Geschlechtsbezogene und sexualisierte Gewalt in der Wissenschaft
Tools und Ressourcen zu Prävention und Intervention
Sie finden auf dieser Seite eine Auswahl an Ressourcen und Materialien, die hauptsächlich aus einem oder für einen spezifischen Hochschulkontext entwickelt wurden und Angehörigen anderer Hochschulen online zur Verfügung stehen. Die Materialien wenden sich in der Regel an Gleichstellungsakteur*innen, Personalverantwortliche oder direkt an Studierende und Beschäftigte, die von Belästigung oder Gewalt betroffen sind.
Angebote zur Prävention
Die hier vorgestellten Programme zielen darauf ab, sexueller Belästigung und geschlechtsspezifischer Gewalt vorzubeugen und Wissen über Prävalenzen und Handlungsmöglichkeiten an Hochschulen zu verbreiten. Im Folgenden werden ausgewählte Programme und Projekte aus Deutschland und anderen Ländern vorgestellt.
Die Kommission Sexualisierte Diskriminierung und Gewalt der bukof (DE) stellt Informationen und Materialien zum Thema „Sexualisierte Diskriminierung und Gewalt an Hochschulen“ in ihrer Handreichung zur Verfügung. Auf der Seite finden sich Informationen über Präventionsmaßnahmen, Studien, Berichte sowie weitere Materialien, z.B. in Form von Flyern.
Die Ruhr-Universität Bochum (RUB) bietet einen umfassenden Selbstlernkurs „MeToo in Science“ auf ihrer Webseite an. Die Nutzenden können sich durch verschiedene Rubriken klicken, z.B. Sexismus, Intersektionalität oder Männlichkeiten. Dort finden sie Informationen aber auch weiterführende Ressourcen wie beispielsweise Hilfestrukturen, sowie Empfehlungen für den Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt als Zeuge/ active Bystander. Auf der Seite ist ein Podcast zur Thematik verlinkt.
Neben dem Lernangebot läuft an der RUB auch die Kampagne „Unser Campus – Gegen Sexismus an der RUB“, die mehr Bewusstsein für diesen Themenkomplex im Hochschulalltag schaffen will. Neben der Verlinkung von zahlreichen Anlaufstellen werden auch Awareness- und Informationsmaterialien in Form von Flyern und Plakaten zum Download bereitgestellt. Auf ähnliche Weise gibt es an der Uni Lübeck die Kampagne „Unsere Uni – unsere Verantwortung“, die sich gegen Gewalt und Diskriminierungen an der Hochschule einsetzt. Ziele sind vor allem Sensibilisierung und das Bekanntmachen von Beratungsangeboten.
Seit 2021 gibt es das vom Bundesfamilienministerium geförderte Projekt Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“, welches sich insbesondere gegen Sexismus am Arbeitsplatz in unterschiedlichen Branchen einsetzt. Mitglieder des Bündnisses können eine gemeinsame Erklärung unterzeichnen. Auch stellt das Bündnis eine Reihe an Informationsmaterialien und Praxisbeispielen auf seiner Seite bereit. Das Bündnis versteht sich als aktives Netzwerk und lebt von den Beiträgen seiner Bündnisparter*innen.
In der Schweiz gibt es seit 2023 eine hochschulübergreifende Initiative in Form eines jährlichen Aktionstages gegen sexuelle Belästigung an Hochschulen und Forschungsinstitutionen. Am „Sexual Harassment Awareness Day“ finden an allen teilnehmenden Hochschulen Veranstaltungen statt, um Bewusstsein zu schaffen und Wissen zu verbreiten. Auf der Webseite des Aktionstags sind außerdem die lokalen Anlaufstellen für Betroffene an den Schweizerischen Hochschulen zentral zugänglich gemacht.
Im Rahmen der landesweiten Kampagne „Respect. Now. Always“ verständigten sich die Leitungen der 39 Hochschulen Australiens 2016 gemeinsam auf eine Null-Toleranz Politik im Umgang mit sexuellen Übergriffen und machen seither ihre Haltung durch diese Kampagne sichtbar. Getragen wird die Kampagne, die wiederholt von Umfragen zur Prävalenz und einer Serie von Interventionsmaßnahmen begleitet wurde, vom australischen Hochschulverband „Universities Australia“.
Der Hochschulservice EPIGEUM (UK) bietet mit dem Online-Kurs „Consent Matters“ eine Schulung zum Thema Einvernehmlichkeit bei sexuellen Handlungen an. Der Kurs richtet sich an Studierende am Beginn des Studiums. Zudem werden die Teilnehmenden darüber informiert, wie sie sicher einschreiten können, wenn in ihrem Beisein Personen sexuell belästigt werden. Maßnahmen, die zum Einschreiten in diesen Situationen ermutigen, sind bekannt als (active) „Bystander Interventions“.
Die „Intervention Initiative“ der Universität Exeter und der University of the West of England (UK) stellt kostenfrei Materialien für die Durchführung eines Schulungsprogramms zum Schutz vor Belästigung und Übergriffen durch das Einschreiten von Zeugen zur Verfügung (Bystander). Hochschulangehörige, Studierende wie Beschäftigte, werden darin ermutigt, unerwünschte und sexuelle Belästigung zu erkennen, und lernen, wie sie in dieser Situation agieren können. Schweigen ist keine Option. Das aus acht Sitzungen bestehende Programm kann durch die bereitgestellten Materialien von Lehrkräften und Anlaufstellen an der Hochschule durchgeführt werden. Weiterhin sind zusätzliche Ressourcen verlinkt, wie Leitfäden für den Umgang mit geschlechtsbezogener Gewalt oder Unterstützungsangebote für Betroffene.
Mit den Materialien von „Equally Safe in Higher Education Toolkit“ unterstützt die schottische Landesregierung ihre Hochschulen mit hilfreichen Ressourcen zur Prävention vor geschlechtsbezogener Gewalt (GBV) auf dem Campus. Dabei stehen Handreichungen für die Planung einer kohärenten Schutzstrategie für alle Hochschulangehörigen genauso zur Verfügung wie ein Schulungsprogramm für Studierende, welches in Anlehnung an die o.g. „Intervention Initiative“ aufgesetzt wurde. Darüber hinaus zeigen Beispiele, wie das Thema geschlechtsbezogene Gewalt in die Lehre integriert werden kann.
Ein US-amerikanischer Verband von Hochschulverwaltungspersonal gründete die Organisation Culture of Respect, um gegen sexualisierte Gewalt auf dem Campus vorzugehen, und bietet eine Vielzahl an Workshops zur Prävention von sexueller Gewalt an, einige davon als Online-Formate. Den Teilnehmenden wird unter anderem vermittelt, wie sie Situationen als sexuelle Belästigung einschätzen können und wie sie aktiv eingreifen können. Einer dieser Workshops richten sich explizit an männliche Teilnehmer: „Men’s Program“.
Das an der Universität New Hampshire (USA) angesiedelte Forschungszentrum für „Prevention Innovations“ veröffentlichte 2015 eine Reihe von Frage-Items, mithilfe derer die Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen überprüft werden kann.
Die nationale Akademie der Wissenschaften, des Ingenieurwesens und der Medizin (USA) gründete 2019 eine Aktionskollaborative zur Prävention sexueller Belästigung an Hochschulen . Die Kollaborative, der inzwischen über 50 Hochschulen angehören, bringt relevante Akteure aus dem Feld zusammen, um Austausch und nachhaltige Präventionsleitlinien zu entwickeln. Die Arbeit findet hauptsächlich in Arbeitsgruppen statt. Die Kollaborative organisiert jährliche Treffen, und veröffentlicht neben Publikationen auf ihrer Webseite auch Good-Practices, Positionspapiere und Leitfäden.
Ein Bericht der Vereinten Nationen (UN Women) zur Prävention von Gewalt auf dem Campus von 2018 trägt Erkenntnisse zu unterschiedlichen Gewaltformen (sexueller Übergriff, Stalking, Intimpartner*innen-Gewalt, Dating Violence, sexuelle Belästigung) zusammen, die an Universitäten erfasst wurden. Auch werden zehn Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Gewalt gegen Frauen an Universitäten ausgesprochen.
Die spanische Nicht-Regierungsorganisation PRISMA hat einen Leitfaden zur Umsetzung von Gleichstellungsmaßnahmen für LGBTQIA+ Personen in MINT-Forschungszentren erstellt. Es werden zehn verschiedene Handlungsfelder behandelt. Einige der vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen befassen sich konkret mit Diskriminierung und Belästigung von LGBTQIA+ Personen.
Interventionsmaßnahmen
Die Interventionsmaßnahmen beinhalten Tools, die von Universitäten genutzt werden, um den Meldeprozess bei Belästigungsfällen sowie deren Handhabung inkl. den Schutz der Betroffenen an den Hochschulen zu verbessern und betroffene Personen ausreichend zu unterstützen. Eine Zusammenstellung von Paludi 2016 gibt, in Ergänzung zu den oben genannten Materialien von beispielsweise ARC3 und AAU (siehe auch Empirische Untersuchungen inkl. Daten- und Methodenberichte auf der Seite Befragungsstudien), Handlungsempfehlungen zum Umgang mit sexuellen Übergriffen an US-amerikanischen Hochschulen. In Schottland werden die Hochschulen regelmäßig nach ihrem Umgang mit sexuellen Übergriffen befragt, einschließlich der Effektivität von Gegenmaßnahmen, siehe Donaldson & McCarry (2018).
- Donaldson, A., & McCarry, M. (2018). Rapid Review II - Scottish Higher Education Responses to Gender-Based Violence on Campus: Equally Safe in Higher Education Project Report.
- Paludi, M. (Ed.). (2016). Campus action against Sexual Assault: Needs, Policies, Procedures, and Training Programs.
Das „Report & Support“ Tool der Universität Manchester bietet die Möglichkeit sich bei sexueller Belästigung, Diskriminierung oder Mobbing online an eine Beratungsstelle zu wenden, wobei die Vorkommnisse anonym gemeldet werden können. Durch eine Kampagne können sich Studierende zudem über verschiedene Formen der Belästigung informieren. Auch die University of the West of England (UWE Bristol) bietet im Rahmen des Programmes „SpeakUp“ ein „Report & Support“ Tool an. An der UWE begleitet ein Wissenschaftler*innen-Team die Progammentwicklung und -umsetzung (Bovill & White, 2022).
- Bovill, H., & White, P. (2022). Ignorance Is Not Bliss: A U.K. Study of Sexual and Domestic Abuse Awareness on Campus, and Correlations With Confidence and Positive Action in a Bystander Program. Journal of Interpersonal Violence, 37(5-6), 2801–2825.
Neben anonymisierten Reporting-Tools an den Universitäten, gibt es auch von den Hochschulen unabhängige Sprachrohre, für Betroffene von geschlechtsbezogener Gewalt, wo sie ihre Erfahrungen anonym teilen, und auf Wunsch öffentlich machen können. In Großbritannien gibt es die Seite der Bewegung „Everyone’s Invited“, in Deutschland gibt es seit 2021 das anonyme Kontaktformular der Initiative „MeTooScience“. Auch die AG Macht und Gender in der Wissenschaft stellt ein anonymes Reporting-Tool zur Verfügung. Die AG hat außerdem die Gemeinsame Erklärung ‚Sexismus in der Wissenschaft‘ initiiert, die bereits von zahlreichen Wissenschaftler*innen im deutschsprachigen Raum unterzeichnet wurde.
Das vom Bundesministerium für Frauen, Senioren, Familie und Jugend geförderte Projekt des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) „make it work – then make it better!“: Für einen Arbeitsplatz ohne sexuelle Diskriminierung, Belästigung und Gewalt! verfolgt das Ziel Prävention und Intervention gegen Gewalt am Arbeitsplatz zu verbessern. Zentral ist die Beratung von Betroffenen, sowie das Ausbilden von neuen Berater*innen, doch im Rahmen des Projektes werden unter anderem auch Informations- und Aufklärungsmaterialien für Führungskräfte entwickelt. Zum Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz hat zu dem die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine Sammlung von Good-Practice Beispielen erstellt.
Das Projekt „USVreact“ (Universities Supporting Victims of Sexual Violence) unter Beteiligung der Brunel University London entwickelte in Zusammenarbeit mit mehreren europäischen Partner*innen Trainingsprogramme zum Umgang mit sexueller Gewalt. Die Trainings, welche „USVreact“ an verschiedenen europäischen Hochschulen durchgeführt hat, richten sich an die Beschäftigten der Universitäten, die mit Studierenden arbeiten, die von geschlechtsbezogener Gewalt oder Belästigung betroffen sind. Die dabei erarbeiteten und verwendeten Materialien sind kostenlos und in mehreren Sprachen abrufbar.
- Das Programm der Sussex University beinhaltet ein 1,5 Stunden andauerndes Training für interessierte Mitarbeitende und ein 3,5 Stunden umfassendes Training, speziell für Personen, die explizit mit der Thematik in Berührung kommen und beispielsweise in Beratungsstellen der Hochschule arbeiten.
- Das Training der York University gliedert sich in zwei Themenbereiche. Der erste Teil legt den Fokus auf die Wissensebene und vermittelt durch Definitionen ein Grundverständnis des Themas. Teil zwei dient dazu zu lernen, wie betroffene Personen unterstützt werden können.
- Die Brunel University bietet ebenfalls ihre Trainingsunterlagen zum Umgang mit sexueller Gewalt innerhalb der Hochschule an. Diese beinhalten eine Powerpoint-Präsentation und ausformulierte Handlungsschritte für die Schulungsleiter*innen, um einen zweitägigen Kurs an der eigenen Hochschule zu durchzuführen. Hier finden sich die Unterlagen zu Tag eins und Tag zwei.
Das UniSAFE toolkit, wurde im Rahmen des UniSAFE Projekts (2021-2024) erstellt und basiert auf verschiedenen Forschungsergebnissen des Projektes. Es handelt sich um eine Zusammenstellung von verschiedenen Informationen, Empfehlungen und Ressourcen, die Hochschulen und Forschungseinrichtungen dabei unterstützen sollen geschlechtsbezogene Gewalt zu adressieren. Dabei orientiert sich das Toolkit am sogenannten 7P-Modell, welches das Vorgehen gegen geschlechtsbezogene Gewalt in sieben Kategorien betrachtet (Policies, Prävalenz, Prävention, Schutz, Strafverfolgung, Bereitstellung von Dienstleistungen und Partnerschaften). Auf der Seite finden sich unter anderem Praxisbeispiele, aber auch Handlungsempfehlungen zur Policy-Entwicklung und weitere Ressourcen.
Auch das Europäische Institut für Geschlechtergerechtigkeit (EIGE) hat eine Toolkit Seite zu Sexismus am Arbeitsplatz erstellt. Die Seite richtet sich insbesondere an Führungskräfte. Neben Definitionen und Erläuterungen zum Thema Sexismus, gibt es auch einen Selbsttest für Führungskräfte und Angestellte, um ihr Wissen, ihre Wahrnehmung und ihren Umgang mit Sexismus am Arbeitsplatz einzuschätzen. Auch wurden Handlungsempfehlungen und -möglichkeiten für den Umgang mit Sexismus zusammengestellt.
Ein weiterer englischsprachiger Kurs „Responding to Disclosures of Sexual Violence“ der britischen Hochschulservicestelle EPIGEUM unterstützt Anlauf- und Beschwerdestellen für geschlechtsbezogene und sexualisierte Gewalt an Hochschulen. Ziel des Kurses ist es, das Verständnis für die Beschwerdesituation und die Beteiligten zu verbessern und Handlungssicherheit für die einzuleitenden Schritte innerhalb und außerhalb der Hochschule zu gewinnen.
Die irische Hochschulbehörde (Higher Education Agency) macht verschiedene Anstrengungen im Kampf gegen sexualisierte Gewalt und sexuelle Belästigung. Sie ist mit der Durchführung des Rahmenplans zur Beendigung von sexualisierter Gewalt an irischen Hochschulen beauftragt „Safe, Respectful, Supportive and Positive: Ending Sexual Violence and Harassment in Irish Higher Education Institutions“. Dazu stellt sie auf ihrer Webseite neben dem Aktionsplan zur Umsetzung des Rahmenplans auch weitere Ressourcen zur Verfügung. Unter anderem ein anonymisiertes Meldetool, ein Bystander-Interventionsprogramm, sowie eine Übersicht mit Unterstützungsangeboten.
An der University of Warwick gibt es das “Community Values Education Programme (CVEP)”. Das Programm verfolgt das Ziel, Studierende dazu zu befähigen, bei unangemessenen Verhalten (sexuelle Belästigung und Fehlverhalten) sicher intervenieren zu können. Der Fokus des Programms liegt auf der Förderung des Active Bystander-Ansatzes, es werden aber auch andere Angebote bereitgestellt, z. B. ein Projekt zu Männlichkeiten. Weiterführende Ressourcen, die zur Förderung einer wertebasierten Hochschulgemeinschaft beitragen, werden verlinkt.
An deutschen Kunst- und Musikhochschulen werden vermehrt Maßnahmen ergriffen, um gegen sexualisierte Gewalt und Belästigung vorzugehen. So hat die Hochschule für Musik und Theater München beispielsweise 2024 einen 7-Punkte-Plan eingeführt. Der Plan enthält verschiedene institutionelle Präventionsmaßnahmen als auch Maßnahmen für Beschwerdeprozesse. Auch die Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin hat eine Webseite zu sexualisierter Diskriminierung eingerichtet. Dort werden verschiedene Informationen, Ressourcen und Handlungsempfehlungen für Betroffene und Lehrende rund um den Umgang mit sexualisierter Diskriminierung zusammengestellt.
Eine Auswahl qualitätsgeprüfter Maßnahmen von Hochschulen in Deutschland sind durch die Datenbank INKA zugänglich gemacht. Mithilfe des Vorschlagsformulars können Sie Maßnahmen zur Aufnahme in die Datenbank vorschlagen.