"Why all the fuss about practice theory?" Zum Verhältnis von Geschlechter- und Praxistheorie aus Sicht einer Historikerin
Titelübersetzung:"Why all the fuss about practice theory?" A historian's perspective on the relation between gender and practice theory
Autor/in:
Böth, Mareike
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 10 (2018) 1, S 13-28
Inhalt: Aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive beleuchtet der Aufsatz einerseits zentrale geschlechtertheoretische Konzepte ('doing gender', 'doing difference' bzw. Intersektionalität) als Beiträge zur Praxistheorie und arbeitet andererseits Impulse der aktuellen Praxeologie-Debatte für die Geschlechter- und Körpergeschichte heraus. Die wechselseitigen Potenziale von Geschlechter- und Praxistheorie werden anhand einer Analyse frühneuzeitlicher Körperpraktiken in den Briefen Liselottes von der Pfalz (1651-1722) aufgezeigt.
Inhalt: This article first revisits key concepts in gender studies ("doing gender", "doing difference" and "intersectionality") from a historical perspective, portraying them as crucial contributions to praxeology. Second, it draws on the impetus which practice theory can provide as regards the history of gender and the body. Based on an analysis of early modern bodily practices described in letters written by Elisabeth Charlotte, Princess Palatinate (1652-1722), the article demonstrates how gender theory and practice theory can enrich each other.
Rezension: Sabine Hark/ Paula-Irene Villa, 2017: Unterscheiden und Herrschen. Ein Essay zu den ambivalenten Verflechtungen von Rassismus, Sexismus und Feminismus in der Gegenwart
Autor/in:
Mauer, Heike
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 10 (2018) 1, S 167-170
The American Crawl - Praktiken von Geschlecht und Moderne in US-amerikanischen Schwimmbecken, 1900-1940
Titelübersetzung:The American crawl - practices of gender and modernity in United States’ swimming pools 1900-1940
Autor/in:
Stieglitz, Olaf
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 10 (2018) 1, S 63-80
Inhalt: Schwimmen boomte in den USA während des frühen 20. Jahrhunderts. Es hatte seinen Platz in den Fitness- und Gesundheitsdebatten, war eine leicht auszuübende Freizeitaktivität und wurde von vielen als ein besonders demokratischer Sport beschrieben. Darüber hinaus kam dem Schwimmen in den USA zu dieser Zeit die Rolle zu, menschliche Körper als ausdrücklich ‚modern‘ zu kennzeichnen. Sie war besetzt mit Vorstellungen vom modernen Leben und seinen an bestimmte Normen und Ideale von physischem Aussehen, Handeln, Können und Leistungsfähigkeit gekoppelten Anforderungen. Hierbei waren sowohl geschlechtlich codierte Zuschreibungen als auch Auffassungen von Race zentral. Bei der Praktik des Schwimmens, so die These des Beitrags, sollten idealisierte wie normalisierte moderne amerikanische Frauen- und Männerkörper entstehen.
Inhalt: Swimming was all the rage in the United States in the early 20th century. It played an important part in health and fitness debates, it was a popular leisure-time activity and many considered it to be an especially democratic sport. Further - and this is the key argument of this article - at that time swimming marked human bodies out as explicitly "modern", swimming was regarded as a practice which made normative notions and ideals of ability, competence and beauty especially visible. These attributions were closely linked to both gendered and racialized codes. Swimming, this article argues, was supposed to create idealized male and female bodies.
Schlagwörter:USA; United States of America; Wassersport; watersports; Moderne; modernity; Körper; body; gender; Rollenzuschreibung; role ascription; Idealtypus; ideal type; Kulturgeschichte; cultural history; Schwimmen; Körperpraktiken
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Sozialgeschichte, historische Sozialforschung
Modisches Handeln als Strategie der Veruneindeutigung? Eine kritische Diskursanalyse über 'islamische Mode'
Titelübersetzung:Fashion acts as strategies for creating ambiguities? A critical discourse analysis of "Islamic fashion"
Autor/in:
Amsler, Claudia
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 10 (2018) 3, S 39-53
Inhalt: Der Beitrag beschäftigt sich mit dem medialen Sprechen über vestimentäre Praktiken rund um 'die islamische Mode'. Mithilfe der Wiener Kritischen Diskursanalyse argumentiere ich dafür, dass eine postkoloniale Perspektive auf das Themenfeld von Mode und Geschlecht unabdingbar ist. So lässt sich durch die Analyse von deutschsprachigen Berichterstattungen, die durch Interviews mit Expertinnen und ethnografischen Beobachtungen flankiert wurden, die Janusköpfigkeit von modischen Handlungen aufzeigen: Einerseits besitzen modische Handlungen das Potenzial, fixierte Bedeutungen von vergeschlechtlichten und religiös konnotierten Kleidungsstücken zu veruneindeutigen, andererseits können sich in modischen Handlungen und im Sprechen über sie koloniale Blick- und Denkregime aktualisieren. Insbesondere das Stereotyp 'der unterdrückten muslimischen Frau' wird immer wieder aufgerufen und dient in den Berichterstattungen dazu, ein 'Gegenbild' zu konstruieren: die schöne, selbstbestimmte, kauffreudige Muslimin. Durch die referentielle Strategie der Synekdoche und Generalisierung wird dieses ‚Gegenbild‘ homogenisiert, exotisiert und gleichzeitig vereinnahmt.
Gestalt(ung) des Coming-out: lesbische und schwule Jugendliche und junge Erwachsene in der Ökonomie der Sichtbarkeit
Titelübersetzung:Shape/shaping of coming out: lesbian and gay adolescents and young adults in the economy of visibility
Autor/in:
Brodersen, Folke
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 10 (2018) 3, S 85-100
Inhalt: Coming-out stellt insbesondere für lesbische und schwule Jugendliche und junge Erwachsene eine relevante Aushandlung mit Umfeld und Welt dar. Der Beitrag untersucht das Erleben und Gestalten dieser Praxis. Die Sekundäranalyse 19 problemzentrierter Interviews zeigt, dass Coming-out als Problem des Spektakels hervorhebender Dramatisierung und des unausweichlichen Drucks gedeutet wird. Strategien der Heteronormalisierung, der Usurpation und der Aussetzung der Seinsrelation reagieren auf diese Problematisierungen und setzen sie teilweise außer Kraft. Die Fallstricke der Sichtbarkeit als Politikum, Authentizitätsanforderung und unhintergehbare Tatsache verweisen dabei auf eine gesellschaftliche Wandlung - eine Transformation der Ökonomie der Sichtbarkeit. Trotz - oder gerade wegen - der Vielzahl sich outender Stars und Aktivist_innen, Familien- und Freundschaftserzählungen sind nicht Lesbisch- und Schwul-Sein selbstverständlicher geworden, sondern die Praxis des Comingouts. Der Akt der Herstellung von Sichtbarkeit hat eine Eigenständigkeit entwickelt und ist nun selbst Zeichen der Homosexualität.
(Un)modelling Gender: Models zwischen Mode und Gesellschaft
Titelübersetzung:(Un)modelling gender: Models between fashion and society
Autor/in:
Giannone, Antonella
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 10 (2018) 3, S 54-69
Inhalt: Als Technology of Gender im Sinne von Teresa de Lauretis (1988) steht Modeln im Zeichen des kulturell konstruierten und gesellschaftlich ausgetragenen Weiblichen. Gerade im Kontext dieses geschlechtlich so deutlich markierten Handlungsraums werden gegenwärtig Genderstereotype dekonstruiert und Identitäten infrage gestellt. Dieser Beitrag fokussiert aus modetheoretischer Perspektive auf die kulturelle Rolle des Models. Er setzt sich mit der These auseinander, dass es zu einer prägenden "Sozialfigur der Gegenwart" im Sinne von Stephan Moebius und Markus Schroer (2010) geworden ist. Als solche adressiert das Model durch seine breit aufgefächerte, intertextuelle bzw. intermediale Präsenz grundlegende Fragen bezüglich der gegenwärtigen Relation zwischen Mode und Identitätskonstruktionen.
Schlagwörter:Mode; fashion; Vorbild; role model; Körper; body; Weiblichkeit; femininity; Stereotyp; stereotype; Identität; identity; Geschlechtsrolle; gender role; Model
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Kultursoziologie, Kunstsoziologie, Literatursoziologie
What matters? - Natur, Technologie und Geschlecht im Diskurs der Präimplantationsdiagnostik
Titelübersetzung:What matters? - Nature, technology and gender in the discourse on preimplantation genetic diagnosis
Autor/in:
Rödel, Malaika
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 10 (2018) 1, S 47-62
Inhalt: Seit der Einführung der In-vitro-Fertilisation in den 1970er-Jahren sind im Feld der modernen Reproduktionsmedizin eine Reihe weiterer Verfahren entstanden, die die Vorstellungen von Zeugung und Elternschaft verändern. Leihmutterschaft, Präimplantationsdiagnostik, Eizell- und Samenspende lösen die Verbindung von Sexualität und Reproduktion und bieten ein Beispiel für die These der zunehmenden Auflösung von Körper- und Geschlechtergrenzen. Der vorliegende Beitrag leuchtet am Beispiel der Präimplantationsdiagnostik (PID) aus, wie Geschlecht und die Grenze von Natur und Technologie im Zuge dieser Entwicklung neu verhandelt werden. Anhand der Ergebnisse einer Analyse des Diskurses um die PID in Deutschland wird aufgezeigt, wie sich die PID von einer selektiven und mehrheitlich abgelehnten Diagnostik zu einer helfenden Hand für Paare mit Kinderwunsch wandelt und wie diese diskursiven Verschiebungen mit Rückgriff auf die Science and Technology Studies als eine "strategische Naturalisierung" (Thompson) und "Reinigungsarbeit" (Latour) im Diskurs verstanden werden können.
Inhalt: New reproductive technologies have changed our understanding of pregnancy and reproduction. In vitro fertilization, preimplantation genetic diagnosis (PGD) and surrogate motherhood have created new forms of family and parenthood. As a result, reproduction is no longer solely regarded as a natural process, and the dualism of nature and technology is becoming fragile. But what kind of nature do we have instead, and what does it mean for gender boundaries? The article outlines the results of a discourse analysis of the debate around PGD in Germany. It shows how PGD is changing from a selective technology into an almost therapeutic procedure and how this change is intertwined with women’s and couples’ desire to have a healthy child. It also raises the issue of how the debate can be described from a hybrid perspective of nature and society. It is argued that the discursive shifts can be understood as a result of a “strategic naturalization” (Thompson) and "the work of purification" (Latour).
Schlagwörter:Präimplantationsdiagnostik; pre-implantation diagnostics; Reproduktionsmedizin; reproductive medicine; neue Technologie; new technology; gesetzliche Regelung; statuary regulation; gender; Diskurs; discourse; Federal Republic of Germany; Science and Technology Studies; Rekonfiguration von Geschlechtergrenzen
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Wissenschaftssoziologie, Wissenschaftsforschung, Technikforschung, Techniksoziologie
"Aussehen ist nicht wichtig!" - Zum Verhältnis von Körperbildern und Körperpraktiken bei der Herstellung von Geschlecht durch männliche und weibliche Jugendliche
Titelübersetzung:"Appearance doesn't matter" - About the relation between body images and body practices when pupils do gender during puberty
Autor/in:
Kirchhoff, Nicole; Zander, Benjamin
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 10 (2018) 1, S 81-99
Inhalt: In unserem Beitrag gehen wir der Frage nach, inwiefern Praxen der Herstellung von Geschlecht durch Jugendliche in Körperbildern sichtbar werden. Untersucht werden SchülerInnen der 7. Klasse an Hauptschulen und Gymnasien über ein methodisches Vorgehen, das als "Gruppenwerkprozess" eine Erweiterung des Gruppendiskussionsverfahrens auf der visuellen Ebene durch die "Bilder-Collage" und das "Gruppen-Selfie" darstellt. Am Beispiel von zwei kontrastierenden Fällen können entsprechende Praxen über die dokumentarische Methode sichtbar gemacht werden.
Inhalt: The article considers the question of how practices of doing gender become visible in adolescents’ body images. Seventh grade pupils from various secondary schools are examined by applying a method approach called the "group work process" - a practical extension on the visual level of the group discussion method by adding the "collage of images" and "group selfies". Based on two contrasting cases, corresponding practices can be visualized by means of the documentary method.
Zeit-Nischen oder Familienzeit? Väter und der Umgang mit den Widersprüchen flexibler Arbeitsformen
Titelübersetzung:Time niches or family time? How fathers deal with the contradictions inherent in flexible working arrangements
Autor/in:
Liebig, Brigitte; Peitz, Martina
Quelle: GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 10 (2018) 1, S 151-166
Inhalt: Flexible Arbeitsmodelle gewinnen heute an Bedeutung - ebenso wie die Vorstellung einer "involvierten" Vaterschaft. Hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie erweisen sich flexible Formen der Arbeit für Väter jedoch als ambivalent: Einerseits bieten sie Vätern neue Spielräume, andererseits stehen sie für problematische Trends der Arbeitsverdichtung, denen insbesondere Männer aufgrund traditioneller Arbeitsnormen ausgeliefert sind. Dieser Beitrag geht der Frage nach, wie Väter die Widersprüche flexibler Arbeitsmodelle im Kontext von Vereinbarkeitsansprüchen handhaben. Empirische Grundlage bilden problemzentrierte Interviews mit 32 Vätern aus familienfreundlichen Unternehmen und Verwaltungen der Schweiz. Die Resultate zeigen, dass flexible Arbeitsmodelle Vaterschaftspraxen nur auf symbolischer Ebene verändern, wenn sie von traditionellen Vorstellungen von Männlichkeit und Familie begleitet sind. Erst verknüpft mit partnerschaftlich-egalitären Vorstellungen und unterstützt von einer Arbeitskultur, welche der Sorgeverantwortung von Vätern ausdrücklich Rechnung trägt, können flexible Arbeitsformen auch bei Vätern zu einem Mehr an Familienzeit im Sinne einer gleichberechtigt(er)en Teilhabe an der Kindererziehung führen.
Inhalt: Flexible working arrangements are gaining importance today, as is the idea of "involved" fatherhood. However, flexible forms of work are ambivalent when it comes to fathers’ ability to reconcile work and family life: On the one hand, they offer fathers new opportunities; on the other hand, they represent problematic trends as regards work intensification, to which men in particular are exposed due to traditional norms at the workplace. This article examines how fathers deal with the contradictions inherent in flexible working arrangements, and in the context of claims about reconciling family life and work. The analysis starts from problem-centred interviews with 32 fathers in family-friendly businesses and public administrations in Switzerland. The results show that flexible working models transform fatherhood practices only superficially if they are framed by traditional notions of masculinity and family. It is only in combination with egalitarian ideas and supported by a working culture, which values fathers’ care responsibilities that flexible forms of work can help increase fathers’ family time in the sense of leading to their equal involvement in parenting.
Schlagwörter:Vaterschaft; fatherhood; Arbeitsorganisation; work organization; Arbeitszeitflexibilität; working time flexibility; Familie-Beruf; work-family balance; Arbeitsteilung; division of labor; Familienarbeit; family work; gender-specific factors; Rollenverständnis; role conception; Arbeitskultur; work culture; Schweiz; Switzerland; flexible Arbeitsmodelle; Vereinbarkeit; Zeitnormen; Sorgearbeit
SSOAR Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Familiensoziologie, Sexualsoziologie