Inhalt: Die Autorinnen mussten sich mit ihrer Einführung in das interdisziplinäre Feld der feministischen Theorienbildung drei grundlegenden Schwierigkeiten stellen: Es handelt sich in diesem Bereich nicht um eine Theorie, sondern um ein zum Teil kontrovers diskutiertes Set verschiedenster Ansätze, welche alle dem Spannungsbogen zwischen wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse und einem praktischen, politischen Anspruch unterliegen und letztendlich muss eine solche Gesamtdarstellung einfach und übersichtlich gestaltet sein. In diesem Band werden diese Probleme gelöst, indem die Vielfalt der Theorien entlang einer Leitfrage aufgearbeitet wird: 'Die organisierende Perspektive unserer Einführung in die feministische Theorien ist die gegenwärtig heiß diskutierte Frage: In welchem Verhältnis stehen die Analysen der sozialen Differenzen zwischen Männern und Frauen zu Analysen, die sich auf die sozialen Differenzen unter Frauen konzentrieren? Auf welchen Argumenten basieren die beiden Richtungen?' (12) Dabei werden sowohl die Entwicklungsgeschichte als auch systematische Forschungsprobleme gleichermaßen berücksichtigt. Nach der Darstellung der Ausgangsprobleme feministischer Forschung und der Entwicklung der deutschsprachigen Debatte um das Geschlechterverhältnis beleuchten die Autorinnen zwei zentrale Kontroversen der Neunzigerjahre aus dem anglo-amerikanischen Raum: die Sex-Gender Debatte und den Diskurs über die soziale Heterogenität von Frauen. Dabei werden in besonderem Maße die Positionen von Judith Butler, Donna Haraway und Iris Young berücksichtigt. Im abschließenden Kapitel behandeln die Autorinnen die Frage der Subjekt Konstitution und den Einfluss der Arbeit Michel Foucaults auf feministische Theorienbildung. (ZPol, NOMOS)
Kein Abschied von Geschlecht : Thesen zur Grundlagendiskussion in der Frauen- und Geschlechterforschung
Titelübersetzung:No farewell to gender : theses on the basic discussion in women's studies and gender studies
Autor/in:
Knapp, Gudrun-Axeli
Quelle: Zwischen Emanzipationsvision und Gesellschaftskritik: (Re)Konstruktion der Geschlechterordnung in Frauenforschung - Frauenbewegung - Frauenpolitik. Ursula Hornung (Hrsg.), Sedef Gümen (Hrsg.), Sabine Weilandt (Hrsg.). Münster: Verl. Westfäl. Dampfboot (Forum Frauenforschung : Schriftenreihe der Sektion Frauenforschung in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie), 2001, S. 78-86
Inhalt: Die Autorin kommentiert die gegenwärtige, "postmodern" geführte Debatte über eine Grundlagenkrise der Frauen- und Geschlechterforschung, in welcher von einem "Wirksamkeitsverlust" der Kategorie Geschlecht oder sogar von einer "Auflösung der Geschlechterdifferenz" die Rede ist. Sie skizziert die theoretischen Hintergründe dieser Diskussion, die im wesentlichen von zwei Bereichen ausgehen: Zum einen von der Auseinandersetzung mit den Fundierungen feministischer Kritik, die sich auf die Unterstellung kollektiver Soziallagen und strukturell geteilter Probleme beziehen; zum anderen von der Sex/Gender-Debatte und ihrer Infragestellung einer naturgegebenen Zweigeschlechtlichkeit. In Bezug auf den Diskurs über "Geschlecht" ist nun die Frage zu klären, ob im einzelnen Geschlechterdifferenz als Eigenschafts- und Identitätskategorie, Geschlechterordnungen als symbolisch-kulturelle Klassifikations- und Regulationssysteme oder Geschlechterverhältnisse als sozialstrukturelle Organisationsform zwischen den Genus-Gruppen gemeint sind. Für die Zukunft der feministischen Forschung und die Arbeit der Sektion "Frauenforschung" in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie ist nach Meinung der Autorin folgendes wichtig: erstens eine stärkere Ausprägung der vergleichenden Perspektive und mehr Offenheit in der Diskussion der gesellschaftstheoretischen Grundlagen der eigenen Position; zweitens eine stärkere Kontextbezogenheit auf die veränderten sozialen und politischen Entwicklungen in Europa und der Welt; drittens mehr kritische Distanz zu identitätspolitischen Begründungen feministischer Theorie. (ICI2)