Quelle: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 32 (2003) H. 5, S. 396-417
Inhalt: "Die These, dass die soziale Kategorie Geschlecht ein grundlegendes Element sozialer Strukturierung sei, ist in der sozialwissenschaftlichen Geschlechterforschung weit verbreitet. In den letzten Jahren wurde sie unter Bezugnahme auf die Ergebnisse der Segregationsforschung vor allem über die Figur der 'Vergeschlechtlichung' ('gendering') von Arbeitsbereichen und Organisationen zu konkretisieren versucht. Gegen diese These wird eingewandt, dass die Kategorie Geschlecht in modernen Gesellschaften Funktionen eingebüßt habe und als Ordnungskategorie nur noch kontextuell von Bedeutung sei, dort, wo sie im sozialen Handeln relevant gemacht werde. Die damit aufgeworfenen Fragen werden im Aufsatz auf der Grundlage einer empirischen Untersuchung zum Berufsfeld Familienrecht näher beleuchtet. In den juristischen Berufsfeldern gilt das Familienrecht als deutlich segregierter ('feminisierter' ) Bereich. Der 'gendering' These zufolge müssten sich damit binäre Geschlechterstereotype so in den Beruf hinein verschoben haben, dass es zu einer Kanalisierung von Berufskarrieren von Frauen (Juristinnen) und zu einer Abwertung des Berufssegments kommt. Die empirischen Befunde der Untersuchung weisen daraufhin, dass diese Sichtweise einer Relativierung und Differenzierung bedarf. Sie zeigen zugleich, dass damit die strukturgenerative Kraft der Kategorie Geschlecht nicht ausgesetzt ist." (Autorenreferat)
Inhalt: "A prevalent thesis in sociological gender studies is that the social category 'gender' is a basic element in the structuring of society. Over the past years there have been attempts to substantiate this thesis by referring to the results of segregation research, especially on the idea of the 'gendering' of working areas and organizations. Objections to this thesis state that the category 'gender' has lost its major functions in modern societies and that as a category of social order it is only of contextual importance, i.e. when rendered relevant in social action. The questions which results from this will be examined in this essay, which uses as its basis empirical research on the occupational field of family law. In the legal profession family law is considered to be a significantly segregated ('feminized') area. According to the 'gendering' thesis, binary gender stereotypes have shifted into the profession to such an extent that women's careers are channeled in this direction and the occupational segment is devalued. The empirical findings indicate that this perspective needs to be relativized and differentiated. Furthermore, they reveal that the structure-generating force of the category gender has not vanished." (author's abstract)
Politik und Geschlecht : programmatische Gleichheit und die Praxis der Differenzierung
Titelübersetzung:Politics and gender : programmatic equality and differentiation practice
Autor/in:
Gildemeister, Regine; Robert, Günther
Quelle: Soziale Welt, Sonderband : Zeitschrift für sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis, (2003) Nr. 14, S. 217-239
Inhalt: Die Autoren beleuchten die Logik und die Wirkungen einer binär verfassten sozialen Konstruktion von Geschlecht aus einer wissenssoziologischen Perspektive. Nach einer einleitenden Erörterung der Grenzen und Gefahren einer Kategorisierung von "Geschlecht" betrachten sie die alltägliche soziale Praxis im Medium kommunikativer Interaktionen sowie den Stellenwert der sozialen Form der heterosexuellen Paarbeziehung. Sie untersuchen ferner die Dimension der institutionellen Ordnungen am Beispiel der Politik der Gleichstellung bzw. des "Gender Mainstreaming". Sie möchten mit ihren Ausführungen zeigen, dass im Rahmen institutionalisierter Politik Präsuppositionen und Bezugnahmen strukturell unterstellbar und auch empirisch nachweisbar sind: Politik referiert auf gesellschaftliche Konstrukte und reformuliert diese auf der Grundlage eigener Deutungssysteme und Semantiken. Die Autoren diskutieren unterschiedliche Dimensionen und Aggregationsebenen der sozialen Wirklichkeit von Geschlecht, auf die sich die Politik bezieht bzw. die Politik in der Art ihres Bezuges voraussetzt. (ICI)
Latente Differenzkonstruktionen : eine exemplarische Fallanalyse zu Geschlechterkonzeptionen in der professionellen Praxis
Titelübersetzung:Latent difference constructions : an exemplary case analysis of gender conceptions in professional practice
Autor/in:
Scheid, Claudia; Gildemeister, Regine; Maiwald, Kai-Olaf; Seyfarth-Konau, Elisabeth
Quelle: Feministische Studien, Jg. 19 (2001) Nr. 2, S. 23-38
Inhalt: Der folgende Beitrag geht den aktuell diskutierten Fragen nach, ob neuere gesellschaftliche Entwicklungen dazu führen, dass die Kategorie "Geschlecht" an Wirkmächtigkeit in der Strukturierung sozialer Realität verliert, und inwieweit die neue Rede von der "Geschlechtervielfalt" einem Bedeutungsverlust binärer Kategorisierung entspricht. In Anlehnung an das soziologisch-interaktionstheoretische Konzept des "doing gender" wird die Praxis der professionellen Berufe als Beispiel für die Bedeutung latenter Differenzkonstruktionen von Geschlecht untersucht. Die Analyse bezieht sich auf die konkreten Entscheidungen einer Familienrichterin in einem Sorgerechtsfall, um zu verdeutlichen, welche Familien- und Geschlechterkonzeptionen dem professionellen richterlichen Handeln zugrundeliegen. Die Datengrundlage bildet eine Transkriptsequenz aus einem offenen Interview, das mit der Richterin zu ihrer beruflichen Entwicklung, ihrer Berufspraxis sowie zum Verhältnis von Karriere und privater Lebenspraxis geführt wurde. Im Anschluss an die empirische Analyse wird nochmals auf die verwendete Methodik eingegangen und ihr Potenzial für die Rekonstruktion geschlechtsdifferenzierender Muster aufgezeigt. (ICI)
CEWS Kategorie:Geschlechterverhältnis, Frauen- und Geschlechterforschung, Arbeitswelt und Arbeitsmarkt
Dokumenttyp:Zeitschriftenaufsatz
Geschlechtsspezifische Sozialisation : neuere Beiträge und Perspektiven zur Entstehung des "weiblichen Sozialcharakters"
Titelübersetzung:Gender socialization
Autor/in:
Gildemeister, Regine
Quelle: Soziale Welt : Zeitschrift für sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis, Jg. 39 (1988) H. 4, S. 486-503
Inhalt: Dieser Aufsatz setzt sich mit verschiedenen jüngeren Beiträgen zur Theorie der geschlechtsspezifischen Sozialisation in westlichen Industriegesellschaften auseinander. Grundtenor ist dabei, daß Geschlechtsunterschiede im Verhalten keineswegs unmittelbar den biologischen Unterschieden entsprechen, sondern sich aus sozialen Bedeutungszuweisungen ergeben. Diese werden während des Sozialisationsprozesses erlernt und internalisiert, so daß sie zunächst als "naturgegeben" erscheinen. Trotz Flexibilisierung der Geschlechterrollen, ist die Ausbildung der Geschlechtsidentität bei der Frau sehr konflikthaltig, da Veränderungen auf der Oberfläche der Rollenzuschreibungen nicht gekoppelt sind mit einer realen Öffnung von Handlungsspielräumen. Vielfach verschleiern Selbstbehauptungsversuche die grundlegende Binarität der Geschlechterverhältnisse. (BB)
Inhalt: "Starting from current debates about differences of sex and gender, the paper discusses a number of recent contributions to the theory of gender socialization. The background assumption is that gender differences are not direct reflections of biological facts; rather, they are to be understood as binary social constructions which are internalized as 'natural' during the process of socialization. The majority of recent work on gender socialization fails to give full credit to this insight. As a consequence, empirically observable differences of gender socialization tend to be unduly reified." (author's abstract)