Analytical Strategy for Dealing with Neutrality Claims and Implicit Masculinity Constructions: Methodological Challenges for Gender Studies in Science and Technology
Titelübersetzung:Neutralitätsansprüchen und impliziten Männlichkeitskonstruktionen in den Natur- und Technikwissenschaften analytisch begegnen: methodologische Herausforderungen und Analysestrategien für die Geschlechterforschung
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 17 (2016) 3, 21 S
Inhalt: Auf Basis eines empirischen Beispiels diskutieren wir in diesem Beitrag methodologische Herausforderungen für die Untersuchung geschlechtlicher Zuschreibungen in epistemischen Kulturen in Technik- und Naturwissenschaften. Konfrontiert mit Akteur_innen, die für sich selbst wie für ihre Arbeit Neutralität und Objektivität beanspruchen, sind Untersuchungen der Geschlechterforschung damit konfrontiert, Geschlechternormen zu rekonstruieren, die überwiegend implizit bleiben, ohne dabei selbst Geschlechterdifferenzen zu reifizieren. Mit dem Ziel, diese "Blackbox" zu öffnen, schlagen wir in diesem Beitrag eine Analysestrategie vor, um diesen subtilen, hochgradig normativen, diskursiven Praktiken der Zuschreibung von Geschlecht an epistemische Subjekte, Objekte und Tätigkeiten nachzugehen und exemplifizieren dies anhand einer eigenen empirischen Studie. Indem im qualitativen Datenmaterial Distinktionsmuster, einmal mit Bezug auf epistemische Grenzziehungen und einmal mit Bezug auf Geschlechterdifferenzierungen, miteinander verglichen werden, ist es möglich, die in den Daten existierenden Bezüge zwischen symbolischer Geschlechterordnung und epistemischen Kulturen aufzuspüren. Der vorgeblich neutrale "Wissenschaftler" bzw. "Ingenieur" wird dann als androzentrische Konstruktion eines männlich verfassten epistemischen Subjekts sichtbar.
Inhalt: On the basis of an empirical example, we offer in this article a methodological discussion of the challenges and pitfalls gender studies scholars face when analyzing how gender norms are attributed to epistemic cultures in science and engineering. Faced with actors who claim neutrality and objectivity for themselves and their work, the challenge is to analyze gender norms that are mostly implicit without reifying gender differences. Committed to the goal of opening this black box, we propose an analytical strategy for qualitative empirical research to unveil these subtle, highly normalized, discursive practices of attributing gender norms to the epistemic subjects, objects and activities in science and engineering, and exemplify it with reference to our own empirical study. By comparing the patterns of distinction with respect to epistemic boundaries and to gender differentiations, it is possible to trace connections between the symbolic gender order and epistemic cultures within the data. The allegedly neutral scientist as well as the engineering scholar is then shown to be the androcentric construction of a masculine coded epistemic subject.
Zwischen "Arzt spielen", "Work-Life-Balance" und "Highend-Medizin": wird "hegemoniale Männlichkeit" in der Medizin herausgefordert?
Titelübersetzung:Between "playing doctor", "work-life-balance", and "highend-medicine": do young doctors challenge "hegemonic masculinity" in the field of medicine?
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 17 (2016) 1, 30 S
Inhalt: Wir diskutieren die Frage, ob eine sogenannte "Feminisierung" bestehende "maskuline" Machtstrukturen in der Medizin herausfordert. Die Rede von der "Feminisierung der Medizin" setzt sowohl die "Maskulinität" voraus als auch deren Veränderung durch die Erhöhung des Frauenanteils. Wir stellen die Kontrastanalyse zweier Gruppendiskussionen aus der Längsschnittstudie Karriereverläufe und Karrierebrüche bei Ärztinnen und Ärzten während der fachärztlichen Weiterbildung (KarMed) vor; eine Diskussion mit angehenden Ärztinnen und eine mit angehenden Ärzten. Als manifestes Thema wurde Geschlechtlichkeit in beiden Diskussionen im diskursiven Kontext der sogenannten "Feminisierung" eingeführt - bezeichnenderweise im Kontrast zur gleichsam mythisch aufgeladenen Maskulinität der Chirurgie. Das Material unserer Gruppendiskussionen verweist auf eine nach wie vor maskuline Norm im Selbstverständnis der angehenden Ärztinnen und Ärzte. Die Männerrunde konstituierte sich als Gruppe der Ärzteschaft bei allen Differenzen wie selbstverständlich als männliche Norm. Die Frauengruppe konstituierte sich über eine geteilte Identifikation als "Frauen in der Medizin". Das Material wurde mit Methoden der psychoanalytischen Sozialforschung interpretiert und wird in diesem Beitrag im Hinblick auf die Begriffe der Feminisierung und der hegemonialen Männlichkeit diskutiert. (Autorenreferat)
Inhalt: In this contribution we discuss the question of whether the so-called "feminization" of medicine challenges persisting power structures in the field. The notion of the "feminization of medicine" implies both the "masculinity" of the field and its change due to the increasing number of female medical doctors. We present the comparative analysis of two group discussions from the longitudinal study "Career Paths and Career Breaks of Medical Doctors During Residency" (KarMed). One discussion was held with women, one discussion with men, all of whom had just completed their medical studies. In both discussions the theme of gender came up manifestly in the discursive context of the so-called "feminization of medicine". The discussants contrasted this "feminization" with the mythologically laden "masculinity" of surgery. The material of our group discussions indicates a persistent masculine norm in the perception of both female and male doctors. Despite all differences between their members, the group of men constituted itself as a group of medical doctors representing the masculine norm. The group of women constituted itself through shared identifications as "women in medicine". We analyzed the material with psychoanalytic methods in social research and we discuss our interpretations in relation to the notions of "feminization" and of "hegemonic masculinity". (author's abstract)
Abused women's understandings of intimate partner violence and the link to intimate femicide
Titelübersetzung:Femizid und das Verständnis missbrauchter Frauen von durch Intimpartner erfahrener Gewalt
Autor/in:
Dekel, Bianca; Andipatin, Michelle
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 17 (2016) 1, 30 S
Inhalt: In diesem Beitrag beschäftigen wir uns im Rahmen einer qualitativen Studie und unter einer feministisch-poststrukturalistischen Perspektive mit Frauen, die Gewalt durch Intimpartner überlebt haben und damit, welche Bezüge diese Frauen zu möglichem Femizid herstellen. Hierzu wurden sieben südafrikanische Frauen zwischen 23 und 50 Jahren in Interviews, die diskursanalytisch ausgewertet wurden, zur Geschichte ihres Gewalterlebens in Intimpartnerschaften befragt. Es wurde deutlich, dass die Frauen Gender-Identitäten entwickelt haben, die widersprüchliche und herausfordernde subjektive Erfahrungen mit Gewalt reflektieren und abhängig sind von dem spezifischen sozialen Kontext des Gewalterlebens. Auch schien eine Befassung mit potenzieller Tötung zu bedrohlich, und es wurde vor allem auf Weiblichkeit und romantische Liebe rekurriert, um den Verbleib bei den gewalttätigen Partnern zu rechtfertigen. Dies legt nahe, die Frage der Tötung von Frauen durch Intimpartner offensiver zu thematisieren, weil Frauen in Missbrauchsbeziehungen meist nur peripher sichtbar werden. (Autorenreferat)
Inhalt: In this article, we explore how women survivors of intimate partner violence understand the abuse they endured and the possible link to intimate femicide. This is a qualitative study based on a feminist poststructuralist perspective. Seven South African women, aged 23 to 50 years, with a history of different manifestations of Intimate Partner Violence (IPV) participated in open-ended interviews. The data was analyzed by means of discourse analysis. In their explanations, the women constructed gendered identities, which reflected contradictory and ambiguous subjective experiences. The women's understandings were filtered through the particular social context in which their abusive experiences occurred. The findings highlighted that contemplating femicide was too threatening, and consequently participants drew on discourses of femininity, romantic love, and others to justify their remaining in their violence-ridden relationships. It emphasizes the need for additional engagement in women's understandings of intimate femicide, as women who live in abusive relationships have largely been consigned to the periphery. (author's abstract)
Schlagwörter:häusliche Gewalt; domestic violence; Missbrauch; abuse; Republik Südafrika; Republic of South Africa; Diskursanalyse; discourse analysis; Interview; interview; Partnerschaft; partnership; woman; gender-specific factors; Femizid
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, soziale Probleme
Embodying critical and corporeal methodology: digital storytelling with young women in eating disorder recovery
Titelübersetzung:Digitale Erzählungen junger Frauen über den Gesundungsprozess nach einer Essstörung: zur Nutzung einer kritischen und körpernahen Methodik
Autor/in:
LaMarre, Andrea; Rice, Carla
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 17 (2016) 2, 26 S
Inhalt: Bei digitalen Erzählungen handelt es sich um eine kunstbasierte Forschungsmethode, die Forschenden erlaubt, eng mit den Untersuchungsteilnehmer/innen zu arbeiten, dominanten Diskursen zu widersprechen und die (Wieder-) Entfaltung körperlicher Ausdrucksmöglichkeiten zu fördern. In diesem Beitrag beschreiben wir, wie wir ein forschungsbasiertes Curriculum digitaler Erzählungen zur Untersuchung des Gesundungsprozesses nach einer Essstörung mittels Interviews mit jungen Frauen sowie unter Hinzuziehung von Forschungs- und belletristischer Literatur entwickelt haben. Wir zeigen, in welcher Weise dieses Curriculum als Gerüst genutzt werden konnte für den Ausdruck gelebter Gesundungserfahrungen. Die Erzählungen der Teilnehmerinnen verdeutlichen, was in diesem gemeinsamen Prozess besonders wesentlich war: Alle Erzählungen haben einen offenen Narrationsbogen, sie bekräftigen die (Inter-) Körperlichkeit der Gesundung und unterstreichen ein Konzept von Gesundung als Prozess. Nuancierungen in den individuellen Erzählungen verweisen auf die Einzigartigkeit körperlichen Erlebens im Gesundungsverlauf. Indem wir Essstörungen als Beispiel nehmen, wollen wir für die Potenziale digitaler Erzählung als kritische kunstbasierte Forschungsmethode sensibilisieren und zeigen, welcher Erkenntnisgewinn für uns daraus erwachsen ist, dass wir traditionelle Vorstellungen der Forscher/in-Untersuchungsteilnehmer/in-Beziehung verlassen und Kunst zum Stören dominanter Diskurse genutzt haben. (Autorenreferat)
Inhalt: Digital storytelling is as an arts-based research method that offers researchers an opportunity to engage deeply with participants, speak back to dominant discourses, and re-imagine bodily possibilities. In this article, we describe the process of developing a research-based digital storytelling curriculum exploring eating disorder recovery. We have built this curriculum around research interviews with young women in recovery as well as research and popular literature on eating disorder recovery. Here, we highlight how the curriculum acted as a scaffolding device for the participants' artistic creation around their lived experiences of recovery. The participants' stories crystallize what resonated for them in the workshop process: they each have an open-ended narrative arc, emphasize the intercorporeality of recovery, and focus on recovery as process. The nuances within each story reveal unique embodied experiences that contextualize their recoveries. Using the example of eating disorder recovery, we offer an illustration of the possibilities of digital storytelling as a critical arts-based research method and what we gain from doing research differently in terms of participant-researcher relationships and the value of the arts in disrupting dominant discourses. (author's abstract)
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 17 (2016) 2, 31 S
Inhalt: Ganzkörper-Kartografien wurden für Forschungszwecke erstmals in einem Projekt genutzt, in dem es um einen Vergleich von weiblicher Identität und Reproduktion zwischen ländlichen Regionen in Jamaika und in Großbritannien ging. Danach wurde dieser Ansatz im Rahmen eines in Südafrika durchgeführten Workshops weiterentwickelt mit dem Ziel, den Erfahrungen HIV-positiver Menschen zum Ausdruck zu verhelfen, der Stigmatisierung entgegenzuwirken und die Forderung nach der Bereitstellung anti-retroviraler Medikamente zu unterstützen. Bei einer Ganzkörper-Kartografie werden die Körperumrisse einer Person nachgezogen, um einen lebensgroßen Umriss zu generieren, der innerhalb eines kreativen und reflexiven Prozesses gefüllt wird, sodass ein Bild entsteht, das die multiplen Aspekte verkörperlichter Erfahrung repräsentieren soll. Es handelt sich bei Körper-Kartografien um eine qualitative, genauer im Bereich partizipativer Ansätze angesiedelte Methodik, deren Aufgabe es ist, Wissen zu generieren und zu distribuieren. Es bestehen aber nach wie vor Unsicherheiten, wie, von wem und in welchem Kontext die Methode zu nutzen ist. Deshalb präsentieren wir in diesem Beitrag eine systematische Bestandsaufnahme der verfügbaren Literatur. Es zeigt sich, dass sich Nutzungen von Kartografien insbesondere in Forschungs-, therapeutischen und erzieherischen Kontexten finden. Der Wert, der dabei z.B. auf soziale Gerechtigkeit, auf den Transfer von Wissen, auf Forschung und auf therapeutischen Nutzen gelegt wird, variiert tlw. erheblich, ebenso Intention und Durchführung des Verfahrens. Und obwohl der bisherige Stand recht vielversprechend ist, wären zusätzliche empirische Studien hilfreich, um die spezifischen Charakteristika von Körperkartografien im Rahmen wissenschaftlicher Forschung bzw. innerhalb klinischer, erzieherischer oder politischer Settings besser einschätzen zu können. (Autorenreferat)
Inhalt: The first recorded instance of whole-body-mapping for research purposes is a comparison of women's identity and the concept of the reproductive system in rural Jamaica and the UK. It was later developed in a structured workshop process in South Africa to give voice to the experiences of HIV positive individuals, decrease stigma, and advocate for provision of anti-retroviral medication. Whole-body mapping involves tracing around a person's body to create a life-sized outline, which is filled in during a creative and reflective process, producing an image representing multiple aspects of their embodied experience. Body-mapping holds promise as a qualitative, participatory research method to produce and disseminate knowledge. However, it is unclear how it is being used, by whom, and in what context. This article presents the findings of a systematic review of body-mapping in the published literature. The review identifies various implementations of body-mapping in research, therapeutic, and educational contexts. The degree of emphasis on social justice, knowledge translation, research, and therapeutic benefit varies a great deal, as does the intent and use of body-mapping. While body-mapping holds promise, more empirical investigation would be valuable in determining its characteristics in research, clinical, educative and political spheres. (author's abstract)
Ethical tensions as educative spaces in narrative inquiry
Titelübersetzung:Ethische Spannungen als Lehr-/Lernraum in narrativen Studien
Autor/in:
Park, Elly; Caine, Vera; McConnell, David; Minaker, Joanne
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 17 (2016) 2, 19 S
Inhalt: In "The Human Condition" (1958) ermutigt uns Hannah Arendt, uns intensiv mit unserer Rolle in Beziehungen auseinanderzusetzen und aufmerksam gegen eigene Handlungen und Intentionen zu sein. In diesem Beitrag greifen wir ethische Spannungen auf, die eine von uns im Verlauf ihrer Forschungsarbeit mit Frauen mit Lernschwierigkeiten erlebte, die Berührungen zu Einrichtungen der Strafverfolgung hatten. Genauer geht es um die Promotion der Erstautorin, die in ihrer Studie vier Frauen zu deren Leben befragte. Die ethischen Themen, die in diesem Zusammenhang deutlich wurden, sind vielschichtig und komplex, und sie warfen Fragen nach Engagement und Verantwortlichkeit auf. Wir behandelten die hiermit verbundenen Spannungen als Lehr-/Lernraum für die Promovendin und ihr Supervisionskomitee. Im Besonderen beschäftigten wir uns mit der Frage, wer wir als Forschende sind bzw. wie wir zu Forschenden werden in Beziehung zu den Menschen, die wir in unseren Studien befragen. Als Beitrag zur Debatte über Ethik in der qualitativen Sozialforschung betonen wir die Notwendigkeit, Forschungsbeziehungen als Teil eines komplexen Netzwerkes zu verstehen, das uns als menschliche Wesen miteinander verbindet. (Autorenreferat)
Inhalt: In "The Human Condition", Hannah Arendt (1958) calls us to think deeply about our role in relationships, to be mindful of our actions and intentions. In this article, we take up the ethical tensions one of us faced while working alongside women with learning difficulties, who have been involved in the criminal justice system. The narrative inquiry is based on the doctoral research of the first author, who engaged with four women in the living and telling of their experiences. The ethical questions that surfaced were complex, multilayered, and called forth questions of commitment and responsibilities. These tensions are contemplated as educative spaces by the first author and her supervisory committee. In particular, we look at ethical considerations in terms of who we are and are becoming as researchers in relation to participants we work with. Within the ongoing discourse about qualitative research ethics, this article emphasizes the need to think about research relationships as part of an intricate web that connects us all as human beings. (author's abstract)