionsbedürfnisse werden unter diesen Bedingungen im Führungshandeln oftmals ausgeblendet. Zugleich artikuliert sich innerbetriebliche Kritik an diesen Entwicklungen. Insbesondere bei jüngeren Fach- und Führungskräften finden sich Indizien für geschlechterübergreifende Interessenkoalitionen, die aus geteilten subjektiven Ansprüchen erwachsen: Die eigene Arbeit soll als sinnvoll erfahrbar sein und sie soll Raum lassen für eine individuelle Gestaltung des Gesamtlebenszusammenhangs innerhalb von möglichst egalitären Geschlechterarrangements.
Digitalisierung von Arbeit als "Baustelle" einer geschlechterbezogenen Arbeitsforschung: Transformationsprozesse in der Büroarbeit
Titelübersetzung:Digitization of Work as a "Construction Site" of a Gender-related Labour Research: Transformation Processes in Office Work
Autor/in:
Kutzner, Edelgard
Quelle: AIS-Studien, 11 (2018) 2, S 211-228
Inhalt: In kritischer Auseinandersetzung mit bisherigen Prognosen zum Verhältnis von Digitalisierung, Arbeit und Geschlecht sowie anknüpfend an ausgewählte theoretische und empirische Forschungsarbeiten wird im vorliegenden Beitrag ein möglicher Rahmen für weitere Debatten und Forschungen skizziert. Am Beispiel der Arbeit im Büro werden bisherige Entwicklungsprozesse der Digitalisierung von Arbeit aufgezeigt, um daran anschließend einige konzeptionelle und methodische Überlegungen zur Erforschung von Veränderungs- und Gestaltungsprozessen aus einer Geschlechterperspektive vorzustellen. Im Ergebnis zeigt sich, technisch-organisatorische Veränderungen können zu einer veränderten Geschlechterordnung und damit zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen, wenn durch aktive Gestaltung die sog. Pfadabhängigkeit der Geschlechterverhältnisse in Frage gestellt und verlassen wird.
Schlagwörter:Arbeit; labor; Digitalisierung; digitalization; gender-specific factors; Arbeitsforschung; work research; Büroarbeit; office work; gender; Gerechtigkeit; justice; Gleichberechtigung; equality of rights
SSOAR Kategorie:Industrie- und Betriebssoziologie, Arbeitssoziologie, industrielle Beziehungen, Frauen- und Geschlechterforschung
Freiheitsfeten oder Prekaritätspartys? Tupperware als Erwerbsform von Frauen
Titelübersetzung:Freedom festivals or precarious parties? Tupperware as occupational form for women
Autor/in:
Becker, Karina
Quelle: AIS-Studien, 9 (2016) 1, S 102-117
Inhalt: Mit Tupperware untersucht der Beitrag ein von Frauen dominiertes Tätigkeitsfeld, dessen Bedeutung sich erst in der Rückschau erschließt: Hier finden sich in der Hochzeit des Fordismus gehäuft Merkmale, die heute als typisch postfordistisch gelten. Dazu gehören dezentrale Organisationsformen und eine subjektivierte Steuerung von Arbeit ebenso wie atypische Beschäftigungsverhältnisse. Während diese Erwerbsform zu den Strukturen der "Fordist Family" gut passte - auch deshalb, weil sie in materieller Hinsicht keine Existenz sichern sein musste -, verändert sich aktuell deren Funktion. Unter den Erwerbsarbeitsbedingungen des Marktkapitalismus wird die Arbeit bei Tupperware für die Frauen zunehmend zu einem "Brotjob" und geht mit höheren arbeitsbezogenen Belastungen einher, die etwa aus der Anforderung resultieren, Emotionsarbeit zu leisten.
Schlagwörter:Erwerbsarbeit; gainful work; woman; Fordismus; fordism; Postfordismus; post-Fordism; Organisationsform; type of organization; Dezentralisation; decentralization; Steuerung; steering; Beschäftigungsform; type of employment; Frauenberuf; female profession
SSOAR Kategorie:Industrie- und Betriebssoziologie, Arbeitssoziologie, industrielle Beziehungen, Frauen- und Geschlechterforschung
Feminisierung von Arbeitskonflikten: Überlegungen zur gendersensiblen Analyse von Streiks
Titelübersetzung:Feminisation of labour disputes: towards a gender-sensitive analysis of strike action
Autor/in:
Artus, Ingrid; Pflüger, Jessica
Quelle: AIS-Studien, 8 (2015) 2, S 92-108
Inhalt: Streiks sind ein vergleichsweise intensiv erforschtes soziales Phänomen. Allerdings ist die bisherige Streikforschung bis auf wenige Ausnahmen geschlechtsblind. Diese Forschungslücke überrascht, ist doch angesichts der Verlagerung sowohl von Beschäftigten als auch von Arbeitskonflikten in den (stark durch 'Frauenarbeit' geprägten) Dienstleistungsbereich von einer Feminisierung des Streikgeschehens in der Bundesrepublik auszugehen. Welche quantitative und qualitative Bedeutung hat dieser Trend? Führt er zu Veränderungen in kollektiven Organisierungs-, Mobilisierungs- und Konfliktlogiken sowie interessenpolitischen Forderungen? Das sind offene Fragen, die der folgende Beitrag nicht abschließend beantworten kann. Er formuliert jedoch auf Basis einer Sekundäranalyse der (begrenzten) internationalen Literatur zum Thema erste Überlegungen für eine gendersensible Analyse von Streiks. Deutlich wird dabei, dass weitere Forschung von konstruktivistisch informierten, prozessorientierten und kontextspezifischen Analysen des vergeschlechtlichen Streikgeschehens profitieren könnte.
Schlagwörter:Arbeitskonflikt; industrial dispute; Streik; strike; Feminismus; feminism; Frauenforschung; women's studies; Dienstleistungsarbeit; service work; tertiärer Sektor; tertiary sector; Federal Republic of Germany; Gender; gender
SSOAR Kategorie:Industrie- und Betriebssoziologie, Arbeitssoziologie, industrielle Beziehungen, Frauen- und Geschlechterforschung
Ungleich, vergleichbar, gleich - auf dem Weg zur geschlechtsneutralen Arbeitswelt? Geschlechtliche Differenzierungsprozesse im Kontext von Arbeit
Titelübersetzung:Unequal, comparable, equal - towards a gender-neutral world of work? Sexual differentiation processes in the context of work
Autor/in:
Wehling, Pamela; Müller, Katja
Quelle: AIS-Studien, 7 (2014) 2, S 22-40
Inhalt: Die Geschlechterdifferenz als Prädiktor für den Zugang zu und die Entlohnung von Arbeit wurde bereits im 19. Jahrhundert institutionalisiert und ist bis heute wirksam. An den Fallbeispielen der Leichtlohngruppen sowie der Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes für Arbeiterinnen wird gezeigt, wie die Bezugnahme auf Differenzvorstellungen der Geschlechter nach 1945 im Rechtssystem de-legitimiert wurde und welche Konsequenzen hieraus im Hinblick auf die bislang übliche Praxis der geschlechtsspezifischen Entlohnung und Regulierung von Arbeit entstanden. Untersuchungsleitend ist dabei die Fragestellung, ob der rechtlichen De-Legitimierung der Geschlechterdifferenz auch ein institutioneller Wandel im Sinne einer De- bzw. Re-Institutionalisierung (Jepperson 1991) der Geschlechterdifferenz in den Bereichen Arbeitszeit und Entlohnung folgte. So zeigt sich, dass im Fall der Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes die funktionale Arbeitsteilung im Alltag die rechtliche De-Institutionalisierung der Geschlechterdifferenz unterläuft während bei den Leichtlohngruppen die Geschlechterdifferenz re-institutionalisiert wird, indem geschlechtsneutrale Kriterien für die Bewertung von Arbeit definiert werden, die jedoch die Differenzannahme weiterführen, wenngleich auch anders arrangiert.
Schlagwörter:Arbeitswelt; world of work; Gleichbehandlung; equal treatment; Gleichstellung; affirmative action; gender-specific factors; Lohn; wage; Regulierung; regulation; Leichtlohngruppe; low-wage group; Nachtarbeit; nightwork; Arbeitszeit; working hours; Arbeiter; worker; Frauenerwerbstätigkeit; women's employment
SSOAR Kategorie:Industrie- und Betriebssoziologie, Arbeitssoziologie, industrielle Beziehungen, Frauen- und Geschlechterforschung
Die "große Transformation" als Krise des Arbeits- und Geschlechterregimes
Autor/in:
Nickel, Hildegard Maria
Quelle: AIS-Studien, 5 (2012) 1, S 5-16
Inhalt: Die derzeitige "Vielfachkrise" (Demirovic) ist nicht allein ökonomisch zu erklären. Der Beitrag folgt einer Kriseninterpretation, die die Ereignisse der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/09 als ein spezifisches Stadium in einem schon seit Anfang der 1970er Jahre andauernden Transformationsprozesses von der Industrie- zur Dienstleistungsökonomie einordnet. War Erwerbsarbeit in der Phase des fordistischen Industrialismus wesentlich durch das männliche Normalarbeitsverhältnis gekennzeichnet, so gilt für das Geschlechterverhältnis dieser Phase das Rollenmodell des männlichen Familienernährers und der weiblichen Hausfrau und Mutter, die das Familieneinkommen allenfalls durch Teilzeitarbeit ergänzt. Dieses Arbeits- und Genderregime ist im Zuge des gesellschaftlichen Transformationsprozesses selbst in die Krise geraten. Der Ausgang des Krisenverlaufs ist relativ offen. Beides ist denkbar: Sowohl das Retardieren demokratischer (Arbeits-)Strukturen und damit zusammenhängend die Retraditionalisierung des Geschlechterverhältnisses wie auch eine demokratische Erneuerung der (Arbeits-)Strukturen, verbunden mit einer weiteren Demokratisierung der Geschlechterbeziehungen.