Inhalt: Ziel des Beitrags ist es, exemplarisch jene Anschlussstellen zu beleuchten, an denen wissenschaftliches Wissen verschiedener Disziplinen die Alltagsevidenzen der Zweigeschlechtlichkeit stützt oder transformiert. Der Autor fragt damit nach der Art, wie die Produktion wissenschaftlichen Wissens an der Aufrechterhaltung der Zweigeschlechtlichkeit selbst beteiligt ist. Auch die Gender Studies haben hier keinen Grund (mehr) zu einem Avantgarde-Bewusstsein, auch sie sind zu einer distanzierten Beobachtung ihrer eigenen Leitunterscheidung aufgefordert. Der Anlass für die Selbstreflexion liegt im aktuellen Zustand jener Unterscheidung, die gerade wissenschaftliches Wissen organisiert: der von sex und gender. Der Begriff gender bezeichnete spätestens seit den 1970er Jahren die nicht-biologischen Aspekte der Geschlechterdifferenz: persönliche Identität, familiale Sozialisation, kulturelle Stereotypen, Sprechverhalten und grammatische Strukturen, Macht- und Liebesbeziehungen, ökonomische Lebenslagen, soziale Ungleichheit. Was diese Heterogenität lose zusammenhielt, war die semantische Opposition zu einem Gegenbegriff - sex. Die Ausführungen zeigen, dass diese semantische Opposition heute nicht mehr recht trägt. Die Konsequenzen der Erosion der Sex-Gender-Unterscheidung liegen im Wesentlichen darin, dass die Gender Studies die naturwissenschaftliche Geschlechterforschung nicht länger als politischen "Opponenten", sondern als intellektuellen Konkurrenten betrachten muss, mit dem sie ein gemeinsames Erkenntnisziel teilt: die Erforschung der geschlechtlichen Differenzierungen. (ICA2)