Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 17 (2016) 2, 31 S
Inhalt: Ganzkörper-Kartografien wurden für Forschungszwecke erstmals in einem Projekt genutzt, in dem es um einen Vergleich von weiblicher Identität und Reproduktion zwischen ländlichen Regionen in Jamaika und in Großbritannien ging. Danach wurde dieser Ansatz im Rahmen eines in Südafrika durchgeführten Workshops weiterentwickelt mit dem Ziel, den Erfahrungen HIV-positiver Menschen zum Ausdruck zu verhelfen, der Stigmatisierung entgegenzuwirken und die Forderung nach der Bereitstellung anti-retroviraler Medikamente zu unterstützen. Bei einer Ganzkörper-Kartografie werden die Körperumrisse einer Person nachgezogen, um einen lebensgroßen Umriss zu generieren, der innerhalb eines kreativen und reflexiven Prozesses gefüllt wird, sodass ein Bild entsteht, das die multiplen Aspekte verkörperlichter Erfahrung repräsentieren soll. Es handelt sich bei Körper-Kartografien um eine qualitative, genauer im Bereich partizipativer Ansätze angesiedelte Methodik, deren Aufgabe es ist, Wissen zu generieren und zu distribuieren. Es bestehen aber nach wie vor Unsicherheiten, wie, von wem und in welchem Kontext die Methode zu nutzen ist. Deshalb präsentieren wir in diesem Beitrag eine systematische Bestandsaufnahme der verfügbaren Literatur. Es zeigt sich, dass sich Nutzungen von Kartografien insbesondere in Forschungs-, therapeutischen und erzieherischen Kontexten finden. Der Wert, der dabei z.B. auf soziale Gerechtigkeit, auf den Transfer von Wissen, auf Forschung und auf therapeutischen Nutzen gelegt wird, variiert tlw. erheblich, ebenso Intention und Durchführung des Verfahrens. Und obwohl der bisherige Stand recht vielversprechend ist, wären zusätzliche empirische Studien hilfreich, um die spezifischen Charakteristika von Körperkartografien im Rahmen wissenschaftlicher Forschung bzw. innerhalb klinischer, erzieherischer oder politischer Settings besser einschätzen zu können. (Autorenreferat)
Inhalt: The first recorded instance of whole-body-mapping for research purposes is a comparison of women's identity and the concept of the reproductive system in rural Jamaica and the UK. It was later developed in a structured workshop process in South Africa to give voice to the experiences of HIV positive individuals, decrease stigma, and advocate for provision of anti-retroviral medication. Whole-body mapping involves tracing around a person's body to create a life-sized outline, which is filled in during a creative and reflective process, producing an image representing multiple aspects of their embodied experience. Body-mapping holds promise as a qualitative, participatory research method to produce and disseminate knowledge. However, it is unclear how it is being used, by whom, and in what context. This article presents the findings of a systematic review of body-mapping in the published literature. The review identifies various implementations of body-mapping in research, therapeutic, and educational contexts. The degree of emphasis on social justice, knowledge translation, research, and therapeutic benefit varies a great deal, as does the intent and use of body-mapping. While body-mapping holds promise, more empirical investigation would be valuable in determining its characteristics in research, clinical, educative and political spheres. (author's abstract)
Ethical tensions as educative spaces in narrative inquiry
Titelübersetzung:Ethische Spannungen als Lehr-/Lernraum in narrativen Studien
Autor/in:
Park, Elly; Caine, Vera; McConnell, David; Minaker, Joanne
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 17 (2016) 2, 19 S
Inhalt: In "The Human Condition" (1958) ermutigt uns Hannah Arendt, uns intensiv mit unserer Rolle in Beziehungen auseinanderzusetzen und aufmerksam gegen eigene Handlungen und Intentionen zu sein. In diesem Beitrag greifen wir ethische Spannungen auf, die eine von uns im Verlauf ihrer Forschungsarbeit mit Frauen mit Lernschwierigkeiten erlebte, die Berührungen zu Einrichtungen der Strafverfolgung hatten. Genauer geht es um die Promotion der Erstautorin, die in ihrer Studie vier Frauen zu deren Leben befragte. Die ethischen Themen, die in diesem Zusammenhang deutlich wurden, sind vielschichtig und komplex, und sie warfen Fragen nach Engagement und Verantwortlichkeit auf. Wir behandelten die hiermit verbundenen Spannungen als Lehr-/Lernraum für die Promovendin und ihr Supervisionskomitee. Im Besonderen beschäftigten wir uns mit der Frage, wer wir als Forschende sind bzw. wie wir zu Forschenden werden in Beziehung zu den Menschen, die wir in unseren Studien befragen. Als Beitrag zur Debatte über Ethik in der qualitativen Sozialforschung betonen wir die Notwendigkeit, Forschungsbeziehungen als Teil eines komplexen Netzwerkes zu verstehen, das uns als menschliche Wesen miteinander verbindet. (Autorenreferat)
Inhalt: In "The Human Condition", Hannah Arendt (1958) calls us to think deeply about our role in relationships, to be mindful of our actions and intentions. In this article, we take up the ethical tensions one of us faced while working alongside women with learning difficulties, who have been involved in the criminal justice system. The narrative inquiry is based on the doctoral research of the first author, who engaged with four women in the living and telling of their experiences. The ethical questions that surfaced were complex, multilayered, and called forth questions of commitment and responsibilities. These tensions are contemplated as educative spaces by the first author and her supervisory committee. In particular, we look at ethical considerations in terms of who we are and are becoming as researchers in relation to participants we work with. Within the ongoing discourse about qualitative research ethics, this article emphasizes the need to think about research relationships as part of an intricate web that connects us all as human beings. (author's abstract)
Researching one's own field: interaction dynamics and methodological challenges in the context of higher education research
Titelübersetzung:Das eigene Feld beforschen: Interaktionsdynamiken und methodische Herausforderungen im Kontext der Hochschulforschung
Autor/in:
Malli, Gerlinde; Sackl-Sharif, Susanne
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 16 (2015) 1, 16 S
Inhalt: "Im Unterschied zu quantitativ-methodischen Zugängen, die Interaktionseffekte für gewöhnlich als Fehler oder Störgrößen behandeln, verstehen wir Interviews als soziale Situationen und Interaktionsdynamiken zwischen Interviewten und Interviewenden als konstitutiv für Datenerhebung und -interpretation. Im Rahmen eines Projekts zur Hochschulforschung führten wir eine Reihe von Interviews mit AkteurInnen des akademischen Feldes durch. Aufgrund unserer Felderfahrungen nehmen wir an, dass Interviews den Interviewten immer auch eine Gelegenheit bieten, sich in einem diskursiven Prozess selbst darzustellen. In diesem Beitrag wollen wir daran anschließend zunächst zeigen, dass wir von vielen unserer InterviewpartnerInnen als Evaluatorinnen wahrgenommen wurden. Wir gehen in diesem Zusammenhang davon aus, dass die Selbstdarstellungen der InterviewpartnerInnen und ihre rhetorischen Strategien durch das evaluative und kompetitive Umfeld der 'unternehmerischen Hochschule' geprägt sind, weswegen auch die Interviews vor dieser Folie zu betrachten sind. Darüber hinaus fassen wir unterschiedliche Typen von Interaktionseffekten zusammen, die auftreten können, wenn AkteurInnen interviewt werden, die einen höheren sozialen Status als die ForscherInnen aufweisen. Diese 'research up'-Effekte sowie die Wahrnehmung der InterviewerInnen als EvaluatorInnen beeinflussten nicht nur, wie und was uns die InterviewpartnerInnen mitteilten, sondern auch, was sie nicht zur Sprache brachten. Deshalb plädieren wir dafür, dass ForscherInnen den Interaktionseffekten im Prozess der Dateninterpretation aufmerksam begegnen sollten, da diese Hinweise auf Spannungsfelder, Konflikte oder konfligierende Perspektiven liefern können." (Autorenreferat)
Inhalt: "In contrast to quantitative approaches, where interaction effects are usually regarded as errors or disruption, we understand interviews as social situations and the interaction dynamics between interviewee and interviewer as constitutive for data collection and interpretation. We conducted interviews with various actors from the academic field for a research project in higher education research. Based on our field experience we assume that interviews also offer opportunities for the respondents to present themselves in a discursive process. In this article we first show that many of our interviewees perceived us as evaluators. We argue that the interviewees' self-presentations and rhetorical strategies were shaped by the evaluative and competitive environment in which they took place, i.e. that of the entrepreneurial university. Furthermore we sum up various types of interactive effects which can occur when researchers interview actors with a higher status in the academic field. These research up-effects as well as the interviewees' perception of us as evaluators influenced both how and what they told us as well as what they kept silent. Therefore we plead that researchers should look out more carefully for interaction dynamics when interpreting data, as they also might be pointers to tensions, conflicts or opposing perspectives." (author's abstract)
Methodologische Überlegungen und methodisches Vorgehen bei einer intersektionalen Dispositivanalyse
Titelübersetzung:Methodological considerations of and methodical approaches to an intersectional dispositive analysis
Autor/in:
Paulus, Stefan
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 16 (2015) 1, 26 S
Inhalt: "Dieser Beitrag beschäftigt sich mit methodologischen Überlegungen und dem methodischen Vorgehen zur Analyse von Dispositiven. Nach Siegfried Jäger ist eine explizite Methode 'bisher dafür noch nicht entwickelt worden und kann dies wohl auch erst in Verbindung mit konkreten Forschungsprojekten' (2001, S.111). In der Zwischenzeit haben weitere Wissenschaftler_innen zusätzliche theoretische Überlegungen vorgelegt (Bührmann & Schneider 2007, 2008; Keller 2007). In diesem Artikel möchte ich nun methodische Vorgehensweisen vorstellen und diese anhand eines konkreten Forschungsprojekts darlegen. Genaugenommen verbindet diese Vorgehensweise methodologische Überlegungen der intersektionalen Mehrebenenanalyse nach Winker und Degele (2009) mit Ansätzen einer Dispositivanalyse im Anschluss an Foucault. Diese Überlegungen beziehen sich auf das abgeschlossene Forschungsprojekt zur intersektionalen Dispositivanalyse des postfordistischen Geschlechterregimes der BRD (Paulus 2012). In diesem Rahmen werde ich auf folgende Punkte eingehen: Erstens wird die Dispositivanalyse im Anschluss an Foucault erläutert. Zweitens folgen methodologische Überlegungen zur Intersektionalität. Davon ausgehend werden dann drittens beide Ansätze trianguliert, sodass der theoretische Aufbau einer intersektionalen Dispositivanalyse verdeutlicht werden kann. Der theoretische Aufbau wird in einem vierten Schritt operationalisiert und am historisch-konkreten Beispiel eines Geschlechterregimes expliziert. Die schematische Darstellung der Wechselwirkungen der intersektionalen Dispositivanalyse wird in dem fünften Schritt stattfinden. Das Fazit bezieht sich auf die Relevanz einer intersektionalen Dispositivanalyse sowie auf weitere Forschungsmöglichkeiten." (Autorenreferat)
Inhalt: "This contribution deals with methodological consideration s and methodical approaches to a dispositive analysis. Siegfried Jäger (2001) argued that an explicit method can be developed only in connection with concrete research projects. Other researchers have presented additional theoretical considerations (Bührmann & Schneider 2007, 2008; Keller 2007). In this article I would like to introduce methodical approaches and demonstrate them with the help of a concrete research project. This approach connects methodological reflections on the intersectional multilevel analysis by Winker and Degele (2009) with attempts of a dispositive analysis after Foucault (1978). These considerations refer to the concluded research project 'Gender regime. An intersectional dispositive analysis of work-life-balance measures' (Paulus, 2012). I offer an explanation of the dispositive analysis after Foucault (1978), and methodological considerations of the theory of intersectionality. Both attempts will be triangulated in order to make the theoretical construction of an intersectional dispositive analysis clear. The theoretical construction will be explicated by a historical example of a post-Fordist gender regime. The results refer to the relevance of an intersectional dispositive analysis for other research possibilities." (author's abstract)
Collecting older lesbians' and gay men's stories of rural life in South West England and Wales: "we were obviously gay girls... (so) he removed his cow from our field"
Titelübersetzung:Narrationen älterer lesbischer Frauen und schwuler Männer über das ländliche Leben in Südwestengland und Wales: "Wir waren offensichtlich schwul, also nahm er seine Kuh von unserem Feld"
Autor/in:
Jones, Kip; Fenge, Lee-Ann; Read, Rosie; Cash, Marilyn
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 14 (2013) 2, 21 S
Inhalt: "In diesem Beitrag geht es um die Erinnerungen und biografischen Narrationen älterer lesbischer Frauen und schwuler Männer zu ihren Erfahrungen mit dem Landleben in Großbritannien und um eine Reflexion der unterschiedlichen qualitativen Verfahren, die in einem partizipativen Handlungsforschungsprojekt zum Einsatz kamen. Ziel des Projektes war das Empowerment älterer lesbischer Frauen und schwuler Männer in ländlichen Gegenden im Rahmen eines kollaborativen Designs und durch eine möglichst weitgehende Einbindung in den Forschungsprozess selbst. Zu den Methoden, die genutzt wurden, gehören die biografisch-narrative interpretative Methode (BNIM) (Jones, 2001, 2004; Wengraf, 2001), visuell-ethnografische Erhebungen, eine Fokusgruppe und eine zweitägige künstlerische Improvisation. Mit Blick auf die Verbreitung der Forschungsergebnisse folgte das Projekt den Prinzipien performativer Sozialwissenschaft (Gergen & Jones, 2008; Jones, 2006, 2012a, 2012b). Vier der erhobenen Lebensgeschichten werden in dem Artikel präsentiert. Diese Geschichten haben zusammen mit anderen Narrationen, Berichten und Beobachtungsmaterial Eingang in das Hauptergebnis des Projektes gefunden, den Kurzfilm Rufus Stone. Der Film zielt darauf, den Dialog zwischen unterschiedlichen Beteiligten zu fördern und auch Dienstleistungseinrichtungen über die Bedürfnisse dieser spezifischen Gruppen zu informieren, um so auf Mikro- und Makroebene neue Möglichkeiten der Verbundenheit, Kommunikation und Gemeinschaftlichkeit zu eröffnen." (Autorenreferat)
Inhalt: "The emerging recollections, perceptions and storied biographies of older lesbians and gay men and their experiences in rural Britain are presented in the article, alongside consideration of the multiple qualitative methodologies used in a unique multi-method participatory action research project. The project aimed to empower older lesbians and gay men in rural areas through a collaborative design and meaningful participation in the research process itself. Methods included the core Biographic Narrative Interpretive Method (BNIM) (Jones, 2001, 2004; Wengraf, 2001) with its interpretation of data by panels of citizens. In addition, visual ethnographic site visits, a focus group and two days of theatrical improvisation of interview data to explore action within the texts were used. The project embraced the principles of a performative social science (Gergen & Jones, 2008; Jones, 2006, 2012) in its dissemination plan. Four of the collected stories are elaborated on here. These and other stories, reports and observations contributed to the creation of the main output of the project - a short professionally made film (Rufus Stone). The film is used to encourage community dialogue and inform service providers, opening up new possibilities of connectivity, communication and common ground at both macro and micro levels." (author's abstract)
Schlagwörter:Großbritannien; Great Britain; Homosexualität; homosexuality; Narration; narration; Lebenslauf; life career; Erinnerung; reminiscence; Alter; old age; alter Mensch; elderly; Altern; aging; ländlicher Raum; rural area; Integration; integration; Exklusion; exclusion; Erfahrung; experience; Tradition; tradition
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Forschungsarten der Sozialforschung
Poetry and participation: scripting a meaningful research text with rape crisis workers
Titelübersetzung:Dichtung und Partizipation: sinnvolle Texte mit Krisenberaterinnen bei Vergewaltigung schreiben
Autor/in:
Rath, Jean
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 13 (2012) 1, 18 S
Inhalt: Dieser Beitrag untersucht Fragen der Darstellung und der Entwicklung von partizipativen Praktiken im Kontext der Erforschung von Erfahrungen von Frauen bei einem Training als Krisenberaterinnen bei Vergewaltigung. Beim Durchgang durch Kontext und Methoden, durch Forschung generierte Dichtung, von Teilnehmer/innenreaktionen und -vorlieben sowie die Diskussion textueller Präsentationen lädt das Format des geschichteten Texts Lesende dazu ein, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie reflektierte Praktiker/innen immer wieder die instabilen Antworten auf die Frage aushandeln müssen, was es innerhalb der partizipativen Forschung bedeutet, beides darzustellen: das Selbst bzw. die Selbste und die Anderen.
Inhalt: This article explores issues of representation and the development of participatory practices in the context of researching women's experiences of training to be rape crisis counselors. In moving between context and methods, research generated poetry, participants' responses and preferences, and discussion of textual presences, the layered text format invites the reader to develop a sense of how the reflective practitioner may negotiate, and constantly renegotiate, the unstable nature of what it means to represent both self/ves and Others within participatory qualitative research.
Menschen mit Behinderungen als GrenzgängerInnen im akademischen Raum: Chancen partizipatorischer Forschung
Titelübersetzung:People with disabilities as border crossers in the academic sector: chances for participatory research
Autor/in:
Goeke, Stephanie; Kubanski, Dagmar
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 13 (2012) 1, 29 S
Inhalt: Menschen mit Behinderungen sind derzeit gar nicht oder nur vereinzelt am Forschungsgeschehen zum Themenkreis Behinderungen aktiv beteiligt. Demgegenüber steht die Tatsache einer langen sonderpädagogischen und medizinischen Forschungstradition, in der entweder über behinderte Menschen geforscht wird oder StellvertreterInnen Auskunft über das Befinden behinderter Menschen geben. In unserem Beitrag stellen wir zunächst zum Thema des Einbezugs behinderter Frauen und Männer als aktive ForscherInnen die unterschiedlichen Ansätze von partizipatorischer, emanzipatorischer, inklusiver und transdisziplinärer Forschung vor und verdeutlichen deren Herkunft und Charakteristika. Vor dem Hintergrund von Pierre BOURDIEUs Soziologie und mithilfe der Grundbegriffe "Feld", "Kapital" und "Habitus" kann praxisnah gezeigt werden, wie es zum Ausschluss behinderter Menschen aus dem akademischen Raum kommt und welche Zugangsbarrieren bestehen. Ergänzt wird dies durch Beispiele aus unserer Forschungspraxis. Die Ergebnisse aus der Forschung im deutschsprachigen Raum zeigen, dass Menschen mit Behinderung umfassender in die Konzipierung von Forschungsvorhaben, die Durchführung von Erhebungen und die Interpretation von Datenmaterial einbezogen werden sollten. Deshalb muss ein radikaler Umdenkprozess in Bezug auf Forschungsprozesse an Hochschulen und außeruniversitären Forschungsinstituten stattfinden. Sprachliche Barrieren und Machtverhältnisse müssen in den Blick genommen werden. Forschungsmittel sollten in den entsprechenden Zusammenhängen an den Nachweis einer Beteiligung behinderter Menschen gebunden werden.
Inhalt: Currently people with disabilities have a small or non-existent presence in research activities that explore the lives of people like them. However, there is a strong tradition of such research in special education and medical research. In this article we introduce various approaches to participatory, emancipatory, inclusive, and transdisciplinary research, and illustrate their origin and characteristics. Based on Pierre BOURDIEU’s theory and principles of field, capital and habitus, reasons are illustrated why people with disabilities are excluded from the academic world, as well as the barriers they have to face. We offer examples from our own research practice. The results of research in German-speaking countries confirm that people with disabilities should be included in the design of research projects, the process of evaluation, and the interpretation of data. Because of that we appeal for a radical change at institutions of higher education and a comprehensive inclusion of people with disabilities in the conception of research projects as well as in the operation of surveys and the evaluation and interpretation of data. Linguistic barriers as well as the balance of power ought to be reviewed. The granting of research funds ought to be contingent upon approved participation of people with disabilities.
Schlagwörter:Forschungsprozess; research; Bourdieu, P.; Behinderter; qualitative method; Partizipation; Methode; method; research approach; Forschungsansatz; qualitative Methode; participation; social research; research process; Bourdieu, P.; Sozialforschung; handicapped; partizipatorische Forschung; emanzipatorische Forschung; inklusive Forschung; transdisziplinäre Forschung; Frauen und Männer mit Behinderungen; participatory research; emancipatory research; inclusive research; transdisciplinary research; women and men with disabilities
SSOAR Kategorie:Forschungsarten der Sozialforschung, Erhebungstechniken und Analysetechniken der Sozialwissenschaften, soziale Probleme
Risky undertakings: the employment decision-making of women lawyers and accountants
Titelübersetzung:Riskante Unternehmungen: Arbeitsentscheidungen von Juristinnen und Wirtschaftsprüferinnen
Autor/in:
Narcisse, Denise Ann
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 12 (2011) 2, 24 S
Inhalt: In dieser Studie wird, ausgehend von Interviews mit Juristinnen und Wirtschaftsprüferinnen, das Konzept der Risikovermeidung genutzt, um zu verstehen, warum und in welcher Weise einige der Frauen sich für eine Tätigkeit in einem staatlichen Arbeitsumfeld entschieden haben: Zusammengefasst spielten für diese Entscheidungen insbesondere wahrgenommene Konflikte zwischen Berufs- und Privatleben, ökonomische Unsicherheiten und der geringere Schutz vor willkürlichen Arbeitgeberentscheidungen im nicht-öffentlichen Sektor als potenzielle Risikofaktoren eine herausgehobene Rolle. Die Studie leistet einen Beitrag zum bisherigen Forschungsstand, indem sie das Konzept der Risikovermeidung bei Arbeitsentscheidungen vor dem Hintergrund des Konfliktes zwischen Berufs- und Privatleben und mit Blick auf spezifische Klassenlagen entfaltet und nachvollziehbar macht, wie Frauen eine solche Präferenz im Falle privilegierter White-Collar-Berufe vollziehen.
Inhalt: This study uses the concept of risk avoidance to analyze responses from in-depth interviews with a group of women lawyers and accountants about their employment decision-making in order to provide a deeper understanding of why and how some women come to choose government employment over private-sector employment. An analysis of interviews reveals that some women perceived work-family conflict, economic precariousness, and fewer protections against employers' arbitrary decision-making as potential risks associated with private-sector employment. To reduce these risks, some women "chose" to work in government rather than in the private sector. This study contributes to existing literature by identifying risk avoidance in employment decision-making as a response to work-family conflict and social class constraints and by illustrating why and how this risk avoidance occurs among some women in elite white-collar professions.
Titelübersetzung:Freuden der Archivierung oder: Um wessen Zeit geht es?
Autor/in:
Tamboukou, Maria
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 12 (2011) 3, 19 S
Inhalt: In diesem Artikel greife ich auf Erfahrungen zurück, die ich im Rahmen meiner Archiv-Forschungen am Harry Ransom Humanities Research Centre, University of Texas, Austin und mit den Archiven des Rodin-Museums in Paris gewonnen habe. Indem ich meine eigene Arbeit an den Briefen von Dora CARRINGTON und Gwen JOHN reflektiere, befasse ich mich mit der Frage, in welcher Weise Forschende Wahlen treffen, wenn sie mit Archivmaterial arbeiten: Was soll angesehen, behandelt und ggf. transkribiert werden? Diese Fragen berühren zugleich grundsätzlichere Themen wie das des Changierens zwischen Involviertheit und Distanz bzw. der Erfordernis, einen Übergangsraum zu schaffen, der sowohl Emotion/Nähe als auch Distanz/Reflexion eröffnet. Zudem hat meine Arbeit mich auf Phänomene aufmerksam gemacht, die ich unter dem Begriff "Heterotemporalität" theoretisch zu fassen versucht habe, d.h., dass die beforschte Vergangenheit und meine aktuelle Wahrnehmung so machtvoll miteinander verwoben sind, dass beides vitaler Anteil meiner Gegenwart als feministische Forscherin wird. Von hier ausgehend diskutiere ich auch, wie meine Arbeit mit Archivmaterial Möglichkeitsräume eröffnet hat, die Restriktionen der Gegenwart zu überwinden, und Schritte in eine offene und radikale Zukunft hat denkbar werden lassen, Chronotopoi feministischer Imagination.
Inhalt: In this article, I draw on my experience of doing archival research at the Harry Ransom Humanities Research Centre, University of Texas at Austin and at the archives of the Rodin Museum in Paris. Reflecting on my experience of reading Dora CARRINGTON's and Gwen JOHN's letters, I address the problem of how a researcher makes specific choices while working in the archive: choosing what to see, what to note and even more what to transcribe. These are questions that relate to wider issues of how the researcher can oscillate between pathos and distance and create a transitional space that can accommodate both her involvement and her need for detachment and reflection. What has further emerged from my work in the archives is what I have theorized as heterotemporalities, space/time blocks where women's past is so forcefully contracted in my perception of the present that it becomes a vital part of my actuality as a feminist researcher. I therefore discuss how my experience of working in the archives has created conditions of possibility for transgressing the constraints of the present and has facilitated leaps into open and radical futures, constituting chronotopes of the feminist imaginary.
Schlagwörter:Forschungsplanung; Forschungsprozess; scientist; genealogy; scientific activity; research topic; Genealogie; Forschungsgegenstand; Archiv; Wissenschaftler; wissenschaftliche Arbeit; social research; research process; archives; Sozialforschung; research planning; feministische Imagination; Heterotemporalität; Briefe; archives; feminist imaginary; genealogy; heterotemporalities; letters
SSOAR Kategorie:Forschungsarten der Sozialforschung, Information und Dokumentation, Bibliotheken, Archive, Erhebungstechniken und Analysetechniken der Sozialwissenschaften
Self-reflection as a means for personal transformation: an analysis of women's life stories living with a chronic disease
Titelübersetzung:Selbstreflexion als Weg zur persönlichen Transformation: eine Analyse von Lebensgeschichten von Frauen, die mit einer chronischen Erkrankung leben
Autor/in:
Prodinger, Birgit; Stamm, Tanja Alexandra
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 11 (2010) 3, 16 S
Inhalt: Ziel dieser Studie war es zu erläutern, wie die Lebensgeschichten von Frauen mit chronischer Polyarthritis eingebettet sind und geformt werden von für als selbstverständlich angenommenen Praktiken innerhalb des Gesundheitssystems. Eine Sekundäranalyse der Lebensgeschichten von sechs Frauen mit chronischer Polyarthritis wurde durchgeführt. Die Lebensgeschichten der sechs Frauen waren in der Primärstudie (STAMM et al. 2008) einer Typologie mit dem Namen "chronische Polyarthritis als Quelle für neue Herausforderungen" zugeordnet worden. Die feministische Standpunkttheorie und ausgewählte feministische Philosophien dienten als theoretischer Bezugsrahmen für diese Sekundäranalyse.
In der Analyse wurde deutlich, dass jede der sechs Frauen zumindest an einem Punkt in ihrer Lebensgeschichte begann, die Praktiken innerhalb des Gesundheitssystems und die kognitive Autorität der Medizin zu hinterfragen. Dieses Bewusstsein befähigte die Frauen, dem eigenen Wissen zu vertrauen und selbst Entscheidungen für die eigene Gesundheit zu treffen. Die Ergebnisse der Analyse eröffnen für Professionelle aus dem Gesundheitssystem die Möglichkeit, ihre für selbstverständlich genommenen Praktiken kritisch zu hinterfragen. Durch eine solche kritische Auseinandersetzung und das Bewusstsein, wie diese Praktiken in einem breiteren System eingebettet sind, können möglicherweise zukünftige Rahmenbedingungen initiiert werden, die den Dialog zwischen Patient/innen und Professionellen im Gesundheitssystem fördern.
Inhalt: The aim of this secondary analysis is to explicate taken-for-granted practices in the health care system in which the life stories of six women with rheumatoid arthritis (RA) are embedded. A secondary analysis of life stories of six women with RA, which were assigned to a typology named "rheumatoid arthritis as a source for new challenges" (STAMM et al., 2008) in the primary narrative study, was conducted. The theoretical framework applied for the analysis was informed by feminist standpoint theory and feminist philosophy. In the present analysis, each of the women challenged established health care practices and the cognitive authority of medicine at a certain point in their life story reflections. Becoming more conscious about health care practices enabled the women to acknowledge their own knowledge and to make choices about their health. The findings challenge health care providers to engage in critical reflexivity to become conscious about and to transform taken-for-granted practices as embedded in larger systems and to create health care environments that enable dialogue between clients and health care providers.
Schlagwörter:Theorie; self-reference; secondary analysis; Austria; health care delivery system; Dialog; Rahmenbedingung; Gesundheitswesen; Österreich; medicine; chronic illness; dialogue; Kritik; physician-patient relationship; chronische Krankheit; gender; criticism; life career; Arzt-Patient-Beziehung; Medizin; Gender; general conditions; identity; woman; Identität; theory; self-assessment; Selbsteinschätzung; Selbstreferenz; Sekundäranalyse; Lebenslauf; Narrative; feministische Kritik am Gesundheitswesen; Standpunkttheorie; soziales Geschlecht; chronische Polyarthritis; health sciences; social sciences; women's studies; secondary analysis; narratives; feminist critiques on health care; standpoint theory
SSOAR Kategorie:Forschungsarten der Sozialforschung, Frauen- und Geschlechterforschung, Erhebungstechniken und Analysetechniken der Sozialwissenschaften, Gesundheitspolitik