Strukturierung der Widersprüche: De- und Re-Naturalisierungsprozesse von Geschlecht in der posttraditionalen Gesellschaft
Titelübersetzung:Structuring of contradictions: denaturalization and renaturalization processes of gender in the post-traditional society
Autor/in:
Kahlert, Heike
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongress "Die Natur der Gesellschaft"; Frankfurt am Main, 2008. S 4748-4761
Inhalt: "Die spätmoderne Geschlechterordnung ist durch Widersprüche zwischen Re-Naturalisierungs- und Vergesellschaftungsprozessen von Geschlecht gekennzeichnet: Re-naturalisierende Zuschreibungen an die Geschlechter, z.B. hinsichtlich der (mit den generativen Funktionen begründeten) Arbeitsteilung, gehen Hand in Hand mit sozialen Dekonstruktionsprozessen, in denen Geschlecht und Generativität ihrer vorgeblichen Natürlichkeit entledigt und als durch und durch vergesellschaftet verstanden werden. Hier zeichnet sich eine Gleichzeitigkeit von Stabilität und Wandel in den Reproduktionsprozessen von Geschlecht ab. Soziologische Konzepte, die diese widersprüchliche Gleichzeitigkeit auf den Begriff zu bringen ermöglichen, sind jedoch rar. In dem Vortrag diskutiert die Verfasserin, welches Erkenntnispotenzial Anthony Giddens' Sozialtheorie der Strukturierung bietet, um dieses komplexe Problem zu begreifen. Dafür skizziert sie die Figur der Dualität von Geschlecht, in der sie die Konzepte der sozialwissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung von Geschlecht als Struktur- und Prozesskategorie mit Giddens' Konzept der Dualität von Struktur und Handlung zusammendenke. Diese Figur ist eng verknüpft mit Giddens' raumzeitlich strukturierten Vorstellungen zur Dialektik von Stabilität und Wandel, die ebenfalls erörtert und auf die oben genannten Widersprüche in den Reproduktionsprozessen von Geschlecht bezogen werden. Schließlich wird unter Rückgriff auf Giddens' Modernisierungstheorie dargelegt, dass die spätmoderne Geschlechterordnung eine von Menschen gestaltete, posttraditionale Ordnung ist, in der auch die Natur vergesellschaftet ist. In Weiterführung von Giddens' Argumentation lässt sich schlussfolgern, dass in dieser posttraditionalen Ordnung die Re-Naturalisierung von Geschlecht der Fortsetzung der patriarchalen Herrschaft dient, während die De-Naturalisierung von Geschlecht zur Demokratisierung beiträgt: Geschlecht und Geschlechterverhältnisse werden hier zum Verhandlungsgegenstand." (Autorenreferat)
Larry Summers und der Geschlechterunterschied: ist die Debatte um Begabungsunterschiede soziologisch relevant?
Titelübersetzung:Larry Summers and the gender difference: is the debate concerning talent differences sociologically relevant
Autor/in:
Trappe, Heike
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongress "Die Natur der Gesellschaft"; Frankfurt am Main, 2008. S 297-309
Inhalt: "Am 14. Januar 2005 nahm der renommierte US-amerikanische Ökonom Lawrence H. Summers in seiner Funktion als Präsident der 'Harvard University' an einer Konferenz teil, welche die geringe Präsenz von Frauen in den Natur- und Ingenieurwissenschaften an hochkarätigen Forschungseinrichtungen zum Thema hatte. In seinen einleitenden Bemerkungen entwickelte er drei breit angelegte Hypothesen, die die Ursachen der Unterrepräsentation von Frauen auf je unterschiedliche Weise begründeten. In einer dieser Hypothesen rekurrierte er auf angeborene Begabungsunterschiede zwischen Frauen und Männern, die am oberen Ende der Verteilung im Zusammenwirken mit anderen Faktoren dazu beitragen, dass selbst kleine Unterschiede zu einem großen Ungleichgewicht führen, was den Pool potentieller Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen betrifft. Diese Bemerkung zog ein ungeahntes und sehr kontroverses Echo nach sich. In ihrem Beitrag möchte die Verfasserin zunächst beschreiben, in welcher Weise in drei ausgewählten Disziplinen Begabungsunterschiede zwischen Frauen und Männern thematisiert werden. Dabei handelt es sich um die Intelligenzforschung, die Erziehungswissenschaften und die Soziologie. Unter den vielen Befunden über Geschlechterdifferenzen wird, wenn immer möglich, auf den Bereich der Mathematik fokussiert, weil hier die Forschungslage am besten ist. Schwerpunktmäßig geht es dann einerseits darum zu erhellen welche Mechanismen vor dem Hintergrund verschiedener disziplinärer Traditionen für geschlechtsspezifische mathematische Begabungsunterschiede und deren Folgen verantwortlich gemacht werden. Andererseits wird die Frage aufgegriffen, welche Konsequenzen daraus für die Soziologie abzuleiten sind, damit die soziologische Einsicht der gesellschaftlichen Vermittlung auch askriptiver Merkmale, wie der Geschlechtszugehörigkeit, nicht in Vergessenheit gerät. Zum Abschluss werden programmatisch einige Herausforderungen künftiger soziologischer Forschung benannt, die sich am Beispiel der Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Begabungsunterschieden zeigen lassen." (Autorenreferat)
SSOAR Kategorie:Makroebene des Bildungswesens, Frauen- und Geschlechterforschung, Allgemeine Soziologie, Makrosoziologie, spezielle Theorien und Schulen, Entwicklung und Geschichte der Soziologie
Sex, Generativität, Leben: zu den Machteffekten des biologischen Geschlechts
Titelübersetzung:Sex, generativity, life: the power effects of the biological gender
Autor/in:
Gehring, Petra
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongress "Die Natur der Gesellschaft"; Frankfurt am Main, 2008. S 513-523
Inhalt: "Geschlechterdifferenzen sind sozial konstruiert. Frauen- und Männerkörper sind nicht einfach Naturtatsachen. Vielmehr werden diejenigen Aspekte, die wie als Körpernatur erleben, als Natur geschaffen, gelernt, praktiziert. Es gibt nur kulturelle Konstruktionen von Geschlecht. Und: Es gibt nur eine 'kulturelle' Natur der zweigeschlechtlichen Körper. Mit dieser Blickwendung wird die Frage nach der Natur des Geschlechts nicht einfacher. Sie verwandelt sich in die Frage nach Machtverhältnissen. Für die Moderne stellt sich hier vor allem Frage nach der Macht der 'Biologie'. Welche Rolle spielt das Biologische der Geschlechter? Welches Gewicht haben Handlungsordnungen, die dasjenige, was ein (gesunder, normaler, erwachsener) Körper sein soll, gemäß einer - seit dem Neunzehnten Jahrhundert als 'sexuell' erkannten - Normalität von Fortpflanzung regulieren? Der Beitrag stellt Thesen vor, die 1. den 'Sex' (also das biologischen Geschlecht) als spezifisch moderne Errungenschaft fassen, 2. das biologische Geschlecht und seine natürliche 'Generativität' (also seine Bindung an eine organische Notwendigkeit von Fortpflanzung) in den Zusammenhang eines im Neunzehnten Jahrhundert entstandenen biologisch/ soziologischen Gattungsdenkens stellen, und die 3. die Sexualnatur als eine Art moderner Wissenschaft- und Technikfolge ansprechen. Der Wirklichkeitswert der biologischen Zweigeschlechtlichkeit korrespondiert direkt mit demjenigen von Lebenswissenschaften und Lebenstechnologien." (Autorenreferat)
Gewalt - eine (deviante) Verkörperung von Männlichkeit? Reflektionen auf die Beziehung von Devianz, Körper und Geschlecht
Titelübersetzung:Violence - a (deviant) embodiment of masculinity? Reflections on the relationship between deviance, the body and gender
Autor/in:
Bereswill, Mechthild
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongress "Die Natur der Gesellschaft"; Frankfurt am Main, 2008. S 2552-2560
Inhalt: "Im Mittelpunkt des Beitrags steht eine kritische Reflexion auf Grundannahmen gegenwärtiger Männlichkeitsforschung. Hier wird Gewalthandeln, verbunden mit dem Riskieren des eigenen Körpers als funktional für die Aneignung eines männlichen Geschlechtshabitus und die Reproduktion männlicher Herrschaft gesehen (Bourdieu, Meuser). Der Körper wird in diesem Kontext als 'sozialer Akteur' (Connell) und als Handlungsressource zur Konstruktion hegemonialer Männlichkeit, insbesondere für junge und für marginalisierte Männer thematisiert. Deviantes Risikoverhalten in der homosozialen Gruppe, so die These, korrespondiert eng mit dem Streben nach gesellschaftlich legitimen, hegemonialen Männlichkeitsidealen, selbst wenn diese unerreichbar bleiben. Gewalt zwischen Männern wird somit als ein Mittel begriffen, um Geschlechterordnungen zu stabilisieren. Wie weit trägt dieser handlungstheoretisch und funktionalistisch ausgerichtete Fokus auf den vergeschlechtlichen Körper? Welche Beziehung zwischen Devianz und einer symbolischen Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit wird hier theoretisch (explizit wie implizit) unterstellt? Den formulierten Fragen soll nicht nur theoriekritisch, sondern anhand von Ausschnitten aus einer qualitativen Längsschnittstudie zu den Biographien hafterfahrener junger Männer nachgegangen werden: Welche Beziehung zwischen Devianz, Körper und Männlichkeit zeigt sich in ihren Deutungsmustern von alltäglicher Gewalt? Haben wir es tatsächlich mit den körperlichen Inszenierrungen einer Reproduktion männlicher Herrschaft zu tun? Die letzte Frage weist in Richtung von Ambivalenzen, Brüchen und Uneindeutigkeiten im Hinblick auf die komplexe Beziehung zwischen Devianz, Körper und Geschlecht." (Autorenreferat)
Quelle: Geschlecht - Raum - Zeit: Text und Materialien ; zur Unterstützung des Studienprogramms "Gender Studies und feministische Wissenschaft". Marburg (Materialreihe / Zentrum für Gender Studies und Feministische Zukunftsforschung der Philipps-Universität Marburg), 2003, S 5-19
Inhalt: Alltäglich denken wir weder über Geschlecht noch Raum noch Zeit groß nach, wir gehen allerdings ständig damit um - in eingeübten Verhaltensmustern. Auch ohne darüber nachzudenken, sind wir daran gewöhnt, Raum und Zeit miteinander zu verknüpfen: Wenn wir eine Verabredung treffen, legen wir dafür einen Ort und einen Termin fest. Vergäßen wir das eine oder das andere, käme ein Treffen kaum zustande. Ähnlich sind wir daran gewöhnt, dass Landschaften zu bestimmten Jahreszeiten ein anderes Aussehen annehmen oder dass Menschen im Laufe ihres Lebens sowohl den Anspruch ans Wohnen als auch die Ausgestaltung ihrer Wohnung ändern - jedes Lebensalter hat also ein eigenes räumliches Gesicht. Etwas schwieriger erscheint die Verknüpfung von Geschlecht mit Raum oder von Geschlecht mit Zeit oder erst recht von Geschlecht mit RaumZeit. Unsere Art der Problematisierung des Themenfeldes 'Geschlecht und RaumZeit' beruht auf der Annahme, dass sowohl die Gegenstände wissenschaftlicher Betrachtungen als auch die Gegenstände dominanter Alltagsauseinandersetzungen abhängig sind von ihrer historischen Einbettung, politischen und ökonomischen Möglichkeiten sowie soziokulturellen Entwicklungen. Im wissenschaftlichen Diskurs wird diesbezüglich von sozialer Konstruktion gesprochen. Wenn Geschlecht wie Raum wie Zeit als sozial konstruiert angenommen werden und damit gesellschaftlichem Wandel unterliegen, ist auszuführen, von welchem Verständnis von Geschlecht und von RaumZeit ausgegangen werden kann. Erst auf Grundlage solchen Vorverständnisses kann eine Materialauswahl und Materialzusammenstellung für Lehrveranstaltungen zum Themenfeld vorgenommen werden.
Schöner neuer Raum: über Virtualisierung und Geschlechterordnung
Autor/in:
Sturm, Gabriele
Quelle: Zukunfts(t)räume: Geschlechterverhältnisse im Globalisierungsprozess. Königstein/Ts., 2001, S 57-79
Inhalt: Der Beitrag gehört innerhalb des Buches zum thematischen Schwerpunkt "RaumZeit" - der zugleich einer der drei transdisziplinären Arbeitsbereiche des "Zentrums für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung" an der Philipps-Universität Marburg ist. Nachdem die Autorin in ihrem Beitrag zunächst ausführt, was unter Virtueller Realität und virtuellem Raum in der neu entstehenden Informationsgesellschaft derzeit verstanden wird, stellt sie ein methodologisches RaumZeit-Modell als Analyseraster vor, in dem sie die diskutierten Raumkonstituen einer Virtuellen Gesellschaft einordnet. Sodann werden für den europäischen Kulturraum verschiedene Geschlechterkonstruktionen in ihrer historischen Abfolge hin zu einer modernen Geschlechterpolarität mit geschlechtlicher und räumlicher Arbeitsteilung und gestützt durch ein bürgerliches Identitätskonzept dargestellt. So kann schließlich ein Szenario über die sich aktuell entwickelnde Geschlechterzuordnung in einer quasi gedoppelten Realität aus realem und virtuellem Raum formuliert werden.