Kompetenz­zentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung

Intersektionalität. Machtsysteme in der Wissenschaft erforschen

Forschungsüberblicke

Die Ungleichheitsdimension Geschlecht/Gender bildet die Ankerkategorie im Verständnis von Intersektionalität des CEWS. Dadurch steht in den Forschungsüberblicken, die Sie auf dieser Seite finden, die Intersektion mit Geschlecht/Gender im Fokus. Die Erforschung der Intersektionen von Ungleichheitsdimensionen ist limitiert, weshalb hier auch Nebenergebnisse von Studien zu der Ungleichheitsdimension selbst präsentiert werden. Dadurch werden Forschungslücken offenbart. Die Forschungsüberblicke sind in einen allgemeinen Teil und in die einzelnen Qualifikationsstufen unterteilt. Der allgemeine Teil soll dabei helfen, die Forschung zur Ungleichheitsdimension und Intersektion einzuordnen.

Auf der Seite Definitionen (aktuell noch im Aufbau) finden Sie Erklärungen sowie Vor- und Nachteile für die meistverwendeten Begriffe innerhalb der einzelnen Ungleichheitsdimensionen.

Personen mit Behinderung, die in der Wissenschaft tätig sind bzw. im Hochschulsystem arbeiten, werden kaum erforscht. Soll die Intersektion mit Gender betrachtet werden, zeigt sich, dass die Forschungslücken noch größer sind. Deshalb wird im Folgenden zumindest der Forschungsstand zu Behinderung in der Wissenschaft auf den verschiedenen Qualifikationsstufen dargestellt.

Personen mit Behinderung werden meist nicht als aktiver Teil von Wissenschaft gesehen, da sich der Zweifel an ihrer Leistungsfähigkeit hartnäckig hält (Schwermund 2017: 888). Zum einen wird es häufig im Diskurs so dargestellt, als ob das Leistungsparadigma und der Exzellenzanspruch an die Wissenschaft und das „Recht auf Teilhabe“ und der Idee einer „Hochschule für Alle“ sich ausschließen (Richter 2019: 118). Zum anderen wird Personen mit Behinderung oft abgesprochen, sich mit sexueller oder geschlechtlicher Identität auseinandersetzen zu können. Dieses Bild entsteht durch die Pathologisierung und Individualisierung von Behinderung. Diese zwei Vorannahmen zu Personen mit Behinderung begünstigt ein fehlendes wissenschaftliches und gesellschaftliches Interesse an FINTA* Personen mit Behinderungen in der Wissenschaft.

Es besteht ein massiver Datenmangel zu Personen mit Behinderung an Hochschulen in jeder Qualifikationsstufe. Das Fehlen einer einheitlichen Definition von Behinderung führt zu unklaren Erhebungen und wenig aussagekräftigen Daten. Je nach dem vorliegenden Verständnis von Behinderung (mehr dazu auf der Seite Definitionen) verändert sich das Forschungsdesign und das Forschungsziel.

Sally Lindsay und Kristina Fuentes (2022) bieten einen systematischen internationalen Literaturüberblick zu Ableism in der Hochschule und Wissenschaft. Dabei nennen sie Studien, die zeigen, dass Ableismus in der Wissenschaft negative Effekte auf die Karrierechancen von Personen mit Behinderungen hat und ihre psychische und mentale Gesundheit beeinträchtigt. Andere Studien zeigen, dass Universitäten und andere wissenschaftliche Institutionen nicht ausgelegt sind für Personen mit Behinderung, weshalb diese Personen eine starke Belastung empfinden. Sowohl weil sie physisch behindert werden, als auch weil die Wissenschaft nicht als ein sicherer Ort wahrgenommen wird, um über Diagnosen und Einschränkungen zu sprechen (Lindsay/Fuentes 2022: 185, 184). In ihrem Paper bieten sie eine Übersichtstabelle der Studien, in der das Sample, die Methode und die Ergebnisse zusammengefasst werden.

Studierende

Die 22. Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerkes zeigt, dass 24 Prozent der Studierenden angeben, gesundheitlich beeinträchtigt zu sein. Es stellt sich ein Unterschied dar zwischen den binär erhobenen Geschlechtern: 58 Prozent der gesundheitlich Beeinträchtigten gaben an weiblich zu sein und 42 Prozent männlich (Sozialerhebung 2022: 42). Die Sozialerhebungen geben zusätzlich Aufschluss über den Studienverlauf von Studierenden mit Behinderungen. Studierende mit Behinderungen brechen häufiger das Studium ab bzw. haben häufiger die Intention das Studium abzubrechen (DSW 2023: Studieren mit Behinderungen in Zahlen und Fakten). Seit 2011 wurden unter dem Titel „beeinträchtigt studieren- best“, Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten dreimal an über 150 Hochschulen zu ihrer Studiensituation befragt. Die Studie Best3 wurde im Dezember 2023 veröffentlicht und erhebt eine Reihe an soziodemografischen Variablen: Geschlechtsidentität, Bildungsherkunft, Migrationshintergrund, Elternschaft und Pflegeaufgaben (Übersicht auf Seite 31).

Da es an dezidierten intersektionalen Analysen fehlt, wird nun der Forschungsstand zu Behinderung in der Studierendenschaft dargestellt. Elisabeth Kutscher und Elisabeth Tuckwiller (2019) konnten in ihrer Studie darlegen, dass auch in Kanada und den USA Studierende mit Behinderungen öfter ihr Studium abbrechen als nicht-behinderte Studierende. Sie identifizierten drei Effekte, die einen Abbruch begünstigen: persönliche Merkmale, akademisches und soziales Engagement bzw. die Einbindung in dieses sowie die Unterbringung und Versorgung der Studierenden mit Behinderungen. Susanne Peschke (2019) bietet einen Überblick über die Strukturen der Hochschulen und welche behindernde Rolle sie für Studierende spielen.

Ryan Miller et al. (2017) beginnen eine Forschungslücke zu schließen, indem sie Studierende mit Behinderungen zu ihrer sexuellen Identität interviewten. In der qualitativen Interviewstudie zeigt sich, wie vielfältig die Sichtweisen und Lebensweisen von behinderten Studierenden und ihrer sexuellen Orientierung sind. In der Studie werden auch die Strategien der Studierenden dargelegt, die sie entwickeln, um sich gegen Diskriminierung zu positionieren, ihre Lebensrealitäten zu navigieren sowie Resilienz und Gemeinschaft aufzubauen.

Promovierende und Postdocs

Es bestehen große Datenlücken zu Promovierenden und Postdocs mit Behinderungen, noch weniger bis nichts gibt es zur Verwobenheit von Geschlecht und Behinderung (Richter 2019: 132). Wie bei FINTA* Personen zeigt sich auch bei Personen mit Behinderungen das sogenannte Leaky-Pipeline Phänomen: je höher die Qualifikationsstufe, desto niedriger die Anzahl von Personen mit Behinderungen. Wie niedrig diese Zahl tatsächlich ist, kann nicht angegeben werden, da durch das Fehlen einer einheitlichen Definition von Behinderung nicht umfassend erfasst werden kann, wie viele Personen in welcher Qualifikationsstufe behindert sind. Der „Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs“ (BuWiN) verweist seit 2008 regelmäßig auf das Daten- und Forschungsdefizit zur Situation behinderter und chronisch kranker Wissenschaftler*innen (Richter 2019: 134). Förderprogramme und Netzwerke für Promovierende und Postdocs mit Behinderung wie PROMI, AKTIF, Alle inklusive und mINKLUSIV nehmen nicht aktiv eine intersektionale Perspektive ein. Das Zusammenspiel von Geschlecht und Behinderung beim Aufstieg der wissenschaftlichen Karriereleiter findet keine Beachtung.

Professur

Caroline Richter (2016) analysiert Karrierechancen von Wissenschaftler*innen mit Behinderungen auf dem Weg zur Professur. Es zeigt sich, dass Behinderung im Wissenschaftssystem häufig als ein medizinisches Defizit einer Person verstanden wird, weshalb davon ausgegangen wird, dass diese Personen nicht in das Wissenschaftssystem ‚passen‘ und sich dort nicht halten können (Richter 2016: 153). Eine Professur ist im Allgemeinen nur für eine exklusive Minderheit erreichbar und für Personen mit Behinderung ist die Chance an eine solche Stelle zu gelangen noch geringer (Richter 2016: 158).

Nicht-wissenschaftliche Angestellte

Es gibt keine Daten zu nicht-wissenschaftlichen Angestellten mit Behinderung an den Hochschulen. Robyn Brown und Mairead Moloney (2019) konnten jedoch für den allgemeinen Arbeitsmarkt herausfinden, dass Frauen mit Behinderung am Arbeitsplatz stärker benachteiligt werden als nicht-behinderte Frauen. Frauen mit Behinderungen sind häufiger von ungerechten Arbeitsbedingungen betroffen, sie verdienen weniger, empfinden mehr Stress, haben seltener autonome Arbeitsbedingungen und werden weniger häufig beschäftigt als Männer mit Behinderungen (Brown/Moloney 2019: 94, 95).

Literatur:

Eine Einführung in die unterschiedlichen Begrifflichkeiten befindet sich noch im Aufbau und wird in Kürze unter „Definitionen“ erscheinen.

Eine Übertragung des anglo-amerikanischen Konzeptes „race“ und die entsprechenden Erhebungen für Deutschland ergeben sich nicht reibungslos. Der deutsche Begriff „Rasse“ basiert auf der rassistischen Vorstellung unterschiedlicher menschlicher „Rassen“ (Cremer 2010), weshalb der englische Begriff hier verwendet wird. Mit ‚race‘ wird nicht die Zuordnung zu ethnischen Gruppen bezeichnet, sondern es geht um rassistische Diskriminierung, strukturelle Ungleichheiten – Rassismus – und Zuschreibungen – rassifizierte Zuschreibungen.

BIPoC (Black, Indigenous, People of Color) werden beim Zugang zu Universitäten diskriminiert (Ahmed 2012; Aslan 2017). Dass die Wissenschaft weiß ist, wird sowohl an den Studierenden, dem wissenschaftlichen Personal als auch an den Curricula deutlich. Der Anteil von BIPoC und/oder Personen, die eine Migrationsgeschichte[1] aufweisen, ist gering und Forschung und Literatur von BIPoC werden seltener gelesen und rezipiert (Aslan 2017: 753).

Während Frauen[2] inzwischen in den meisten Studiengängen die Hälfte der Studierenden ausmachen, ist der Anteil von BIPoC und Personen mit Migrationsgeschichte noch immer gering. Zwar ist der Anteil an Frauen gestiegen, jedoch sind diese meist weiß und Angehörige der oberen Mittelschicht und selten Angehörige marginalisierter Gruppe (Gutierrez-Rodriguez 2018: 197). Studien belegen, dass Schwarze Personen und PoC an Hochschulen Rassismus erfahren und Mikroaggressionen ausgesetzt sind (Ahmed 2022; Lind/Löther 2008; Bakshi-Hamm/Lind 2008). Um genaue Aussagen über FINTA* Personen mit Migrationsgeschichte in der Wissenschaft treffen zu können, braucht es mehr zuverlässige Daten. Aufgrund einer fehlenden einheitlichen Definition von ‚race‘ und fehlenden rassismuskritischen und intersektionalen Perspektiven auf die Hochschule gibt es große Datenlücken. Erhebungen wie die Hochschulstatistik und der Mikrozensus erfassen nicht den Zusammenhang zwischen Herkunft, sozialer Chance, akademischer Karriere und Geschlecht (Ahmed 2022: 142). Der Sammelband von Gabrielle Gutierrez y Muhs et al. (2012) enthält Beiträge zum Widerspruch zwischen dem meritokratischen Anspruch der Wissenschaft und der diskriminierenden Zuschreibung von Teilnehmer*innen of Color als „inkompetent“ mit Fokus auf das US-amerikanische Hochschulsystem.

Studierende

Die 22. Sozialerhebung der Studierenden belegt, dass circa 17 Prozent der Studierenden einen Migrationshintergrund haben, das heißt sie sind entweder selbst im Ausland geboren und haben ihre Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland erworben oder sie sind in Deutschland geboren und eines ihrer Elternteile stammt aus dem Ausland (Sozialerhebung 2022: 32). Die Sozialerhebung gibt auch Aufschluss über den Bildungsgrad der Eltern der Personen mit Migrationshintergrund. Dabei zeigt sich, dass bei circa 30 Prozent der Studierenden aus Deutschland mit Migrationshintergrund ein Elternteil eine Hochschulreife oder beruflichen Abschluss hat und bei 26 Prozent beide Eltern einen Hochschulabschluss haben. Eine Aufschlüsselung der Studierenden nach Geschlecht und Migrationsgeschichte bietet die Erhebung nicht und auch keine Aufschlüsselung der Herkunftsländer.

Promotion und Postdocs

Studien aus Großbritannien weisen auf, dass je höher die Qualifikationsstufe, desto geringer ist der Anteil von People of Color Personen (Ahmed 2022: 140). Nicolas Winterhager et al. (2017) legen in ihrer Erhebung dar, dass 2014 der Anteil der Promovierenden ohne deutsche Staatsangehörigkeit circa 15 Prozent betrug. In der Erhebung wird jedoch nicht nach Geschlechtern unterschieden bzw. es erfolgt keine intersektionale Auswertung der Daten

Grit Petschick (2018) adressiert in ihrer Studie die Ambivalenz, die durch die Forderung der Wissenschaft nach internationaler Mobilität entsteht. Obwohl Internationalität und Mobilität eine Facette wissenschaftlicher Exzellenzkriterien sind, werden internationale Forscher*innen, die aus bestimmten Regionen stammen (meist dem globalen Süden, aber auch innerhalb von Europa), diskriminiert. In ihrer Studie beobachtete Petschick über drei Jahre zwei Arbeitsgruppen aus der Physik und Chemie. Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Frauen mit Einwanderungsgeschichte nicht nur Diskriminierung aufgrund ihrer Einwanderungsgeschichte erfahren, sondern auch aufgrund ihres Geschlechts. Ihnen wird weniger Kompetenz zugeschrieben als männlichen Personen aus ähnlichen Herkunftsländern (Petschick 2018: 178). Irina Gewinner (2023) interviewte russischsprachige Forscherinnen, die nach Deutschland migrierten und in deutschen Forschungsinstitutionen arbeiteten. Sie analysierte die erfahrene Diskriminierung der Frauen und welche Umgangsstrategien diese entwickelten. Demnach beeinflusst der Grad der Internationalisierung der Forschungseinrichtung, die erfahrene Unterstützung der internationalen Wissenschaftler*innen durch ihre Vorgesetzten, aber auch die Wahrnehmung des sozialen Hintergrunds, inwiefern Rassismus erfahren wurde.

Professur

Personen mit Migrationsgeschichte sind kaum auf Professuren vertreten. In Großbritannien sind 17 von 85 Schwarzen Professor*innen weiblich gelesen. Für Deutschland sind präzise statistische Aussagen aufgrund der geringen Datenlage jedoch nicht möglich. Zwar haben deutsche Universitäten aufgrund der ansteigenden Internationalisierung der Hochschulen einen Zuwachs von Personen mit Migrationsgeschichte im Hochschulsystem, jedoch bedeutet dieser Zuwachs nicht notwendigerweise eine stärkere Präsenz dieser Personengruppen auf professoraler Ebene. Es ist davon auszugehen, dass der Anteil von Professor*innen mit einer migrantischen Arbeiterklassenbiografie sehr gering ist (Gutierrez-Rodriguez 2018: 110-111). Encarnacion Gutierrez-Rodriguez et al. (2016) besprechen in einem schriftlichen Austausch zwischen wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen mit Migrationsgeschichte die Intersektion von Rassismus, Klassismus und Geschlecht an deutschen Hochschulen. In ihrem Gespräch gehen die Wissenschaftler*innen darauf ein, dass die Universität lange eine zentrale Rolle bei der Rechtfertigung von Rassismus gespielt hat und die Ungleichverteilung von Macht intellektualisiert. So dass auch die Wissenschaft selbst an der Reproduktion von rassifizierter Ungleichheit beteiligt war und dies erfordert eine Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit diesen Formen der Wissensproduktion.

Literatur:


[1] Der Begriff Migrationsgeschichte beinhaltet nicht nur Personen, die eine Einwanderungsgeschichte aufweisen, sondern auch Personen, die Rassismus und Diskriminierung aufgrund ihrer Hautfarbe und/oder ihrer Einwanderungsgeschichte erfahren, weshalb er hier im Folgenden verwendet wird. Wenn Begrifflichkeiten in der Darstellung variieren, liegt es daran, dass die Konzepte wiedergegeben werden, wie sie in den Studien verwendet wurden.

[2] In diesem Fall wird von Frauen gesprochen, da die Studierendenerhebungen nur im binären Geschlechterverständnis auswerten.

Der sozioökonomische Hintergrund einer Person nimmt starken Einfluss auf den Verbleib und Erfolg in der Wissenschaft. In oberen Stufen der Bildungshierarchie dominieren Personen aus den mittleren und oberen Gesellschaftsschichten (Schwinn 2007: 33). Wie der sozioökonomische Hintergrund mit Geschlecht interagiert, wird in diesem Forschungsüberblick dargestellt.

Der sozioökonomische Hintergrund wirkt sich nicht nur auf die Aufstiegschancen aus. Er beeinflusst auch schon die Entscheidung des Studienfaches (Möller 2018a). Demnach wählen Frauen aus den unteren Sozialschichten eher Studienfächer der Sozialen Arbeit, Erziehungswissenschaften, also „gendertypische“ Studienfächer, während Frauen aus den oberen Sozialschichten eher männlich dominierte Studienfächer wählen (Seehus 2019). Generell zeigt sich, dass die Prekarisierung der Wissenschaft zwar alle trifft, aber vor allem Frauen mit einem niedrigen sozioökonomischen Hintergrund dieses Risiko schlechter tragen können (Norkus 2018: 222).

Studierende

Ein Großteil der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit zum Bildungsverlauf und sozioökonomischer Herkunft liegt auf der Statusgruppe der Studierenden, da für diese Gruppen Daten vorliegen. Die Sozialerhebung der Studierenden erhebt den Bildungsstand der Eltern der Studierenden und analysiert darüber die Bildungsherkunft der Studierenden. Allerdings werden diese Daten bislang noch nicht intersektional mit Geschlecht ausgewertet. Ein Ergebnis zeichnet sich deutlich ab: „Arbeiter*innenkinder“ sind weiterhin stark unterrepräsentiert an Universitäten (Middendorff et al. 2013).

Promotion

Die soziale Öffnung bei Studierenden nach sozioökonomischer Herkunft bzw. Geschlecht bedeutet allerdings nicht, dass auch in nächsthöheren Qualifikationsstufen eine Öffnung stattfindet. Der Zugang zur Promotion ist besonders selektiv (Möller et al. 2020: 29). Eine Langzeitstudie zeigt, dass Studierende aus akademischen Haushalten eher eine Promotion beginnen, diese häufiger abschließen und dreimal häufiger eine Postdoc-Stelle antreten (Lörz/Schindler 2016). Die Vernetzung innerhalb der wissenschaftlichen Community und mit den Doktoreltern spielt eine bedeutende Rolle im Aufstieg der Karriereleiter (Möller et al. 2020: 34). Bönning/Möller (2019) nahmen explorative Interviews vor. Diese ergaben, dass Frauen durch den Erwerb eines Doktortitels die Unterstützung ihrer Familien verlieren können, wodurch sie eher auf sich selbst gestellt sind (Möller et al. 2020: 37).

Professur

Nur jede*r zehnte Professor*in ist ein „Arbeiterkind“ (Möller 2015; Möller et al. 2020: 11). Studien zeigen, dass es einen Rückgang in der sozialen Öffnung für Professuren gibt. Während zu Beginn der Bildungsexpansion eine leichte Öffnung nach sozialer Herkunft festzustellen war, hat sich dies in den Jahren wieder geschlossen. Es gibt zunehmend mehr Berufungen von höheren Herkunftsgruppen: von 30 Prozent auf 38 Prozent in den letzten zwei Jahrzehnten (Nagl/Hill 2010; Möller 2015). Evaluationen der Juniorprofessuren legen dar, dass diese die soziale Selektivität verschärfen (Möller 2018b: 69). Mit der gestiegenen Integration von Frauen auf der professoralen Ebene geht eine soziale Schließung nach sozialer Herkunft einher. Professorinnen haben häufiger einen hohen sozioökonomischen Hintergrund als Professoren (37 Prozent aus hoher Herkunftsgruppe, 7 Prozent aus niedriger). Frauen aus niederen sozialen Schichten sind damit besonders benachteiligt (Möller 2018b: 67; Möller 2018a: 267; Keil 2018: 473). 

Literatur: