Natürlich normal: Schmerz, Normalität und Argumente aus der Steinzeit
Titelübersetzung:Naturally normal: pain, normality and arguments from the stone age
Autor/in:
Degele, Nina
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongress "Die Natur der Gesellschaft"; Frankfurt am Main, 2008. S 3149-3155
Inhalt: "Warum können Frauen nicht einparken und Männer nicht zuhören? Spätestens eine solche Frage (und noch mehr ihre Antworten) hat ein vorsichtiges Beschnuppern von sozial- und naturwissenschaftlichen Denkweisen und Forschungspraxen fast unmöglich gemacht. Gleichzeitig gilt das soziologische Diktum, Soziales nur mit Sozialem zu erklären, für alltägliches Wissen immer weniger. Das mag daran liegen, dass naturwissenschaftliche Erklärungsangebote - mehr als sozialwissenschaftliche - von Verantwortung entlasten, in ihrer Quintessenz einfach klingen und im Zuge gesellschaftlicher Verunsicherung noch einen vermeintlichen Hort von Sicherheit bieten. Die Soziologie nimmt das nur widerwillig und recht zögernd zur Kenntnis. Eine höhere Wertschätzung naturwissenschaftlichen Wissens (wie ungesichert und vermittelt dies auch konstruiert sein mag) kommt etwa in alltäglichen Wissensbeständen und Diskursen rund um Fitness und Fun (Konjunktur neuer Trend- und Risikosportarten), Sexualität (Enttabuisierung 'perverser' Sexualpraktiken und Lebensweisen) und arbeitszeitkompatibler Mutterschaft (Möglichkeiten einer planbaren und schmerzfreien Geburt) zum Ausdruck. Wie dies am Beispiel von Schmerzdiskursen geschieht und sich mit einer Anpassung an Imperative von Autonomie wie auch von Flexibilität verbindet, ist Thema des Beitrags: Im ersten Schritt rekonstruiert die Verfasserin die vermeintlich individuelle und biologische Empfindung von Schmerz als zutiefst soziales Phänomen (Vergesellschaftung von Schmerz). Dies geschieht anhand empirischen Materials aus einem laufenden interdisziplinären Projekt zur 'intersubjektiven Konstruktion und sprachlichen Codierung von Schmerz.' Dann zeichnet sie die Instrumentalisierung von Schmerz für die Konstruktion von Normalität und damit auch Identität nach (Naturalisierung von Schmerz). Dies geschieht mithilfe des impliziten oder expliziten Verweises auf vermeintlich sicheres naturwissenschaftliches Wissen wie etwa das Steinzeitargument (Männer als Jäger, Frauen als Sammlerinnen) und auf willentlich nicht beeinflussbare körperliche, genauer: hormonelle Prozesse (wie etwa die Ausschüttung von Endorphinen), denen die 'Verantwortung' für spezifischen Handlungs- und Erlebnisweisen aufgebürdet wird. Schließlich knüpft sie daran die These der Konstruktion von 'Normalitätskorridoren', die es AkteurInnen erlauben, Ansprüche gesellschaftskonformen Funktionierens und identitätsstiftender Exklusivität miteinander zu verbinden und bette dies in Überlegungen zu sich möglicherweise wandelnde Wissenskonfigurationen ein (sozialer Wandel)." (Autorenreferat)
Die Demographisierung der Geschlechtergleichstellung in Wirtschaft und Gesellschaft: Ergebnisse einer Fallstudie zum Gleichstellungsgesetz für die deutsche Wirtschaft
Titelübersetzung:Demographization of gender equality in industry and society: results of a case study on the Equal Opportunity Act for German industry
Autor/in:
Alemann, Annette von
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongress "Die Natur der Gesellschaft"; Frankfurt am Main, 2008. S 2643-2652
Inhalt: "Chancengleichheit von Frauen und Männern wird gesellschaftlich nicht mehr (nur) als Erfordernis sozialer Gerechtigkeit thematisiert, sondern auch als Ansatz zur Lösung eines demographischen Problems. Das ist das Ergebnis einer Fallstudie, die im Rahmen des Forschungsprojekts Wirtschaftseliten zwischen Konkurrenzdruck und gesellschaftlicher Verantwortung auf der Grundlage von Experteninterviews und Dokumentenanalysen angefertigt wurde. In ihrem Zentrum steht der Konflikt um die Institutionalisierung eines Gleichstellungsgesetzes für die deutsche Wirtschaft durch die seit 1998 amtierende rot-grüne Bundesregierung, der in eine eher unverbindliche Gleichstellungsselbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft mündete. Die Fallstudie arbeitet den Konfliktverlauf auf der Akteursebene und die begleitenden Diskurse heraus: Geschlechtergerechtigkeit versus Demographie; Chancengleichheit versus Vereinbarkeit von Beruf und Familie; gesetzliche Verpflichtung versus Freiwilligkeit. Ergebnis des Konflikts ist eine Diskursveränderung, die prägend ist für die Familienpolitik seit 2001. Der Gleichstellungsdiskurs wurde dabei weitgehend aufgegeben zu Gunsten einer Familienpolitik, die sich vor allem von einem demographischen Diskurs leiten lässt, in dessen Mittelpunkt die Finanzierung des Rentensystems, die Vereinbarkeitsproblematik von Beruf und Familie und die Gewinnung von Frauen als qualifizierte Arbeitskräfte in Unternehmen steht. Dieser Diskurs, der von der SPD-Familienministerin Bergmann initiiert und von ihrer Nachfolgerin Schmidt gesellschaftlich verankert wurde, ist durch die Kooperation von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft mit dem gemeinsamen Ziel der Familienfreundlichkeit gekennzeichnet und herrscht bis heute sowohl in der Rhetorik der Bundesregierung der Großen Koalition vor als auch in öffentlich und medial geführten Diskussionen. Damit lösen Argumente, die sich auf die 'Natur' von Frauen und Männern als Eltern beziehen, Argumente der Geschlechtergerechtigkeit ab, in deren Zentrum gerade die Überwindung von als 'natürlich' definierten Nachteilen für Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft stand." (Autorenreferat)
Schlagwörter:Bevölkerungsentwicklung; Gleichstellung; Akteur; Familienpolitik; Gesellschaft; Bundesregierung; Diskurs; discourse; society; act; Federal Republic of Germany; social actor; Gesetz; soziale Gerechtigkeit; equal opportunity; family policy; man; Diskussion; gender; justice; Chancengleichheit; discussion; science; Konflikt; social justice; statuary regulation; conflict; population development; woman; sozialer Wandel; Mann; Gerechtigkeit; economy; affirmative action; Wirtschaft; gesetzliche Regelung; social change; Federal Government
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Allgemeine Soziologie, Makrosoziologie, spezielle Theorien und Schulen, Entwicklung und Geschichte der Soziologie, Bevölkerung
Das moderne Geschlechterdispositiv und die Transformation von Machtbeziehungen bei Paaren
Titelübersetzung:The modern gender dispositive and transformation of power relations among couples
Autor/in:
Schneider, Werner; Hirseland, Andreas
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongress "Die Natur der Gesellschaft"; Frankfurt am Main, 2008. S 4762-4773
Inhalt: "Entlang etablierter Emanzipationsdiskurse und mit der Institutionalisierung von 'Gender Mainstreaming' scheint sich mittlerweile die Verwirklichung von (mehr) Geschlechteregalität zur gesellschaftlich anerkannten Querschnittaufgabe entwickelt zu haben und so die Ablösung der für die Moderne vorherrschenden Geschlechterordnung zu markieren. Dem gegenüber behauptet der zeitdiagnostisch-empirische Blick vielfach ein Fortbestehen oder gar Wiederaufleben ungleicher Praxis zwischen den Geschlechtern vor allem auch in den privaten Lebensverhältnissen. In Anlehnung an Michel Foucault entfaltet der Vortrag das moderne Geschlechterdispositiv als ein - auf eine historisch spezifische Situation rekurrierendes - 'formierendes Netz mit machtstrategischer Funktion' und zeigt, wie der behauptete Widerspruch zwischen geschlechterpolitischen Vorgaben und den alltagspraktischen Machtdynamiken von Paaren theoretisch gefasst und empirisch gedeutet werden kann. Dabei bilden Dispositive Möglichkeitsräume für diskursiv vermitteltes, 'für wahr genommenes' Wissen und konstituieren (überindividuelle) Handlungs-/ Interaktionsmuster, die in ihren symbolischen und materialen Objektivierungen jene Praxisfelder als 'Machtformationen' strukturieren, die wiederum von Diskursen bzw. den vorherrschenden Wissensordnungen adressiert werden. Diese analytische Verbindung von (Macht-)Wissen und Praxis verweist hinsichtlich der Akteure auf diskursiv formierte Subjektpositionierungen sowie deren korrespondierende Subjektivierungsweisen als (institutionalisierte) Praktiken der 'Selbst'-Deutung und Präsentation. Somit ist zu diskutieren, inwieweit Machtdifferenzen und Ungleichheiten in gegenwärtigen Paarbeziehungen als eine Kontinuierung der 'klassisch-modernen' Geschlechterordnung zu begreifen sind. Oder ob sich in dem eingangs skizzierten Widerspruch nicht vielmehr ein Wandel des Geschlechterdispositivs andeutet, in dem durch reflexiv-moderne Technologien des Selbst, der Selbstführung von vergeschlechtlichten Subjekten eine Transformation der Machtbeziehungen zwischen Männern und Frauen im Privaten vorangetrieben wird, die mit anders konturierter, aber keineswegs mit 'weniger' Geschlechterungleichheit einhergehen wird." (Autorenreferat)
Gewalt - eine (deviante) Verkörperung von Männlichkeit? Reflektionen auf die Beziehung von Devianz, Körper und Geschlecht
Titelübersetzung:Violence - a (deviant) embodiment of masculinity? Reflections on the relationship between deviance, the body and gender
Autor/in:
Bereswill, Mechthild
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongress "Die Natur der Gesellschaft"; Frankfurt am Main, 2008. S 2552-2560
Inhalt: "Im Mittelpunkt des Beitrags steht eine kritische Reflexion auf Grundannahmen gegenwärtiger Männlichkeitsforschung. Hier wird Gewalthandeln, verbunden mit dem Riskieren des eigenen Körpers als funktional für die Aneignung eines männlichen Geschlechtshabitus und die Reproduktion männlicher Herrschaft gesehen (Bourdieu, Meuser). Der Körper wird in diesem Kontext als 'sozialer Akteur' (Connell) und als Handlungsressource zur Konstruktion hegemonialer Männlichkeit, insbesondere für junge und für marginalisierte Männer thematisiert. Deviantes Risikoverhalten in der homosozialen Gruppe, so die These, korrespondiert eng mit dem Streben nach gesellschaftlich legitimen, hegemonialen Männlichkeitsidealen, selbst wenn diese unerreichbar bleiben. Gewalt zwischen Männern wird somit als ein Mittel begriffen, um Geschlechterordnungen zu stabilisieren. Wie weit trägt dieser handlungstheoretisch und funktionalistisch ausgerichtete Fokus auf den vergeschlechtlichen Körper? Welche Beziehung zwischen Devianz und einer symbolischen Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit wird hier theoretisch (explizit wie implizit) unterstellt? Den formulierten Fragen soll nicht nur theoriekritisch, sondern anhand von Ausschnitten aus einer qualitativen Längsschnittstudie zu den Biographien hafterfahrener junger Männer nachgegangen werden: Welche Beziehung zwischen Devianz, Körper und Männlichkeit zeigt sich in ihren Deutungsmustern von alltäglicher Gewalt? Haben wir es tatsächlich mit den körperlichen Inszenierrungen einer Reproduktion männlicher Herrschaft zu tun? Die letzte Frage weist in Richtung von Ambivalenzen, Brüchen und Uneindeutigkeiten im Hinblick auf die komplexe Beziehung zwischen Devianz, Körper und Geschlecht." (Autorenreferat)
Kleiderwechsel: Sackgassen und Perspektiven in patriarchalen Öffentlichkeiten
Autor/in:
Breckner, Ingrid; Sturm, Gabriele
Quelle: Differenzierungen des Städtischen. Opladen (Stadt, Raum und Gesellschaft), 2002, S 157-186
Inhalt: Der Beitrag verfolgt die Fragestellung, in welcher Beziehung Wesensmerkmale und Erscheinungsformen von Geschlechterverhältnissen zur Struktur und Entwicklung von öffentlichen Räumen in europäischen Städten stehen und inwiefern die feststellbaren Ausprägungen in ein umfangreicheres Geflecht von gesellschaftlichen Differenzierungsprozessen eingebettet sind. Die Reflexion dieser Beziehungen zeigt zum einen, dass öffentlicher Raum bis heute eine hierarchische Differenzierung aufweist, und zum anderen, dass diese einhergeht mit einer Naturalisierung der Geschlechterkonstruktion, die durch politische, ökonomische und sozio-strukturelle Entwicklungen der Gesellschaft geprägt und in ihrer Wirkungsmacht verschleiert ist. Die faktische Beschränktheit öffentlichen Raums hat Folgen sowohl für die Qualität urbaner Orte als auch für die politische Kultur unserer Gesellschaft(en).
Schlagwörter:Stadtsoziologie; urban sociology; öffentlicher Raum; public space; Geschlechterverhältnis; gender relations; Männlichkeit; masculinity; Weiblichkeit; femininity; Mann; man; woman; Arbeitsteilung; division of labor; Hierarchie; hierarchy; Öffentlichkeit; the public; Raumnutzung; space utilization; Mittelschicht; middle class; Unterschicht; lower class; Differenzierung; differentiation; Raum; zone; gender; Kategorie; category; politische Partizipation; political participation; Europa; Europe; Gesellschaft; society; Freiheit; freedom; Einbürgerung; naturalization; Stadt; town; Innenstadt; city center; Notwendigkeit; Genusgruppe
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Ethnologie, Kulturanthropologie, Ethnosoziologie, Siedlungssoziologie, Stadtsoziologie, Raumplanung und Regionalforschung