Postkoloniale Perspektiven zur Reflexion von Bildung in einer Einwanderungsgesellschaft: die Interdependenz sozialer Kategorien als neuer Denkansatz
Titelübersetzung:Post-colonial perspectives on the reflection of education in an immigration society: interdependence of social categories as a new approach
Autor/in:
Baquero Torres, Patricia
Quelle: Entdemokratisierung und Gegenaufklärung. Sven Kluge (Red.), Gerd Steffens (Red.), Edgar Weiß (Red.). Frankfurt am Main: P. Lang, 2009, S. 335-349
Inhalt: Die Analyse komplexer und kontextspezifischer diskursiver Konstruktionen entlang von Geschlecht, Kultur, Ethnizität und Rasse haben das Ziel, das bestehende hegemoniale Repräsentationssystem aufzudecken und zugleich Formen des Fortbestehens und Nachwirkens kolonialer Herrschaft und kolonialen Denkens nachzuweisen. Diese sehr allgemeine Bestimmung der Postkolonialität wird im vorliegenden Beitrag auf die erziehungswissenschaftliche Diskussion bezogen. Ausgangspunkt der Überlegungen der Autorin sind die Diskussion um Differenz und Ungleichheit sowie die drei zentralen Kategorien sozialer Differenz: Geschlecht, Ethnizität und Kultur. Sie erörtert die Ansätze der Frauen- und Geschlechterforschung und der Interkulturellen Pädagogik, welche mit der Einführung dieser sozialen Kategorien in den erziehungswissenschaftlichen Diskurs neue Fragen im Zusammenhang mit Bildung und Demokratie aufgeworfen haben. Die Autorin geht ferner auf die Konzeptualisierung des Geschlechts in der Frauen- und Geschlechterforschung ein und diskutiert dessen vorrangige Stellung in der erziehungswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit sozialer Ungleichheit. Sie skizziert abschließend ein alternatives Verständnis sozialer Differenzen sowohl auf der Ebene der Theoriebildung als auch der empirisch ausgerichteten Forschungsperspektive. Hierbei postuliert sie vor allem die Anwendung von Rasse als Analysekategorie. (ICI2)
CEWS Kategorie:Bildung und Erziehung, Migration und Migrantinnen
Dokumenttyp:Sammelwerksbeitrag
Die "Prekarier" - eine soziologische Kategorie? : Anmerkungen aus einer geschlechtssoziologischen Perspektive
Titelübersetzung:The "precarious" - a sociological category? : comments from the viewpoint of gender sociology
Autor/in:
Nickel, Hildegard Maria
Quelle: Prekarität, Abstieg, Ausgrenzung: die soziale Frage am Beginn des 21. Jahrhunderts. Robert Castel. Frankfurt am Main: Campus Verl., 2009, S. 209-218
Inhalt: Der Beitrag fragt aus einer geschlechtersoziologischen Perspektive nach den Möglichkeiten der (Geschlechter-)Solidarität in einer Gesellschaft, in der die "Arbeitsbeziehungen vornehmlich Einzelkämpfertum" erfordern. Flexibilisierung, Pluralisierung und Entgrenzung ändern danach "das Geschlecht von Erwerbsarbeit". Neue Formen der "flexiblen Mischarbeit" kollidieren mit dem fordistischen Regulationsmodus, der das männliche Ernährermodell -und damit die Hierarchie der Geschlechter - voraussetzte. Die Autorin fragt: Wird der Bedeutungsverlust des existenzsichernden und sozial abgesicherten Normalarbeitsverhältnisses ein neues Geschlechterarrangement ermöglichen? Dagegen spricht (noch), dass Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen überrepräsentiert und sozial verwundbarer sind als Männer. Was sich aber als neue Spaltungslinie herausbildet, ist die Tatsache, dass die Veränderungen in der Arbeitswelt nicht zur Reproduktion "alter" Trennungslinien zwischen Männern und Frauen führen, sondern zu gravierenden Unterschieden zwischen Frauen: Hoch qualifizierte und karriereorientierte Frauen profitieren dabei von Gewährleistungsarbeit, die von anderen Frauen im prekären Dienstleistungsbereich erbracht werden. (ICA2)
CEWS Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Geschlechterverhältnis
Dokumenttyp:Sammelwerksbeitrag
Geschlechter organisieren - Organisationen gendern : zur Entwicklung feministischer und geschlechtssoziologischer Reflexion über Organisationen
Titelübersetzung:Organize genders - genderize organizations : development of feminist and gender sociology reflection on organizations
Autor/in:
Hofbauer, Johanna; Holtgrewe, Ursula
Quelle: Arbeit: Perspektiven und Diagnosen der Geschlechterforschung. Brigitte Aulenbacher (Hrsg.), Angelika Wetterer (Hrsg.). Münster: Verl. Westfäl. Dampfboot (Forum Frauen- und Geschlechterforschung), 2009, S. 64-81
Inhalt: Der Beitrag stellt zunächst aus der Perspektive der geschlechtersoziologisch orientierten Forschung über Organisationen das "Rationalitätsparadigma" und seine Begründung dar und systematisiert dann die feministischen Überlegungen entlang ihrer Nähe bzw. Distanz zur Annahme der konstitutiven Rationalität moderner Organisationen aus gesellschaftstheoretischer und organisationstheoretischer Sicht. Für die neuere Diskussion werden eine system- und handlungstheoretische Argumentationslinie rekonstruiert. Die These der Autorinnen ist, dass handlungstheoretische Paradigmen in Anlehnung an die Sozialtheorie von Pierre Bourdieu für die Weiterentwicklung feministischer Organisationsforschung am meisten versprechen. Dieser Ansatz ist jedoch bisher eher auf Professionen und Berufe angewandt worden. Die Ausarbeitung im Hinblick auf die Besonderheiten von Organisationen steht noch am Anfang. Die Frage ist hier, ob Rationalitätsansprüche von Organisationen strategisch beim Wort genommen werden können, um Gleichstellungs- und Anerkennungsansprüchen von Frauen Geltung zu verschaffen, da in den letzten Jahren ist empirisch deutlich geworden ist, in welchem Maße persistente und veränderliche Geschlechterbeziehungen und die Strategien der Akteurinnen von ihren jeweiligen institutionellen und kulturellen Kontexten geprägt sind. (ICA2)
CEWS Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Netzwerke und Organisationen, Geschlechterverhältnis
Dokumenttyp:Sammelwerksbeitrag
Zum Umgang mit der Naturalisierung des Sozialen im Bildungssystem: Macht und Ungleichheit in den Schriften Mathilde Vaertings
Titelübersetzung:Dealing with social naturalization in the education system: power and inequality in the writings of Mathilde Vaertings
Autor/in:
Toppe, Sabine
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS); Rehberg, Karl-Siegbert; Kongress "Die Natur der Gesellschaft"; Frankfurt am Main, 2008. S 1514-1527
Inhalt: "Die Naturalisierung des Sozialen in Deutschland hat viele und widersprüchliche Gesichter und lässt sich nicht zuletzt in Zusammenhang mit wachsender sozialer Ungleichheit und Armut zunehmend in bildungspolitischen Diskursen und schulischen Praktiken beobachten. Wenn es um eine Erklärung der nachweislich in Deutschland besonders ausgeprägten Ungleichheit der Bildungschancen nach der sozialen Herkunft geht, fällt der Blick vordringlich auf die Familie, mit einer zunehmend wahrnehmbaren Formulierung geschlechterdifferenzierender Verantwortlichkeiten und einem ungebrochenen Rückgriff auf die strukturelle und symbolische Bedeutung einer quasi 'naturhaften' Mutterrolle. Im Hinblick auf die soziologische Grundfrage, wie Bildung und Erziehung die qua Geburt, sozialer Herkunft sowie Geschlechts- und ethnischer Zugehörigkeit ungleich verteilten Lebenschancen zementiert oder verstärkt, will dieser Beitrag Grundlagen der Naturalisierung von Geschlechterdifferenzen im Umgang mit sozialer Ungleichheit im Bildungssystem nachspüren, wie der historisch gewachsenen normativen Zuschreibung und Naturalisierung von Sozialkompetenz als weiblicher Fähigkeit im Bildungssystem, die verstärkt in Debatten um Raum für öffentliche oder private Erziehung verknüpft wird mit Rückgriffen auf das tradierte Bild der 'fürsorglichen Mutter' bzw. dem Verweis auf die private Sorgearbeit. 'Neu gelesen' werden dazu Veröffentlichungen Mathilde Vaertings, der eher in Vergessenheit geratenen soziologischen 'Klassikerin', deren bildungs- und erziehungssoziologisch relevante Positionen in den letzten Jahren vor allem von der pädagogischen und soziologischen Geschlechterforschung in den Blick genommen wurden. Mathilde Vaertings Ausführungen zur Verknüpfung von Unterschied und Ungleichheit und zur Verschränkung von Kultur, Wissen und Macht befassen sich mit Problemstellungen, die heute in der Soziologie sozialer Ungleichheit wie in der Geschlechtersoziologie zentral sind und mit Michel Foucaults Konzept der Produktivität der Macht oder mit Pierre Bourdieus Habituskonzept beschrieben werden." (Autorenreferat)
Schlagwörter:gender studies; role; education; soziale Herkunft; educational policy; power; Diskurs; discourse; determinants; Erziehung; Federal Republic of Germany; culture; Mutter; nature; education system; Foucault, M.; social inequality; inequality; Bildungssoziologie; Bourdieu, P.; social background; naturalization; knowledge; Macht; Natur; Einbürgerung; Bildungswesen; mother; Familie; Geschlechterforschung; family; Foucault, M.; Rolle; Bourdieu, P.; Bildungspolitik; Kultur; Determinanten; Ungleichheit; soziale Ungleichheit; Wissen; sociology of education
SSOAR Kategorie:Bildungs- und Erziehungssoziologie, Frauen- und Geschlechterforschung
Titelübersetzung:The conflict theory of feminist theories
Autor/in:
Funder, Maria
Quelle: Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien: eine Einführung. Thorsten Bonacker (Hrsg.). Opladen: Leske u. Budrich (Friedens- und Konfliktforschung), 2008, S. 293-318
Inhalt: Angesichts der Vielfalt feministischer Erklärungsansätze konzentriert sich die Autorin in ihrer Einführung auf den Strang der feministischen Theoriebildung, in dem es um die Verortung des Geschlechterverhältnisses in gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge geht. Vorgestellt werden Erklärungsansätze, die einen gesellschaftstheoretischen Bezugsrahmen aufweisen und die Herstellung, Reproduktion und Veränderung von Hierarchie im Geschlechterverhältnis zum Thema machen. Dies gilt insbesondere für Arbeiten, die in der Tradition der marxistischen und kritischen Theorie stehen und das Geschlechterverhältnis als gesellschaftlichen Strukturzusammenhang begreifen. Angesprochen werden der Grundkonflikt der Geschlechterungleichheit, die Genese und Funktion von Geschlechterordnungen im Kontext der gesellschaftlichen Reproduktion, die Rolle des Geschlechts als Strukturierungsmerkmal moderner Gesellschaften, Geschlechterhierarchie und Rechtsgeschichte aus der Akteursperspektive sowie das Integrationsmodell von Nancy Fraser. Die Autorin geht ferner auf ein Beispiel zu Anfang der 90er Jahre ein, wo die Auseinandersetzung um die Bestätigung von Clarence Thomas zum Bundesrichter und die Reputation der Professorin Anita Hill die amerikanische Öffentlichkeit bewegte. Hier wird gezeigt, dass es bei öffentlich ausgetragenen Geschlechterkonflikten immer auch um Fragen der Macht, der Reputation und Anerkennung geht. In einem Ausblick werden die Weiterentwicklungen der feministischen Theoriebildung aufgezeigt. (ICI2)
CEWS Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Geschlechterverhältnis
Dokumenttyp:Sammelwerksbeitrag
"Intersectionality" - ein neues Paradigma der Geschlechterforschung?
Titelübersetzung:"Intersectionality" - a new paradigm in gender studies?
Autor/in:
Knapp, Gudrun-Axeli
Quelle: Was kommt nach der Genderforschung?: zur Zukunft der feministischen Theoriebildung. Rita Casale (Hrsg.), Barbara Rendtorff (Hrsg.). Bielefeld: transcript Verl. (Gender Studies), 2008, S. 33-53
Inhalt: Auch in der deutschsprachigen Frauenforschung haben Unterschiede unter Frauen von Anfang an als interne Kritik- und Korrekturperspektive auf der Agenda gestanden. Die intersektionelle Perspektive wird als neu wahrgenommen, bringt aber nichts wirklich Neues. Ein Aspekt des Neuen am Intersektionalitätskonzept mag sein, dass es sich unter veränderten Übersetzungsverhältnissen zwischen Gesellschaft, Wissenschaft und Politik materialiter und rhetorisch als innovativ ausweisen lässt. Fragen der Vermittlung oder der Beziehungen zwischen unterschiedlichen Formen sozialer Ungleichheit und Differenz sind in der Geschlechterforschung in den vergangenen Jahren jedenfalls vom Rand ins Zentrum gerückt. Das Spektrum der Thematisierung von Ungleichheit und Verschiedenheit unter Frauen hat sich in der deutschsprachigen Geschlechterforschung im Vergleich zu den 1980er Jahren erweitert. (ICE2)
Organisation: Die Debatte um "Gendered Organizations"
Titelübersetzung:Organization: the debate concerning "gendered organizations"
Autor/in:
Wilz, Sylvia M.
Quelle: Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung: Theorie, Methoden, Empirie. Ruth Becker (Hrsg.), Beate Kortendiek (Hrsg.), Barbara Budrich (Mitarb.), Ilse Lenz (Mitarb.), Sigrid Metz-Göckel (Mitarb.), Ursula Müller (Mitarb.), Sabine Schäfer (Mitarb.). Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwiss. (Geschlecht und Gesellschaft), 2008, S. 505-511
Inhalt: In der Analyse des Zusammenhangs von Organisation und Geschlecht sind, so die Verfasserin, klare Entwicklungslinien auszumachen. Ausgangspunkt der Forschung ist nach wie vor die Frage nach der sozialen Ungleichheit zwischen den Geschlechtern im sozialen Feld von Arbeit und Organisation. Mit dem Nachweis des Wandels in diesen Bereichen ist immer stärker die Frage nach den Ursachen und den Prozessen der Auflösung oder Verfestigung von Geschlechtersegregation und -differenzierung in Organisationen in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Herausgestellt wird in neueren Arbeiten, dass sich berufs- und organisationsübergreifend keine generellen Aussagen mehr machen lassen, sondern dass über verschiedene empirische Felder und Organisationstypen hinweg Unterschiede bestehen: So gibt es Bereiche von Organisationen, in denen keine systematischen Geschlechterdifferenzen mehr zu beobachten sind, es gibt Anzeichen dafür, dass Geschlechterdifferenzen situativ und kontextabhängig relevant gemacht werden, und es gibt Hinweise dafür, dass bestimmte Formen der Geschlechterdifferenzierung und -hierarchisierung fortbestehen. Damit wird die vordem klare Gegenüberstellung der Pole 'Organisationen sind geschlechtsneutral' der Organisationsforschung und 'Organisationen sind durchgängig und systematisch gendered' der Frauenforschung modifiziert. Mit dem Blick auf Prozesse des Gendering und des De-Gendering auf verschiedenen Ebenen von Organisationen - der Ebene von Strukturen, von Interaktionen, der 'kulturellen' Ebene, von Symbolen und Sinngebung - verschiebt sich gleichzeitig der theoretische Fokus von der Analyse von Organisation und Geschlecht als Strukturzusammenhang zur Analyse dieser Prozesse als strukturierte Praxis und soziale Konstruktion von Organisation und Geschlecht. Für die weitere Forschung ist zentral, einerseits den 'großen Bogen' der Analyse des Zusammenhangs von Arbeit, Organisation, Gesellschaft und Geschlecht nicht aus dem Blick zu verlieren und andererseits den Fokus weiterhin stärker auf das organisatorische Geschehen direkt zu richten. (ICF2)
Inhalt: Die Autorinnen beleuchten in ihrem Aufsatz die Intersektionalität aus einer institutionenkritischen Perspektive, welche ihre Anregungen sowohl aus der kritischen Staatstheorie, aus hegemonietheoretischen Ansätzen und neueren Theorien der Gouvernementalität bezieht. Die Analyse der Wechselwirkungen von Geschlecht, Klasse und Ethnizität/Rasse bezieht sich ihrer Meinung nach auf gesellschaftliche Verhältnisse, die auch in staatlichen Strukturen und Normierungen und in veränderten Formen von Subjektivität und Subjektivierung ihren Niederschlag finden. Aus dieser Perspektive betrachtet, kann das inzwischen auch in Europa gängige Konzept der Diversität als ein spezifisches Mittel betrachtet werden, um Menschen und Bevölkerungsgruppen zu regieren. Die Autorinnen gehen der Frage nach, welche Formen die Diversitätspolitiken gegenwärtig aufweisen, worin ihre spezifische Selektivität besteht und warum bestimmte Formen von Ungleichheit im Rahmen von Diversitäts- und Antidiskriminierungspolitik systematisch ausgeblendet werden. Die Diversität wird dabei als gouvernementale Rationalität interpretiert, in deren Rahmen das Regieren von sich wandelnden Formen der Differenz zu einer neoliberal modernisierten Herrschafts- und gesellschaftlichen Steuerungsform wird. (ICI2)
CEWS Kategorie:Frauen- und Geschlechterforschung, Geschlechterverhältnis
Dokumenttyp:Sammelwerksbeitrag
Geschlechterregime im Top-Management europäischer Konzerne : Wirtschaftseliten in Frankreich, England und Deutschland
Titelübersetzung:Gender regime in the top management of European trusts : economic elites in France, England and Germany
Autor/in:
Schunter-Kleemann, Susanne
Quelle: Willkommen im Club?: Frauen und Männer in Eliten. Regina-Maria Dackweiler (Hrsg.). Münster: Verl. Westfäl. Dampfboot (Forum Frauen- und Geschlechterforschung), 2007, S. 49-68
Inhalt: Der Beitrag zur Frauen- und Geschlechterforschung markiert vor dem Hintergrund der Konjunktur empirischer Studien zu den Rekrutierungsmechanismen für Spitzenpositionen von Wirtschaftsunternehmen eine Leerstelle dieser Untersuchungen: Obwohl auf eindringliche Weise soziale Schließungsmechanismen nachgewiesen werden, gerät das Fernhalten der sozialen Gruppe der Frauen aus den Führungsetagen der Wirtschaft in den europäischen Ländern in diesen Untersuchungen nur am Rande in den Blick. So geht es in den Ausführungen einerseits darum, das verfügbare statistische Zahlenmaterial vorzustellen, um die Ausgrenzung von Frauen aus den obersten Führungsetagen auf quantitativer Ebene fassbar zu machen. Hierbei bezieht sich die Autorin auf zwei exklusive Gruppen: Erstens geht es um Positionen mit großer wirtschaftlicher Entscheidungsmacht, also um die Vorstände und Aufsichtsräte der jeweils größten börsennotierten Großunternehmen; zweitens um Spitzenfunktionen in den großen multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen, den Banken, Börsen und Investmentfonds und damit um die Berufsgruppen der BankerInnen und AnalystInnen, die heute maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen ausüben. Mehr noch als zahlenmäßige Trends interessieren hier allerdings die geschlechtsdiskriminierenden Muster und Regeln der Auswahl von Führungspersonal in diese Spitzenpositionen, die faktisch zur Ausgrenzung von Frauen führen und Schließungsprozesse ihnen gegenüber produzieren. Entsprechend werden die Karrierewege, die Habitusformen und Distinktionsstrategien der Wirtschaftseliten vor dem Hintergrund der aktuellen ökonomischen Transformationen in drei Kernländern des Kapitalismus, in Frankreich, England und Deutschland mit einem kritisch-distanzierten Blick beschrieben, d.h. im sekundäranalytischen und oft gegen den Strich zu bürstenden Rekurs auf Forschungsliteratur zu den ökonomischen Machtkonstellationen in diesen drei Ländern. (ICG2)
Mit Eliteförderung zur Geschlechtergerechtigkeit? : Stellungskämpfe von Frauen- und Geschlechterforscherinnen im Wissenschaftsfeld
Titelübersetzung:Gender justice through the promotion of elites? : struggles by female researchers on women and gender in the field of science
Autor/in:
Andresen, Sünne
Quelle: Willkommen im Club?: Frauen und Männer in Eliten. Regina-Maria Dackweiler (Hrsg.). Münster: Verl. Westfäl. Dampfboot (Forum Frauen- und Geschlechterforschung), 2007, S. 126-144
Inhalt: Der Beitrag zur Frauen- und Geschlechterforschung geht davon aus, dass sich der Kampf für den Abbau von sozialer Ungerechtigkeit und die Befürwortung eines affirmativen Elitekonzepts in Bildung und Wissenschaft ausschließen. Eine herrschaftskritische Frauen- und Geschlechterforschung muss ohne dieses Konzept auskommen, so die zu begründende These. Im ersten Schritt wird auf die Frage eingegangen, warum jeder Elitebegriff ein anti-demokratisches Konzept darstellt, an das Befreiungsbewegungen, die einen plural-universalistischen Anspruch verfolgen, nicht anknüpfen können. Im zweiten Schritt setzt sich die Autorin aus diesem Blickwinkel mit den Zugängen zu Elitekonzepten und zum aktuellen Elitediskurs in der Frauen- und Geschlechterforschung auseinander. Es wird gezeigt, dass die affirmative Haltung zum Elitediskurs vor allem ein Effekt der immer noch marginalen Position von Frauen- und Geschlechterforscherinnen im Wissenschaftsfeld ist, die zur Folge hat, dass sie die 'Regeln des Spiels' kaum beeinflussen, geschweige denn grundlegend verändern können. Im abschließenden Fazit wird ein Ausweg aus diesem Dilemma diskutiert, der nach Ansicht der Autorin darin besteht, sich beständig die Möglichkeiten von Kritik und Widerstand im Feld von Wissenschafts- und Bildungspolitik zu vergegenwärtigen und die hier herrschenden Diskurse sowie die eigenen Handlungen daraufhin zu prüfen, ob sie Kritik und Einspruch förderlich oder hinderlich sind. (ICG2)