Inhalt: "Mit dem Heranwachsen der Kinder und ihrem Auszug reduzieren sich für Familienfrauen
in der 'empty-nest'-Phase im primären Vergesellschaftungsbereich der Familie Kommunikationspartner
und Anregungspotential. Ein Anspruch von Familienfrauen, dieses Defizit in dem bedeutenden
Vergesellschaftungsbereich der Arbeitswelt auszugleichen, ist kaum zu realisieren;
denn in der gegenwärtigen Situation räumt der Arbeitsmarkt in Deutschland ihnen nach
einer längeren Unterbrechungszeit nur geringe Integrationschancen ein. So sind Familienfrauen
in der familienzyklischen Phase des 'empty-nest' auf neuartige gesellschaftliche Praktiken
und Beziehungen angewiesen, um einen Anspruch auf eigene Entwicklung- und Gestaltungsmöglichkeiten
umzusetzen. In der vorliegenden Untersuchung wurde der Frage nachgegangen, inwieweit
strukturierte wissenschaftliche Weiterbildungsangebote Frauen in dieser Lebensphase
Vergesellschaftung ermöglichen und Entfaltungs- und Gestaltungsmöglichkeiten bieten.
Die Erhebung der Daten wurde gefördert von der Förderkommission Frauenforschung der
Berliner Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen. Es wurden biographisch-narrative
Interviews bei zehn Frauen in der 'empty-nest'-Phase erhoben. Die geringe Fallzahl
gibt der Untersuchung einen explorativen Charakter. Die zehn Frauen waren Teilnehmerinnen
von viersemestrigen weiterbildenden Studiengängen, die von zwei Universitäten in ähnlicher
Strukturierung, aber mit unterschiedlichen Zielsetzungen (qualifizierend und allgemeinbildend-emanzipierend)
angeboten wurden. Die qualitativen Daten wurden unter der Perspektive von vier Theoriekonzepten
- Individualisierung, Lebenslauf, Vergesellschaftung und materialistische Theorie
Bourdieus - analysiert. Es war ein besonderes Anliegen in dieser Untersuchung, die
Perspektiven und den handelnden Umgang der Teilnehmerinnen zu erfassen. Beide weiterbildenden
Studiengänge wurden in ihren Auswirkungen auf die Teilnehmerinnen auch vergleichend
gegenüber gestellt. Die Untersuchungsergebnisse zeigten, dass die systematischen wissenschaftlichen
Weiterbildungsangebote eine sinnvolle und attraktive Form der Vergesellschaftung für
Frauen in der 'empty-nest'-Phase darstellten. Sie boten ein hilfreiches Moratorium,
das den Frauen eine Neuordnung der Verhältnisse und Perspektiven erleichterte. Im
sozialen institutionellen Kontext der Universitäten konnten erweiterte soziale Interaktionen
stattfinden, Kompetenzen entfaltet, neue Identitätsmuster konstruiert sowie neue Handlungsdispositionen
erworben werden. Die befragten Frauen erlangten eine deutlich gestärkte Position bei
familiären Aushandlungsprozessen. Auf dem Arbeitsmarkt jedoch verbesserten sich ihre
Chancen kaum. Deshalb wurde für die Nachfolgezeit mehrfach ein Verbleiben im Bildungsbereich
angestrebt. Eine Ausweitung und Institutionalisierung von strukturierten universitären
Weiterbildungsangeboten erscheint vor allem unter dem Aspekt der Aufarbeitung von
Differenzerfahrungen in besonderen Lebenslagen und -phasen empfehlenswert." (Autorenreferat)