Quelle: Opladen (Jahrbuch Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft, 11), 2015. 210 S
Inhalt: Seit der grundlegenden Kritik an der Annahme einer "weiblichen Sozialisation" in der Geschlechterforschung wurde die Frage, wie Individuen in eine nach Geschlecht strukturierte Gesellschaft hineinwachsen, lange als überholt angesehen. Um zu einer Revitalisierung der Debatte über Sozialisation in der Geschlechterforschung beizutragen, betrachten die AutorInnen diese Frage sowohl hinsichtlich der Transformationen der theoretischen Debatte als auch in Bezug auf den Wandel der gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse. In den Anfängen der Frauenforschung erwies sich das Konzept der "geschlechtsspezifischen Sozialisation" als Motor für empirische Erkundungen von Ungleichheitsverhältnissen und als theoretisch nach vielen Seiten hin anschlussfähig. Schon bald kam es allerdings zur Kritik an der Annahme einer "weiblichen Sozialisation" in der Geschlechterforschung, die zum einen auf Grundannahmen der Sozialisationsforschung selbst zielte, zum anderen durch sozialkonstruktivistisch, ethnomethodologische und dekonstruktivistische Theoriedebatten in der Geschlechterforschung herausgefordert wurde. Seither hat es den Anschein, als lasse die Hinterfragung theoretischer Konzepte der Sozialisationsforschung auch insgesamt die Frage obsolet werden, wie Kinder, Jugendliche und Erwachsene handlungsfähige Subjekte in einer zweigeschlechtlich organisierten Gesellschaft werden. Das Jahrbuch stellt die Frage nach der Transformation von Sozialisation und Geschlecht in einer doppelten Weise. Zum einen geht es um Transformationen der Debatten zw. der theoretischen Perspektiven zu Geschlecht und Sozialisation. In entsprechenden Beiträgen geht es um die Frage, welche Theorieperspektiven die bisher kritisierten Dilemmata und Desiderate der Sozialisationsforschung transformieren können. Mit Blick auf exemplarische empirische Studien wird ausgelotet, wie erziehungswissenschaftliche Sozialisationsforschung zu Geschlecht heute konzipiert werden kann, um Prozesse der Vergeschlechtlichung und Ungleichheitsverhältnisse zu erfassen. Zum anderen geht es um aktuelle Transformationsprozesse gesellschaftlicher Geschlechterverhältnisse, die sich etwa in Debatten um eine Veränderung ehemals geschlechtsspezifischer Zuständigkeiten in Familien oder Bildungsinstitutionen zeigen, in denen es aber auch zur Dethematisierung von Geschlechterungleichheiten bei gleichzeitiger Reproduktion hierarchischer Geschlechterverhältnisse und zweigeschlechtlicher Normen kommt.
Paare und Ungleichheit(en): Eine Verhältnisbestimmung
Herausgeber/in:
Rusconi, Alessandra; Wimbauer, Christine; Motakef, Mona; Kortendiek, Beate; Berger, Peter A.
Quelle: Opladen (Gender : Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft ; Sonderheft, 2), 2013. 232 S
Inhalt: Die AutorInnen des zweiten GENDER-Sonderhefts untersuchen Paarbeziehungen als zentralen Ort, an dem Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern (re-)produziert, kompensiert oder verringert werden. Im Sinne eines 'Doing Couple', 'Doing Gender' und 'Doing (In)Equality' spielen dabei Anforderungen der Erwerbsarbeit, sozialpolitische Rahmenbedingungen und Aushandlungsprozesse der Paare eine wesentliche Rolle.
Schlagwörter:Gender; gender; soziale Ungleichheit; social inequality; Ehepaar; married couple; Arbeitsteilung; division of labor; Geschlechterforschung; gender studies; Geschlechterverhältnis; gender relations; Partnerwahl; choice of partner; Liebe; love; Sexualität; sexuality; Familiengründung; family formation; Familie-Beruf; work-family balance; Dual Career Couple; dual career couple; Berufsmobilität; occupational mobility; Elternschaft; parenthood; Kinderwunsch; desire for children; Elterngeld; family allowance; Partnerschaft; partnership; Familienpolitik; family policy; Federal Republic of Germany; alte Bundesländer; old federal states; neue Bundesländer; New Federal States; regionaler Vergleich; regional comparison; Paarfoschung
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Familiensoziologie, Sexualsoziologie
Strukturierung der Widersprüche: De- und Re-Naturalisierungsprozesse von Geschlecht in der posttraditionalen Gesellschaft
Titelübersetzung:Structuring of contradictions: denaturalization and renaturalization processes of gender in the post-traditional society
Autor/in:
Kahlert, Heike
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongress "Die Natur der Gesellschaft"; Frankfurt am Main, 2008. S 4748-4761
Inhalt: "Die spätmoderne Geschlechterordnung ist durch Widersprüche zwischen Re-Naturalisierungs- und Vergesellschaftungsprozessen von Geschlecht gekennzeichnet: Re-naturalisierende Zuschreibungen an die Geschlechter, z.B. hinsichtlich der (mit den generativen Funktionen begründeten) Arbeitsteilung, gehen Hand in Hand mit sozialen Dekonstruktionsprozessen, in denen Geschlecht und Generativität ihrer vorgeblichen Natürlichkeit entledigt und als durch und durch vergesellschaftet verstanden werden. Hier zeichnet sich eine Gleichzeitigkeit von Stabilität und Wandel in den Reproduktionsprozessen von Geschlecht ab. Soziologische Konzepte, die diese widersprüchliche Gleichzeitigkeit auf den Begriff zu bringen ermöglichen, sind jedoch rar. In dem Vortrag diskutiert die Verfasserin, welches Erkenntnispotenzial Anthony Giddens' Sozialtheorie der Strukturierung bietet, um dieses komplexe Problem zu begreifen. Dafür skizziert sie die Figur der Dualität von Geschlecht, in der sie die Konzepte der sozialwissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung von Geschlecht als Struktur- und Prozesskategorie mit Giddens' Konzept der Dualität von Struktur und Handlung zusammendenke. Diese Figur ist eng verknüpft mit Giddens' raumzeitlich strukturierten Vorstellungen zur Dialektik von Stabilität und Wandel, die ebenfalls erörtert und auf die oben genannten Widersprüche in den Reproduktionsprozessen von Geschlecht bezogen werden. Schließlich wird unter Rückgriff auf Giddens' Modernisierungstheorie dargelegt, dass die spätmoderne Geschlechterordnung eine von Menschen gestaltete, posttraditionale Ordnung ist, in der auch die Natur vergesellschaftet ist. In Weiterführung von Giddens' Argumentation lässt sich schlussfolgern, dass in dieser posttraditionalen Ordnung die Re-Naturalisierung von Geschlecht der Fortsetzung der patriarchalen Herrschaft dient, während die De-Naturalisierung von Geschlecht zur Demokratisierung beiträgt: Geschlecht und Geschlechterverhältnisse werden hier zum Verhandlungsgegenstand." (Autorenreferat)
Quelle: Geschlecht - Raum - Zeit: Text und Materialien ; zur Unterstützung des Studienprogramms "Gender Studies und feministische Wissenschaft". Marburg (Materialreihe / Zentrum für Gender Studies und Feministische Zukunftsforschung der Philipps-Universität Marburg), 2003, S 5-19
Inhalt: Alltäglich denken wir weder über Geschlecht noch Raum noch Zeit groß nach, wir gehen allerdings ständig damit um - in eingeübten Verhaltensmustern. Auch ohne darüber nachzudenken, sind wir daran gewöhnt, Raum und Zeit miteinander zu verknüpfen: Wenn wir eine Verabredung treffen, legen wir dafür einen Ort und einen Termin fest. Vergäßen wir das eine oder das andere, käme ein Treffen kaum zustande. Ähnlich sind wir daran gewöhnt, dass Landschaften zu bestimmten Jahreszeiten ein anderes Aussehen annehmen oder dass Menschen im Laufe ihres Lebens sowohl den Anspruch ans Wohnen als auch die Ausgestaltung ihrer Wohnung ändern - jedes Lebensalter hat also ein eigenes räumliches Gesicht. Etwas schwieriger erscheint die Verknüpfung von Geschlecht mit Raum oder von Geschlecht mit Zeit oder erst recht von Geschlecht mit RaumZeit. Unsere Art der Problematisierung des Themenfeldes 'Geschlecht und RaumZeit' beruht auf der Annahme, dass sowohl die Gegenstände wissenschaftlicher Betrachtungen als auch die Gegenstände dominanter Alltagsauseinandersetzungen abhängig sind von ihrer historischen Einbettung, politischen und ökonomischen Möglichkeiten sowie soziokulturellen Entwicklungen. Im wissenschaftlichen Diskurs wird diesbezüglich von sozialer Konstruktion gesprochen. Wenn Geschlecht wie Raum wie Zeit als sozial konstruiert angenommen werden und damit gesellschaftlichem Wandel unterliegen, ist auszuführen, von welchem Verständnis von Geschlecht und von RaumZeit ausgegangen werden kann. Erst auf Grundlage solchen Vorverständnisses kann eine Materialauswahl und Materialzusammenstellung für Lehrveranstaltungen zum Themenfeld vorgenommen werden.
Schöner neuer Raum: über Virtualisierung und Geschlechterordnung
Autor/in:
Sturm, Gabriele
Quelle: Zukunfts(t)räume: Geschlechterverhältnisse im Globalisierungsprozess. Königstein/Ts., 2001, S 57-79
Inhalt: Der Beitrag gehört innerhalb des Buches zum thematischen Schwerpunkt "RaumZeit" - der zugleich einer der drei transdisziplinären Arbeitsbereiche des "Zentrums für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung" an der Philipps-Universität Marburg ist. Nachdem die Autorin in ihrem Beitrag zunächst ausführt, was unter Virtueller Realität und virtuellem Raum in der neu entstehenden Informationsgesellschaft derzeit verstanden wird, stellt sie ein methodologisches RaumZeit-Modell als Analyseraster vor, in dem sie die diskutierten Raumkonstituen einer Virtuellen Gesellschaft einordnet. Sodann werden für den europäischen Kulturraum verschiedene Geschlechterkonstruktionen in ihrer historischen Abfolge hin zu einer modernen Geschlechterpolarität mit geschlechtlicher und räumlicher Arbeitsteilung und gestützt durch ein bürgerliches Identitätskonzept dargestellt. So kann schließlich ein Szenario über die sich aktuell entwickelnde Geschlechterzuordnung in einer quasi gedoppelten Realität aus realem und virtuellem Raum formuliert werden.