"This Module is not only about Women and Gay People" - Gender Mainstreaming in der europäischen Asylpolitik: von einem essentialisierenden zu einem intersektionalen Genderverständnis?
Autor/in:
Welfens, Natalie
Quelle: Femina Politica - Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 25 (2016) 2, S 77-92
Inhalt: Entgegen des eigentlichen Anspruchs von Gender Mainstreaming, Eingang in alle Politikbereiche zu finden, spielten Fragen rund um Geschlechtergerechtigkeit in der europäischen Asylpolitik lange Zeit lediglich eine marginale Rolle. Vereinzelt existierende nationale Gender Mainstreaming Ansätze weisen erhebliche Diskrepanzen auf und internationale Ansätze reduzierten Gender faktisch auf homogen betrachtete Gruppen besonders Schutzbedürftiger, insbesondere Frauen. Trotz einer zweifelsohne guten Absicht ist die damit einhergehende Essentialisierung dieser Gruppen problematisch. Ein reduktionistisches Verständnis von Gender (Mainstreaming) kann den komplexen Identitäten Schutzsuchender und sich daraus ergebenden Diskriminierungen kaum gerecht werden. Ziel dieses Beitrags ist es, festzustellen, welches Verständnis von Gender dem aktuellen Gender Mainstreaming Ansatz auf EU-Ebene zugrunde liegt: in den erneuerten Richtlinien des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und den flankierenden Schulungsmaterialien des European Asylum Support Office (EASO). Der Artikel liefert erste Erkenntnisse darüber inwiefern sich darin ein (potentieller) Wandel von einem essentialisierenden zu einem intersektionalen Genderverständnis abzeichnet. (Autorenreferat)
Inhalt: Contrary to gender mainstreaming’s initial objective to be implemented in all policy areas, questions of gender equality only played a marginal role in the field of European asylum policy for a long time. The few existing national gender mainstreaming approaches show significant discrepancies and international approaches reduce gender de facto to particularly vulnerable groups that are considered homogeneous – mostly women. Despite indubitably good intentions the underlying essentialism of this approach is problematic. A reductionist conception of gender (mainstreaming) cannot do justice to the complex identities and resulting discriminations of asylum seekers. The objective of this article is to analyse which gender conception is displayed in the current gender mainstreaming approach on the EU-level: in the recast directives of the Common European Asylum System (CEAS) and the accompanying training materials of the European Asylum Support Office (EASO). The article provides first findings of a (potential) shift from an essentialist to an intersectional gender conception. (author's abstract)
Schlagwörter:EU; Gender Mainstreaming; Asylpolitik; gender; EU policy; asylum policy; gender-specific factors; gender mainstreaming; Gender; EU-Politik; EU; Gemeinsamen Europäischen Asylsystems; GEAS; European Asylum Support Office; EASO
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Europapolitik
Schwierige Verhältnisse: Menschenhandelsopfer und Geschlecht in Gerichtsverfahren
Titelübersetzung:Difficult relations: how the gender of victims of trafficking in human beings affect
Autor/in:
Pates, Rebecca; Dölemeyer, Anne; Leser, Julia
Quelle: Femina Politica - Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 25 (2016) 1, S 24-38
Inhalt: "Das deutsche Strafrecht unterscheidet Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Unsere Untersuchungen zeigen, dass das soziale Objekt 'Opfer von Menschenhandel' trotz geschlechtsneutraler Gesetzgebung in popkulturellen Narrativen aber auch in Praktiken der Rechtsprechung stark vergeschlechtlicht ist. An die Zeuginnen bzw. Zeugen werden geschlechtlich codierte Erwartungen herangetragen. Dies ist nicht einfach in einem Sexismus der RichterInnen begründet, sondern ein struktureller Effekt der Logik von Rechtsprechung und institutioneller Pfadabhängigkeiten. So werden Standardnarrative zum weiblichen, unschuldigen Opfer sexueller Ausbeutung in der Prostitution zum Deutungshorizont in Gerichtsverfahren, an dem die realen Personen, die als Geschädigte aussagen, gemessen werden. Zur Arbeitsausbeutung fehlen dagegen verfestigte Narrative, und die Unterstützung von Betroffenen ist weit weniger institutionell verankert. Fälle von Arbeitsausbeutung werden deutlich seltener angeklagt, und die Betroffenen erscheinen vorrangig als ökonomische Subjekte und häufiger als Mitschuldige. In beiden Fällen resultiert dies in einem Verschwinden von Opfern: Im einen Fall aufgrund der Überdeterminierung, im anderen Fall aufgrund von Unterbestimmung." (Autorenreferat)
Inhalt: "German criminal law distinguishes between trafficking in human beings for the purpose of forced labour and for sexual exploitation. Though the language of the law is gender neutral, our research shows that 'victim of trafficking' as a social object is strongly gendered, both in standardized narratives about trafficking and in juridical practice. Courts and other institutional actors attending to witnesses in such trials work in accordance with strongly gendered expectations, not because of the sexism of individual judges, but due to the structural logic of German legal practice and institutional path dependency. Standardized narratives featuring feminine, innocent victims of sexual exploitation in prostitution structure the expectations of those who hear actual victim statements in trials, and affect how their statements are evaluated. Victims of labour exploitation reach the courts far less, and the victims are framed as economically interested subjects and often as active participants in their victimization. In both cases victims disappear: the one set of victims is over-, the other underdetermined, by expectation." (author's abstract)
"This Module is not only about Women and Gay People" - Gender Mainstreaming in der europäischen Asylpolitik: von einem essentialisierenden zu einem intersektionalen Genderverständnis?
Autor/in:
Welfens, Natalie
Quelle: Femina Politica - Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 25 (2016) 2, S 77-92
Inhalt: Entgegen des eigentlichen Anspruchs von Gender Mainstreaming, Eingang in alle Politikbereiche zu finden, spielten Fragen rund um Geschlechtergerechtigkeit in der europäischen Asylpolitik lange Zeit lediglich eine marginale Rolle. Vereinzelt existierende nationale Gender Mainstreaming Ansätze weisen erhebliche Diskrepanzen auf und internationale Ansätze reduzierten Gender faktisch auf homogen betrachtete Gruppen besonders Schutzbedürftiger, insbesondere Frauen. Trotz einer zweifelsohne guten Absicht ist die damit einhergehende Essentialisierung dieser Gruppen problematisch. Ein reduktionistisches Verständnis von Gender (Mainstreaming) kann den komplexen Identitäten Schutzsuchender und sich daraus ergebenden Diskriminierungen kaum gerecht werden. Ziel dieses Beitrags ist es, festzustellen, welches Verständnis von Gender dem aktuellen Gender Mainstreaming Ansatz auf EU-Ebene zugrunde liegt: in den erneuerten Richtlinien des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und den flankierenden Schulungsmaterialien des European Asylum Support Office (EASO). Der Artikel liefert erste Erkenntnisse darüber inwiefern sich darin ein (potentieller) Wandel von einem essentialisierenden zu einem intersektionalen Genderverständnis abzeichnet. (Autorenreferat)
Inhalt: Contrary to gender mainstreaming’s initial objective to be implemented in all policy areas, questions of gender equality only played a marginal role in the field of European asylum policy for a long time. The few existing national gender mainstreaming approaches show significant discrepancies and international approaches reduce gender de facto to particularly vulnerable groups that are considered homogeneous – mostly women. Despite indubitably good intentions the underlying essentialism of this approach is problematic. A reductionist conception of gender (mainstreaming) cannot do justice to the complex identities and resulting discriminations of asylum seekers. The objective of this article is to analyse which gender conception is displayed in the current gender mainstreaming approach on the EU-level: in the recast directives of the Common European Asylum System (CEAS) and the accompanying training materials of the European Asylum Support Office (EASO). The article provides first findings of a (potential) shift from an essentialist to an intersectional gender conception. (author's abstract)
Schlagwörter:EU; Gender Mainstreaming; Asylpolitik; gender; EU policy; asylum policy; gender-specific factors; gender mainstreaming; Gender; EU-Politik; EU; Gemeinsamen Europäischen Asylsystems; GEAS; European Asylum Support Office; EASO
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Europapolitik
Schwierige Verhältnisse: Menschenhandelsopfer und Geschlecht in Gerichtsverfahren
Titelübersetzung:Difficult relations: how the gender of victims of trafficking in human beings affect
Autor/in:
Pates, Rebecca; Dölemeyer, Anne; Leser, Julia
Quelle: Femina Politica - Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 25 (2016) 1, S 24-38
Inhalt: "Das deutsche Strafrecht unterscheidet Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Unsere Untersuchungen zeigen, dass das soziale Objekt 'Opfer von Menschenhandel' trotz geschlechtsneutraler Gesetzgebung in popkulturellen Narrativen aber auch in Praktiken der Rechtsprechung stark vergeschlechtlicht ist. An die Zeuginnen bzw. Zeugen werden geschlechtlich codierte Erwartungen herangetragen. Dies ist nicht einfach in einem Sexismus der RichterInnen begründet, sondern ein struktureller Effekt der Logik von Rechtsprechung und institutioneller Pfadabhängigkeiten. So werden Standardnarrative zum weiblichen, unschuldigen Opfer sexueller Ausbeutung in der Prostitution zum Deutungshorizont in Gerichtsverfahren, an dem die realen Personen, die als Geschädigte aussagen, gemessen werden. Zur Arbeitsausbeutung fehlen dagegen verfestigte Narrative, und die Unterstützung von Betroffenen ist weit weniger institutionell verankert. Fälle von Arbeitsausbeutung werden deutlich seltener angeklagt, und die Betroffenen erscheinen vorrangig als ökonomische Subjekte und häufiger als Mitschuldige. In beiden Fällen resultiert dies in einem Verschwinden von Opfern: Im einen Fall aufgrund der Überdeterminierung, im anderen Fall aufgrund von Unterbestimmung." (Autorenreferat)
Inhalt: "German criminal law distinguishes between trafficking in human beings for the purpose of forced labour and for sexual exploitation. Though the language of the law is gender neutral, our research shows that 'victim of trafficking' as a social object is strongly gendered, both in standardized narratives about trafficking and in juridical practice. Courts and other institutional actors attending to witnesses in such trials work in accordance with strongly gendered expectations, not because of the sexism of individual judges, but due to the structural logic of German legal practice and institutional path dependency. Standardized narratives featuring feminine, innocent victims of sexual exploitation in prostitution structure the expectations of those who hear actual victim statements in trials, and affect how their statements are evaluated. Victims of labour exploitation reach the courts far less, and the victims are framed as economically interested subjects and often as active participants in their victimization. In both cases victims disappear: the one set of victims is over-, the other underdetermined, by expectation." (author's abstract)