Inhalt: Schlaglichter auf die Ergebnisse
Der vorliegende Bericht bietet einen repräsentativen Einblick in die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen an öffentlichen Fachhochschulen und Universitäten in Deutschland und zeigt die Veränderungen in den letzten drei Jahrzehnten. Die Veränderungen sind vor allem getrieben von den Reformen im Zuge des so genannten New Public Managements (z.B. Umstellung von der Input-zu metrifizierten Outputkontrolle), Steigerung des Finanz- und Reputationswettbewerbs zwischen Wissenschaftler*innen und zwischen Hochschulen (z.B. Forschungsfinanzierung und Exzellenzinitiative) und der Umorganisation von Studiengängen und Lehre im Zuge des Bologna-Prozesses (z.B. Einführung von Bachelor-, Master- und Promotionsstudiengängen).
Forschung, Lehre und Verwaltung
Professor*innen wenden insgesamt über die drei Dekaden im Durchschnitt nicht mehr Zeit für Forschung auf, jedoch sinkt der Zeitanteil für Lehre. Im Gegensatz zu Professor*innen nimmt bei wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen der durchschnittliche Zeitanteil für Forschung zu. Dies ist vor allem dem markanten Anstieg an drittmittelfinanzierten Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter*innen in Forschungsprojekten geschuldet. Durch den steigenden Anteil an Drittmitteln und zugleich den autonomiebedingt größeren Organisationsaufwand nimmt die von Professor*innen aufgewendete Zeit für Verwaltung, nicht aber die Zeit für Forschung, zu.
Hochschulgröße–erklärt (fast) alles!
Im Vergleich zum fast gleichbleibenden Durchschnitt variiert jedoch die Zeitanteile, den Professor*innen für Forschung und Lehre aufwenden, nach Hochschulgröße erheblich. Professor*innen an kleinen Universitäten verbringen 33% ihrer Zeit mit Lehre und lehrbezogenen Aufgaben, wo-hingegen bei Professor*innen an großen und als exzellent ausgezeichneten Universitäten dieser Zeitanteil nur 26% beträgt. Bei wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen beträgt der Unterschied so-gar 12% der gesamten Arbeitszeit (30% und 18%). Weniger Zeit für die Lehre bedeutet mehr Zeit für Forschung und Beantragung von Drittmitteln bei Professor*innen und auch bei promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen. Je größer, exzellenter und technischer eine Hoch-schule ist, desto mehr Forschung wird über (reputationssteigernde) Drittmittel, beispielsweise aus der Forschungsförderung (z.B. DFG), finanziert. Folglich steigt der Anteil der durch die Hoch-schule finanzierter Forschung bei Professor*innen, je kleiner die Hochschule ist.
Exzellent! Die vertikale Differenzierung des deutschen Hochschulsystems
Ergänzend zu Universitätsgröße bringt die Anstellung an einer als exzellent ausgezeichneten Universität alle erstrebenswert scheinenden und reputationssteigernden Vorteile der Wissenschaft an Hochschulen zum Ausdruck: Mehr Zeit für Forschung, mehr Drittmittel aus der Forschungsförderung (z.B. DFG), mehr Publikationen in Zeitschriften und vieles weitere mehr. Dennoch gibt es auch etwas weniger an als exzellent ausgezeichneten Universitäten, beispielsweise weniger Über-stunden bei Professor*innen und in den MINT-Fächern arbeiten wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen weniger als vertraglich vereinbart
Fachhochschulen und Universitäten (horizontale Differenzierung im Hochschulsystem)
Die wachsende vertikale Kluft zwischen (großen und kleinen) Hochschulen wirkt sich bisher kaum auf die horizontale Differenzierung zwischen Fachhochschulen und Universitäten aus. Der Lehr-fokus von Fachhochschulen wird jedoch nicht nur das im Durchschnitt doppelt so hohe Lehrdeputat von Professor*innen an Fachhochschulen, sondern auch durch die höhere Lehrpräferenz der Fachhochschulprofessor*innen unterstützt. Dennoch findet sich auch an Fachhochschulen bei APIKS 2018 eine kleine, aber wachsende Gruppe an Professor*innen mit stärkerem Forschungs-fokus und stärkerer Forschungspräferenz. Die Forschungspräferenz erklärt auch, warum sowohl Professor*innen an Fachhochschulen als auch an Universitäten angeben mehr Grundlagenforschung und weniger kommerzialisierbare Forschung zu betreiben.
Mehr staatliche und weniger Drittmittel von Industrie und Unternehmen
Der Anstieg der Grundlagenforschung und Abstieg der kommerzialisierbaren Forschung ist vermutlich auch mit den markanten Veränderungen der Drittmittelherkunft zu erklären. Sehr stark gesunken ist der Anteil der Forschungsfinanzierung durch Industrie und Unternehmen von CAP 2007 zu APIKS 2018 von 30% auf 13% an Fachhochschulen und von 10% auf nur noch 4% an Universitäten. Bei APIKS 2018 beträgt der Anteil lediglich 8% bei Technischen Universitäten. Die neuerdings relative Bedeutungslosigkeit der Forschungsfinanzierung durch Industrie und Unter-nehmen hängt sicherlich mit dem Anstieg der Finanzierung von Forschung bei Professor*innen durch die Forschungsförderung (z.B. DFG) und ihre Hochschule zusammen.
Paradox: Steigende Unzufriedenheit bei wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen und Karrierewunsch Wissenschaft an Hochschulen
Es ist paradox: Die Bindung an die Wissenschaft (z.B. mehr als zwei Drittel geben als Berufs-wunsch Wissenschaftler*in an einer Hochschule an) und Leistungsbereitschaft von wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen ist weiterhin hoch, sowohl bei Promovierenden als auch bei Promovierten. Dennoch steigen die Werte bei der Unzufriedenheit mit den Arbeits- und Vertragsbedingungen. Eine mögliche Erklärung für die steigende Unzufriedenheit ist, dass durch die stark durch Dritt-mittelstark gestiegene Anzahl an wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen der Wettbewerbsdruck wächst und die Wahrscheinlichkeit, die nächste Statuspassage erreichen zu können, sinkt. Weitere Gründe für die steigende Unzufriedenheit könnten auf organisational-strukturelle Problemen fußen, beispielsweise, dass für Drittmittelbeschäftigte (und Promotionsstudierende) o hne substantielle Lehrerfahrung der Zugang zu Juniorprofessuren (eigentlich) versperrt ist.
Promotions(miss)erfolgsformeln
Die Promotionsquoten (Bundesbericht wissenschaftlicher Nachwuchs 2017) lassen sich mit den disziplinären Unterschieden von Wissen und Kompetenzvermittlung und den APIKS 2018-Ergeb-nissen zu Themenwahlfreiheiten von Promovierenden und Zeit für Forschung kombinieren und daraus können Promotions(miss)erfolgsformeln konstruiert werden. Beispielsweise für Geisteswissenschaften (unstandardisiertes Wissen / Können + hohe Themenwahlfreiheiten + 45% Zeit für Forschung = 43% Erfolgsquote),Ingenieurwissenschaften (Anwendungswissen / -können + ge-ringe Betreuung + 51% Forschung + 11% Wissens- und Technologietransfer/ Services = 46%Erfolgsquote) und Naturwissenschaften (standardisiertes Wissen / Können + geringe Themen-wahlfreiheiten + 66% Zeit für Forschung = 77% Erfolgsquote)
Schlagwörter:Arbeitsbedingungen; Beschäftigungsbedingungen; Drittmittel; Exzellenz; Fachhochschule; Forschung; Grundlagenforschung; Hochschulstruktur; Hochschulsystem; Lehre; new public management; Post-doc; Professor; Promotion; Promovierende; Universität; Wissenschaftler; Zeitbudget
CEWS Kategorie:Berufsbiographie und Karriere, Hochschulen, Wissenschaft als Beruf
Dokumenttyp:Graue Literatur, Bericht