Die schöne neue Welt der scheinbar zwanglosen Geschlechtsidentitäten: Postfordistische Entwürfe der Geschlechterdifferenz zwischen Gender Trainings und Soziobiologie
Titelübersetzung:The brave new world of apparently unconstrained gender identities: Postfordistic patterns of gender differences between gender trainings and sociobiology
Autor/in:
Winter, Sebastian
Quelle: Psychologie und Gesellschaftskritik, 36/37 (2013) 4/1, S 102-124
Inhalt: Die in der Geschlechterforschung verbreitete Annahme eines durchgängigen Wandels der Geschlechterentwürfe auf der diskursiven Ebene (aber nicht auf derjenigen des Alltagshandelns) in Richtung einer Angleichung der Geschlechter wird in Zweifel gezogen. Zwar finden sich in den öffentlichen Diskursen Forderungen, die Begrenzungen der eigenen "Geschlechtsidentität" zu flexibilisieren und sich neue Potentiale anzueignen, gleichzeitig aber existieren essentialisierende, biologisierende und antifeministische Positionen. Diese Zweiseitigkeit zeigt sich auch im sozialisationstheoretischen Paradigma der "Selbstorganisation" (Hurrelmann): "Geschlechtsidentität" wird hier als kulturelle und trainierbare Überformung eines natürlichen Potentials gefasst. Über eine psychoanalytisch ausgerichtete Kritik an diesem Ansatz wird verdeutlicht, wieso sich die Geschlechterordnung im habitualisierten Alltagshandeln tatsächlich hartnäckig hält und welche unbewussten psychischen Funktionen dieses Doing Gender erfüllt. Die essentialisierenden Denkmuster schließen als Rationalisierung die Kluft zwischen "rhetorischer Modernisierung" (Wetterer) und "Habitus" (Bourdieu).
Inhalt: The common assumption within Gender Studies that gender patterns are undergoing a consistent process towards equalization on the discoursive level (but not on the level of everyday practice) is called into question. While there are demanding elements in the public discourses to flexibilize the limits of one's "gender identity" to acquire new potentials, there also persistently exist essentializing, biologizing and anti-feminist positions. This dualistic character is identifiable in the socialization-theoretical paradigm of "self organization" (Hurrelmann), too. Here gender identity is understood as a cultural and trainable reshaping of a natural potential. By means of a psychoanalytically oriented criticism of this particular approach it is shown why the gender relations of habitualized everyday practice are persistent and which unconscious mental functions this practice of Doing Gender has. The essentialistic patterns are as rationalizations closing the gap between "rhetorical modernization"! (Wetterer) and "habitus" (Bourdieu).
Kennt Vergesellschaftung kein Geschlecht? Posttraditionalität im Spiegel von produktiven und reproduktiven Prozessen
Titelübersetzung:Doesn't socialization know any gender? Post-traditionality reflected in productive and reproductive processes
Autor/in:
Musfeld, Tamara
Quelle: Psychologie und Gesellschaftskritik, 24 (2000) 3/4, S 85-98
Inhalt: 'In dem Artikel wird auf die fehlende Differenzierung in männliche und weibliche Lebenszusammenhänge eingegangen, und die Bedeutung dieser unterschiedlichen Lebens- und Handlungspraxen für die Frage nach Identitätskonstruktionen herausgearbeitet. Es wird problematisiert, dass sich die postmodernen Vorstellungen von Enträumlichung und Optionalität in erster Linie an einen männlichen Subjektentwurf richten, während weibliche Lebensentwürfe eher von bestehenden Notwendigkeiten, Formen von Bezogenheit und Bindungen geprägt sind. Es wird die Hypothese aufgestellt, dass die Fähigkeit zur freien Wahl nur durch eine verlässliche Beziehungserfahrung in der Kindheit gewährleistet wird, die in erster Linie von Müttern vermittelt wird. Postmoderne und traditionale Lebensmuster werden in ihrer Abhängigkeit voneinander dargestellt.' (Autorenreferat)
Das transsexuelle Schneiden als Symptom des zweigeschlechtlichen Weltbildes
Titelübersetzung:Transsexual cutting as a symptom of the hermaphroditic image of the world
Autor/in:
Schachl, Tonia
Quelle: Psychologie und Gesellschaftskritik, 21 (1997) 3/4, S 151-174
Inhalt: Transsexuelle, die sich der geschlechtsangleichenden Operation unterziehen wollen, versuchen, einen seelischen Konflikt körperlich zu beseitigen. Sie privatisieren mit dieser rigiden Ordnung ihres Körpers in die konventionellen Schablonen aber auch das gesellschaftliche Problem der Geschlechterdichotomisierung, funktionieren somit als SymptomträgerInnen und entheben die Normalen bis zu einem gewissen Grad der Konfrontation damit. Je unauffälliger die Transsexualität in Richtung (Trans-)Normalität verschwindet, desto besser können sich die Betroffenen in die Gemeinschaft integrieren. Je auffälliger - transsozial sichtbarer - sie sind, desto geringer ist die soziale Akzeptanz, nicht nur bei Normalen, sondern gerade auch bei den erfolgreich normalisierten zurechtgeschnittenen Transsexuellen. Diese Tendenz zur Anpassung, die einen Operationssog bewirkt, wird durch die öffentlichen Bilder der Medien subtil gefördert aber auch gespiegelt.
Schlagwörter:gender relations; transsexualism; social recognition; surgery; soziale Anerkennung; soziale Integration; social integration; Transsexualität; gender role; mental conflict; Geschlechtsrolle; Geschlechterverhältnis; Akzeptanz; acceptance; Operation; psychischer Konflikt
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Sonstiges zur Soziologie
"Silvia" und die Sehnsucht der Frauen: Ursachen und Gründe für den Konsum von Liebesromanheften - ein Beitrag zum Verständnis der Popularität von Frauenheftromanen
Titelübersetzung:"Silvia" and the longing of women: causes and reasons for the consumption of romantic novels - an article on the comprehension of the popularity of women's novels
Autor/in:
Psaar, Gabriele
Quelle: Psychologie und Gesellschaftskritik, 15 (1991) 3/4, S 7-31
Inhalt: Ausgehend von der Darstellung der spezifischen Merkmale, der Herstellung und des Vertriebs von Liebesroman-Literatur werden die Ursachen für die Popularität sowie die soziale und psychische Funktion des Konsums von Frauenheftromanen im weiblichen Lebenszusammenhang herausgearbeitet. Es wird gezeigt, daß der Erfolg der Hefte primär in der Abbildfunktion weiblichen Verlangens liegt und nicht in der Befriedigung weiblicher Bedürfnisse. Die Hefte sind ein Symptom der sozialen und psychischen Befindlichkeit von Frauen im patriarchalisch-kapitalistischen Gesellschaftssystem. Der Heftkonsum ist letztlich zu begreifen als Akt der Anpassung, des Arrangements mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten und Ausdrucksform individuellen Widerstands durch die Imagination eines selbstgewählten, sorgenfreien Existenzentwurfs. Die Arbeit basiert auf Sekundärquellen. (ICB)
Schlagwörter:Theorie; Frauenforschung; image of women; women's studies; popular fiction; role image; gender role; Frauenbild; woman; Geschlechtsrolle; Trivialliteratur; theory; Feminismus; feminism; Rollenbild
SSOAR Kategorie:Kultursoziologie, Kunstsoziologie, Literatursoziologie, Frauen- und Geschlechterforschung
Der Beitrag der Psychoanalyse zur Sozialisationstheorie
Titelübersetzung:The contribution by psychoanalysis to socialization theory
Autor/in:
Großmaß, Ruth
Quelle: Psychologie und Gesellschaftskritik, 15 (1991) 3/4, S 51-72
Inhalt: Ausgehend von der Frage nach den theoretischen Berührungspunkten von Sozialisationstheorie und Psychoanalyse (Analyse von Prägungsprozessen) wird die Erforschung der Geschlechtsidentität ins Zentrum gerückt und als interdisziplinäres Forschungsprojekt von Psychoanalyse und Sozialisationsforschung formuliert. Vor dem Hintergrund der kritischen theoretischen Auseinandersetzung mit den Entwicklungsmodellen des kindlichen Reifeprozesses von Olivier und Chodorow wird der psychoanalytische Ansatz als sinnvolle Ergänzung zur Sozialisationstheorie herausgearbeitet. Die psychoanalytische Erforschung von 'Übergängen' wie Kindergarteneintritt und Schulbeginn und die Wahl dyadischer Freundschaften wird als Schnittpunkt des Erkenntnisinteresses beider Forschungsansätze gesehen. Somit könnte die Analyse der soziokulturellen Bedingungen von Mädchen und Jungen im Hinblick auf die Ausprägung ihrer Geschlechtsidentität ergänzt werden durch die Analyse der individuellen Verarbeitungsformen des individuell-psychosozialen Erlebens. In diesem Zusammenhang weist die Autorin auf die Arbeit von Ulrike Schmauch hin. Die Studie basiert auf der Auswertung von Sekundärliteratur. (ICB)
Wider die Verherrlichung des Weiblichen: Kritik des Ökofeminismus
Titelübersetzung:Against the glorification of femininity: criticism of ecofeminism
Autor/in:
Attia, Iman
Quelle: Psychologie und Gesellschaftskritik, 15 (1991) 3/4, S 91-122
Inhalt: Die Studie ist eine Kritik am Frauen- und Gesellschaftsbild des Ökofeminismus. Nach der Darstellung wesentlicher theoretischer Kategorien des Ökofeminismus, die sich zentrieren im Ideal der Hausarbeit als wichtigste Form von Subsistenzarbeit, stellt die Autorin zusammenfassend fest, daß der Ökofeminismus die gesellschaftlichen Unterschiede und historischen Veränderungen ignoriert, indem er den Weiblichkeitsbegriff aus der Gebärfähigkeit ableitet. Jede Ausbeutungsform wird reduziert auf biologische Ursachen (Mann-Frau-Verhältnis). Die Befreiung der Frau kann nur in der Rolle der Hausfrau und Mutter erfolgen. Der Ökofeminismus wird als neue Version vom Weiblichkeitsmythos gewertet. Die Studie basiert auf der Auswertung von Sekundärquellen. (ICB)
Die Sucht zu sehr zu lieben: die neue Krankheit der Frau?
Titelübersetzung:The addiction to love excessively: a new women's disease?
Autor/in:
Rommelspacher, Birgit
Quelle: Psychologie und Gesellschaftskritik, 13 (1989) 1/2, S 29-48
Inhalt: Der Beitrag setzt sich kritisch mit dem Liebes-Konzept Norwoods, das in ihrem Buch 'Wenn Frauen zu sehr lieben' entwickelt wird, auseinander und zeigt auf, warum Frauen für Norwoods Thesen so ansprechbar sind und welche Implikationen dieses Konzept zugleich unannehmbar machen. Zunächst wird die inhaltliche Argumentation Norwoods nachgezeichnet. Es wird bestätigt, daß in Norwoods Analyse die typischen Elemente weiblicher Biographien herausgearbeitet werden. Kritik wird dann an der Interpretation der beobachtbaren Ergebnisse geübt, weil diese, wie gezeigt wird, wichtige Bereiche übergeht: die geschlechtsspezifische Prägung der Kindheitserfahrungen, die Realität des sexistischen Systems, d. h. das real existierende Geschlechterarrangement. Ausgehend von den im Buch beschriebenen Fallbeispielen wird gefragt, worin die Macht des Mannes gegenüber den Frauen besteht. Anders als in Norwoods Arbeit wird die gesellschaftliche Privilegierung des Mannes betrachtet. Es wird herausgearbeitet, daß die betroffenen Frauen den sozialen Rollenvorschriften von Weiblichkeit in extremer Weise nachkommen. Radikale Kritik wird dann an den von Norwood angebotenen Lösungsvorschlägen geübt, die - so wird deutlich gemacht - im Prinzip aus der Sicht der Männer entwickelt wurden und die Frauen in ihrer Situation belassen, in passivem statt aktivem Verhalten. Insgesamt wird problematisiert, daß das gesellschaftliche Geschlechterarrangement, die Gewaltverhältnisse nicht angetastet werden. (KW)