Making up people : berufsstatistische Klassifikation, geschlechtliche Kategorisierung und wirtschaftliche Inklusion um 1900 in Deutschland
Titelübersetzung:Making up people : occupational classification patterns, gendered categorization, and economic inclusion around 1900 in Germany
Autor/in:
Wobbe, Theresa
Quelle: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 41 (2012) H. 1, S. 41-57
Inhalt: "Wie die Geschlechter- und Segregationsforschung zeigt, beruhen Einteilungsmuster in männliche und weibliche Arbeitstätigkeiten nicht primär auf Arbeitsinhalten, sondern auf angenommenen männlichen oder weiblichen Attributen, die diesen Tätigkeiten zugeordnet werden. Der Beitrag behandelt die Wirkungsweise dieser Klassifikationsmuster anhand der statistischen Berufskategorie, mit der (einst) die folgenreiche Unterscheidung von wirtschaftlich produktiven und nicht produktiven Personen eingeführt wurde. Als sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Statistiker darum bemühten, die Einwohner eines Landes möglichst akkurat nach aktiver und passiver Bevölkerung zu erfassen, verlief dieser Versuch in hohem Maße entlang der Differenzierung von Frauen- und Männerarbeit. Der Beitrag stellt diesen Vorgang anhand von Deutschland in den Kontext von neuen Beobachtungsformen, Sozialwissenschaften und Nationalstaat. Anschließend geht es um die Prinzipien berufsstatistischer Klassifikation und um die Probleme, die bei dieser Form der Individualisierung von Inklusion auftreten. Im Folgenden wird gezeigt, wie die Idee der Erwerbsarbeit sozialwissenschaftlich diskursiviert und geschlechtlich kategorisiert wird. Zu der einen oder zu der anderen Geschlechtsklasse zu gehören, hatte und hat Folgen für das Zurecht-Machen von Personen ('making up people', Hacking 1986), für deren Zugehörigkeit zu Bevölkerungsgruppen und für ihre wirtschaftliche Inklusion. Die Prägekraft statistischer Klassifizierungsschemata für die geschlechtlichtliche Kategorisierung sollte daher inklusionstheoretisch erforscht werden." (Autorenreferat)
Inhalt: "According to gender and labor market research, differentiation of male and female work is not primarily grounded in specific tasks but rather rooted in male and female features attributed to work. In this paper, the effects of classification patterns are related to the categories used in occupational statistics. According to this argument statistical patterns contribute to gradual processes of inclusion into society by categorizing people. Put more precisely, this process of 'making up people' (Hacking 1986) is conflated with gendered views of persons. This conceptual conflation is examined in the historical context of emerging occupational statistics, social sciences, and law in Germany around 1900. Inasmuch as statistical observation differentiated between economically productive and non-productive work, gendered distinctions were deeply encoded in its categories. These distinctions were institutionalized by means of the social scientific definition of role models as well as legal codification. In the conclusion, the sociology of knowledge approach followed in this paper is extended toward a discussion of broader questions of inclusion and gender inequality. In order to explain the persistence of gendered classifications in the organization of work in society, further gender inequality research needs to account for the enduring social evidence and symbolic relevance of sex classifications at the meso and macro levels." (author's abstract)
"Leichtere Beschäftigungen": Geschlechterdifferenz als Leitbild der Forstlichen Arbeitswissenschaft
Titelübersetzung:'Lighter work': gender difference as a general principle in Forest Work Science
Autor/in:
Westermayer, Till
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 4 (2012) 1, S 124-140
Inhalt: "Die forstliche Arbeitswelt präsentiert sich als Männerdomäne. Das Fach der Forstlichen Arbeitswissenschaft war seit den 1920er Jahren an der Gestaltung der forstlichen Arbeitswelt beteiligt. In einer Inhaltsanalyse 'klassischer' Texte dieser forstwissenschaftlichen Disziplin wird das in mehreren Dimensionen auf Differenz basierende Geschlechterbild rekonstruiert. Demnach werden Frauen und Männer hier fast wie zwei separate 'Arten' behandelt. Differenz wird vor allem durch den Bezug auf körperliche Leistungsfähigkeit und 'geschlechtsspezifische' Fähigkeiten hergestellt. Frauen werden als schutzbedürftig dargestellt. Damit wird die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in männlich besetzte Erwerbsarbeit und weiblich besetzte Familienarbeit für den Mann zur Selbstverständlichkeit. Abschließend fragt der Beitrag, inwiefern diese Differenzsetzung heute noch wirksam ist und worin die Vor- und Nachteile einer Umorientierung in Richtung Diversität als Leitkategorie der (forstlichen) Arbeitswissenschaft liegen könnten." (Autorenreferat)
Inhalt: "Forestry presents itself as a male domain. As a discipline, Forest Work Science (Forstliche Arbeitswissenschaft) has helped to shape this sphere of work since the 1920s. Content analysis of 'classic' texts from this sub-discipline of Forest Science allow the dominant gender image to be reconstructed as being based on differences in several dimensions. Women and men are described almost as different 'species'. That difference is in particular constructed in relation to physical ability and 'gender-specific' skills. Women are seen as being in need of protection. All these differences normalize the gendered division of work, assigning men the role of breadwinner and women that of being responsible for family work for the man. The article concludes by asking to what extent this differentiation still exists and wherein lie the advantages and disadvantages of switching from difference to diversity as the dominant mode of thinking in (Forestry) Work Science." (author's abstract)
Schlagwörter:Forstwirtschaft; forestry; Arbeitswelt; world of work; Arbeitswissenschaft; ergonomics; gender; Leitbild; example; woman; Federal Republic of Germany; Geschlechtsrolle; gender role; Mann; man; Leistungsfähigkeit; performance; körperliche Arbeit; physical labor; gender-specific factors; Erwerbsarbeit; gainful work; Familienarbeit; family work; Wald; forest; Arbeit; labor; Deutschland; Germany; historische Entwicklung; historical development; Arbeitsteilung; division of labor; Geschlechterforschung; gender studies; Diversität; diversity
"Der Mann, der immer kann?": kritische Anmerkungen zum Begriff der sexualisierten Gewalt aus politisch-psychologischer Perspektive
Titelübersetzung:"The omnipotent Man?": critical remarks on the concept of sexualised violence from a political/ psychological perspective
Autor/in:
Roock, Marco
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 4 (2012) 2, S 116-128
Inhalt: "In den Diskursen um sexuelle Gewalt von Männern gegen Frauen findet sich die weitverbreitete Annahme, dass diese nichts mit Sexualität zu tun habe. Im Gegensatz zum Begriff der sexuellen Gewalt bevorzugen die AutorInnen den der 'sexualisierten Gewalt'. Dieser soll zum Ausdruck bringen, dass Sexualität nur insofern eine Rolle spiele, als sie als 'Mittel' zur Gewaltausübung instrumentell eingesetzt werde. Einziges Ziel sexueller Gewalt sei die Demonstration und Ausübung von Macht durch die sexuelle Erniedrigung des Opfers. Die 'Verflüchtigung des Sexuellen' (Parin) aus dieser Diskussion hat schwerwiegende Folgen für die Täterpsychologie. Die Reduzierung der Motive der Täter auf reine Machtausübung unter instrumenteller Zuhilfenahme von Sexualität stellt ein entscheidendes Problem dar, weil durch diese Argumentation letztlich narzisstisch-phallozentrische Männerphantasien - wenn auch ungewollt - gestützt werden. Darüber hinaus führt die strikte Trennung von Sexualität und Gewalt zu einer harmonischen Verklärung von Sexualität, was eine gesellschaftskritische und -politische Auseinandersetzung mit Sexualität verhindert und die spezifische Grausamkeit sexueller Gewalttaten verdeckt." (Autorenreferat)
Inhalt: "In the discourses of sexual violence by men against women one widespread assumption is that this has nothing to do with sexuality. Contrary to the concept of sexual violence, the authors prefer that of 'sexualized violence'. This is intended to express the fact that sexuality only plays a role insofar as it is exploited as a 'means' of exerting violence. The only purpose of sexual violence is to demonstrate and exercise power by sexually humiliating the victim. The 'volatilization of sexuality' (Parin) from this discussion has serious consequences for the psychology of the offender. Reducing the offenders' motives to the mere exercise of power under the exploitative use of sexuality is a crucial problem, because ultimately, this argument supports - albeit unintentionally - narcissistic-phallocentric male fantasies. The strict separation of sexuality and violence leads to a harmonious glorification of sexuality, which prevents the social criticism and political analysis of sexuality and obscures the specific cruelty of sexual violence." (author's abstract)
Schlagwörter:gender; Geschlechterforschung; gender studies; Mann; man; Sexualdelikt; sexual offense; Sexualität; sexuality; Gewalt; violence; Herrschaft; domination; politische Psychologie; political psychology; Kritische Theorie; critical theory; Subjekt; subject; Macht; power; sexueller Missbrauch; sexual abuse; Kritik; criticism
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Familiensoziologie, Sexualsoziologie, soziale Probleme, angewandte Psychologie
Auf der Suche nach Balance: Frauen und Männer zwischen Beruf, Familie und Engagement
Autor/in:
Alscher, Mareike
Quelle: WZB-Mitteilungen, (2010) 129, S 31-33
Inhalt: "Verschiedene Lebensbereiche in Balance zu bringen ist eine zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe. Wenn es um das Gleichgewicht von Beruf, Familie und freiwilligem Engagement geht, sind Frauen stärker herausgefordert als Männer. Bestimmte Lebensphasen begünstigen die freiwilligen Aktivitäten von Frauen. Viele sind in der Familienphase, wenn sie sich etwa in Schulen und Kindergärten engagieren. Es ist naheliegend, dass teilzeitbeschäftigte Mütter hier aktiver sind als Mütter, die Vollzeit arbeiten. Mehr Zeit für ehrenamtliches Engagement haben Männer. Trotz Vollzeitjobs und Familie gelingt es ihnen, sich in höherem Maße als Frauen zu engagieren." (Autorenreferat)
Inhalt: "It is an important sociopolitical task to bring various spheres of life into balance. It is a much bigger challenge for women than for men to juggle working life, family and voluntary engagement. There are certain stages in life when it is easier for women to get involved in voluntary activities – many are parenting when they become involved in kindergartens and schools, for example. Obviously, mothers with part-time jobs are more involved than mothers who work full-time. Men, meanwhile, have more time on their hands for voluntary work. Even if they are working full-time and have families, they are able to commit more time for voluntary activities than women." (author's abstract)
Technikkultur im Wandel : Ergebnisse der Geschlechterforschung in Technischen Universitäten
Titelübersetzung:Change of technology culture : results of gender studies in technical universities
Autor/in:
Ihsen, Susanne
Quelle: Beiträge zur Hochschulforschung, Jg. 32 (2010) H. 1, S. 80-97
Inhalt: "Die Zahl qualifizierter und interessierter junger Frauen in den Natur- und Ingenieurwissenschaften stieg zwar in den letzten zehn Jahren stetig an, doch obwohl junge Frauen häufig eine bessere schulische Qualifikation als junge Männer vorweisen können, bewerben sie sich nicht in ausreichendem Maß für ein natur- oder ingenieurwissenschaftliches Studium an den Technischen Universitäten. Eine mögliche Ursache ist ein traditionell geprägtes, "männliches" Anforderungsprofil, kommuniziert in Bildungseinrichtungen und Unternehmen. Die Integration der Geschlechterforschung in diese Kulturen führt zu einer neuen Perspektive für diese Institutionen. Dieser Beitrag zeigt zunächst die Beharrungstendenzen der Technikkultur gegenüber Veränderungsansätzen auf und begründet sie. Daran schließt sich eine Einordung der Geschlechterforschung in die Technikkultur und ihre Potenziale zur Veränderung an. Abschließend werden Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt über die Studieneingangsphase von ca. 4000 Studierenden an neun Technischen Universitäten als eine Zwischenbilanz eingeleiteter Veränderungen vorgestellt und diskutiert." (Autorenreferat)
Inhalt: "During the last ten years, the numbers of qualified and interested young women in science and engineering have continuously grown. But although young women perform better at school than their male counterparts, their application rates for technical universities are low. One reason could be that study and job profiles in this sector are traditionally male-oriented. Integrated gender studies in science and engineering show new perspectives for these institutions. This paper first explains the resistance towards change in technical culture. It discusses the possible role and contribution of gender studies in this technical culture and analyses the chances for change. Finally, the paper presents results of a survey on the situation of 4000 first-year students, focusing on the position of women in technical universities and showing their motivation and conflicts in the integration phase." (author's abstract)
Kritische Anmerkungen zur These der Gendersymmetrie bei Gewalt in Paarbeziehungen
Titelübersetzung:Critical comments on the thesis of gender symmetry in domestic violence
Autor/in:
Schröttle, Monika
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 2 (2010) 1, S 133-151
Inhalt: "Der Beitrag befasst sich kritisch mit der These der Gendersymmetrie bei Gewalt in Paarbeziehungen und ihrer empirischen, sozialwissenschaftlichen und politischen Relevanz. Er zeigt auf, dass nicht von einer Gleichbetroffenheit beider Geschlechter durch Gewalt in heterosexuellen Paarbeziehungen auszugehen ist, insbesondere wenn Muster, Schweregrade und kontextuelle Bedeutungen von Gewalt einbezogen werden. Gleichwohl wird für eine Entpolarisierung des Diskurses der einseitigen Festlegung von Frauen/ Männern auf Opfer-/ Täterpositionen plädiert." (Autorenreferat)
Inhalt: "The article focuses critically on the thesis of 'gender symmetry' in domestic violence, and discusses its empirical and scientific, as well as political, relevance. Empirical data shows that victimization of men and women through violence in heterosexual couple relationships differs relevantly when patterns and levels of violence, as well as contextual meanings, are taken into account. Despite this, the author argues, that it is necessary to depolarize unbalanced victim-perpetrator discourses that tend to fix women and men in traditional positions." (author's abstract)
Schlagwörter:Geschlechterforschung; gender studies; Geschlechterverhältnis; gender relations; Gewalt; violence; Mann; man; woman; Täter; offender; Opfer; victim; gender; Partnerschaft; partnership; Konflikt; conflict; Ehe; marriage; Misshandlung; maltreatment; USA; United States of America; Großbritannien; Great Britain; Federal Republic of Germany; vergleichende Forschung; comparative research; soziale Ungleichheit; social inequality; Diskurs; discourse; häusliche Gewalt; domestic violence; Nordamerika; North America
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, soziale Probleme, Kriminalsoziologie, Rechtssoziologie, Kriminologie
De-militarizing masculinities in the age of empire
Titelübersetzung:Demilitarisierung von Männlichkeitskonstruktionen im Zeitalter des US-Empire
Autor/in:
Sharoni, Simona
Quelle: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 37 (2008) 2, S 147-164
Inhalt: 'Dieser Artikel untersucht kritisch die Beziehung zwischen Männern, vorherrschenden Männlichkeitskonzeptionen und den Prozessen und Praktiken, die ins Spiel kommen, wenn Männlichkeiten militarisiert und zum Kriegszweck eingesetzt werden. Nach einer einleitenden Übersicht über die feministische und nicht feministische Literatur zu Militarisierung und Männlichkeitskonstruktionen konzentriert sich der Artikel auf die Aussichten für eine Demilitarisierung von Männern und Männlichkeitskonstruktionen im US-Empire seit dem 11. September 2001 und insbesondere im Kontext der Kriege in Afghanistan und im Irak unter der Führung der USA. Die Analyse unterscheidet zwischen dem Militär als System, Militarisierung als Prozess und Soldaten als Menschen. Da Kriege nicht ohne militarisierte Männlichkeit zu führen sind, helfen Kriegsgeschichten von Soldaten, die zu einer Demystifizierung des Krieges beitragen, auch die enge Verknüpfung zwischen Männlichkeit und Gewalt zu schwächen oder sogar aufzubrechen. Zu diesem Zweck steht die Analyse der Beschreibungen von Soldaten im Zentrum des Artikels. Eine wichtige Schlussfolgerung des Artikels ist, dass der Prozess der Demilitarisierung ausdrücklich alle Systeme der Herrschaft und Unterdrückung, einschließlich Sexismus, Rassismus und Homophobie, die explizit und implizit im Militarisierungsprozess zur Anwendung kommen, in Frage stellen und delegitimieren muss.' (Autorenreferat)
Inhalt: 'This article examines critically the relationship between men, dominant conceptions of masculinity, and the processes and practices that are at play as masculinities become militarized and deployed to fight a war. Following a critical review of feminist and non-feminist literature on militarization and masculinities, the article focuses on the prospects for de-militarizing men and masculinities in the United States empire since 11 September 2001 and especially in the context of the US-led wars on Afghanistan and Iraq. The analysis distinguishes between the military as a system, militarization as a process, and soldiers as human beings. As war cannot be fought without militarized masculinities, soldiers' war stories help de-mystify war, also work in turn to weaken, if not undo, the tightly constructed knot between masculinities and violence. Towards this end, a close reading of soldiers' accounts is at the center of the article. A key conclusion of the article is that the process of de-militarization has to explicitly call into question and to de-legitimize all systems of domination and oppression, including sexism, racism, and homophobia, that have been used both explicitly and implicitly during the process of militarization.' (author's abstract)
Schlagwörter:gender studies; Irak; social construction; political theory; soldier; Asia; North America; Militarisierung; Mystik; Rassismus; Unterdrückung; Middle East; Afghanistan; Sexismus; Herrschaftssicherung; soziale Konstruktion; Nordamerika; Asien; militarization; Iraq; Herrschaft; Südasien; politische Theorie; man; arabische Länder; feminism; masculinity; United States of America; sexism; domination; Arab countries; military; Militär; USA; oppression; Mann; Nahost; Geschlechterforschung; Feminismus; Entwicklungsland; South Asia; Soldat; Männlichkeit; guarantee of domination; Afghanistan; developing country; mysticism; racism
SSOAR Kategorie:Friedens- und Konfliktforschung, Sicherheitspolitik, Frauen- und Geschlechterforschung
Ist "Geschlecht" ein soziologischer Grundbegriff? : Ansprüche und Grenzen der Gender- und Frauenforschung
Titelübersetzung:Is gender a basic sociological term? : claims and limitations of gender and women studies
Autor/in:
Schwinn, Thomas
Quelle: Österreichische Zeitschrift für Soziologie : Vierteljahresschrift der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie, Jg. 33 (2008) H. 4, S. 28-44
Inhalt: "Während es auf vielen Untersuchungsfeldern eine unproblematische Arbeitsteilung zwischen allgemeiner und theoretischer Soziologie einerseits und speziellen Soziologien andererseits gibt, ist das Verhältnis für die Genderforschung ungeklärt. Grundlagentheoretische Ansprüche stehen solchen Studien gegenüber, die Geschlecht als eine Strukturkategorie oder Variable neben anderen ansehen. Um hier zu einer schlüssigen Einschätzung zu kommen werden die beiden zentralen Makrodimensionen der Soziologie zur Erfassung moderner Gesellschaften, die Differenzierungs- und die Ungleichheitstheorie, herangezogen und an deren Beispiel die Zusammenarbeit getestet. Der Artikel kommt zum Ergebnis, dass eine geschlechtsblinde Theorie von der Berücksichtigung askriptiver Kriterien profitiert, die soziologische Theorie mit ihrem Begriffs- und Konzeptarsenal aber durchaus in der Lage ist, die Geschlechtsdimension zu erfassen und zu rekonstruieren. Gender ist kein soziologischer Grundlagenbegriff, der an allen sozialen Prozessen beteiligt ist. Das Relevantwerden oder Neutralisieren von Geschlecht hängt von bestimmten sozialen Ordnungsarrangements ab, die mit wohletablierten Theoremen analysierbar sind." (Autorenreferat)
Inhalt: "In many research fields, there is an unproblematic division of labor between theoretical sociology on the one hand and special sociologies on the other hand. The relationship between both is not clear in gender studies. Basic sociological claims can be found beside studies, which confine gender to a term of social structure or to a variable. To come to a better assessment the relationship between sociological theory and gender is tested in more detail in macrosociology, especially differentiation theory and social inequality as the two central macro concepts for the comprehension of modern societies. As a result, gender blind sociological theories can profit from considering ascriptive variables. But an advanced sociological theory is able to reconstruct and integrate the gender dimension. Gender is not a basic theoretical term involved in all social processes. The relevance or insignificance of gender depends on special arrangements of social order which can be grasped with established theories." (author's abstract)
Die Macht des Offensichtlichen : Bedingungen geschlechtlicher Personalisierung in der Wissenschaft
Titelübersetzung:The power of appearance : where gender matters in science
Autor/in:
Heintz, Bettina; Merz, Martina; Schumacher, Christina
Quelle: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 36 (2007) H. 4, S. 261-281
Inhalt: "Ausgehend von interaktionstheoretischen Überlegungen geht der Aufsatz der Frage nach, unter welchen Bedingungen personalisierende Beurteilungen in sachbezogene Interaktionsprozesse einfließen können. Diese Bedingungen werden für den Fall der Wissenschaft aufgrund einer ethnographischen Studie in vier Disziplinen (Botanik, Pharmazie, Meteorologie und Architektur) spezifiziert. Es werden drei Dimensionen identifiziert, anhand derer sich Disziplinen klassifizieren lassen: (a) Standardisierungsgrad der epistemischen Praktiken, (b) Grad der wechselseitigen Abhängigkeit und Kooperationszwang sowie (c) Trennbarkeit von beruflichen und privaten Erwartungszusammenhängen. Diese drei Dimensionen sind nicht nur wissenschaftssoziologisch instruktiv, sondern eröffnen auch eine neue Perspektive auf die Frage, unter welchen Bedingungen die immer mitlaufende Wahrnehmung der Geschlechtszugehörigkeit zu einem kommunikativ relevanten Merkmal wird." (Autorenreferat)
Inhalt: "The thesis underlying this article asserts that interaction is the main mechanism through which gender inequality is reproduced. Yet, it is contended that gender does not always matter: personal assessments drawing on attributes such as gender, interfere in professional interaction only under certain conditions. This contributions explores how such conditions can be specified in the case of science, based on an ethnographic investigation of four disciplines: botany, pharmacy, meteorology, and architecture. These disciplines are classified according to three dimensions: (a) the degree of standardization of epistemic practices, (b) the degree of mutual dependence and the obligation to cooperate, and (c) the extent to which private and professional expectations can be kept apart in the workplace. The authors maintain that these three dimensions are not only pertinent to the sociology of science but also provide a fresh insight into the conditions under which gender shapes social interaction." (author's abstract)
Die Metamorphosen der Gleichheit in der Europäischen Union : Genese und Institutionalisierung supranationaler Gleichberechtigungsnormen
Titelübersetzung:The European Union as authority structure of gender politics : the road from economic interests to supranational gender equality norms
Autor/in:
Wobbe, Theresa; Biermann, Ingrid
Quelle: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 59 (2007) H. 4, S. 565-588
Inhalt: "In der 50-jährigen Geschichte der EU ist das Verständnis von Geschlechtergleichheit ständig ausgeweitet und verändert worden. Der Beitrag untersucht diese Metamorphose in zwei Schritten. Mit Bezug auf das ökonomische Interesse an Lohngleichheit wird deren Kodifizierung (1957) im Kontext einer globalen Erwartungsstruktur rekonstruiert. Globale Normen werden allerdings nicht automatisch 'übertragen'. Daher nehmen die Verfasser im zweiten Schritt einen Ebenenwechsel vor und fragen nach deren Deutung und Umsetzung im europäischen System. Die Analyse macht deutlich, dass die erfolgreiche Institutionalisierung der Gleichberechtigungsnormen aufs Engste an die institutionelle Struktur des supranationalen Systems gekoppelt ist: Sie sind durch die Leitidee des Gemeinsamen Marktes legitimiert, durchgesetzt werden sie mit der genuin supranationalen Autorität. Die Ergebnisse zeigen, dass in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa, zunächst ohne feministische Agenda, eine neue supranationale Referenzstruktur für Gleichberechtigung entsteht, die die nationale Ebene überlagert. Der Beitrag schlägt vor, die weltgesellschaftliche sowie auch die geschlechtersoziologische Perspektive hierfür systematisch zu öffnen." (Autorenreferat)
Inhalt: "During the last 50 years, the European Union's meaning of gender equality constantly is in flux. This paper aims at examining the metamorphosis in two steps. (1) While relating the equal pay norm (1957) to the common market idea, its codification is reconstructed through the impact of global norms. (2) Changing to the European level, we reconstruct its interpetration and the way it was enforced. The metamorphosis of gender equality norms makes clear that the latter are deeply embedded in the institutional structure of the emerging supranational system: While gender equality is legitimized by the idea of the common market, its enforcement follows European authority. After 1945, a new reference structure of gender equality norms was established accordingly, transcending national levels. In their approach, both world society theory and sociology of gender should address this still emerging structure." (author's abstract)