CEWSwiki Forschungsprojekte zu Gender und Wissenschaft

Geschlecht und Forschungsförderung

Rahmenbedingungen

von 2006/10 bis 2008/11
abgeschlossen
Auftragsforschung
Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung - SNF -; Gleichstellung Forschungsförderung

Projektbeschreibung

GEFO
Gender and research promotion

Ausgangslage: Nach wie vor sinkt der Frauenanteil im Laufe akademischer Karrieren von Stufe zu Stufe, wobei die geschlechtsspezifischen Selektionsprozesse (metaphorisch auch als leaky pipeline bezeichnet) je nach Fachbereich bei unterschiedlichen Statuspassagen und unterschiedlich stark aufzutreten scheinen (European Commission 2000, 2006; Leemann 2002, 2005). Bei der Analyse von Faktoren, welche zu einem überproportionalen Ausscheiden von Frauen führen bzw. umgekehrt Frauen darin unterstützen, gleichberechtigt mit den Männern eine wissenschaftliche Laufbahn aufzunehmen, ist zu unterscheiden zwischen wissenschaftsexternen Faktoren wie Alter, Familiensituation und Betreuungsaufgaben, persönliche Motivationen, soziale Herkunft und wissenschaftsinternen Faktoren wie männlich geprägte Wissenschaftskultur, Fachstrukturen, fachliche Unterstützung durch Mentor/-innen und Netzwerke, Integration in die Hochschule, die Forschung und in die weitere scientific community (vgl. u.a. Long und Fox 1995).

Zu den wissenschaftsinternen Faktoren zählen auch der Zugang zu und die Unterstützung durch Massnahmen und Instrumente der Forschungs- und Nachwuchsförderungspolitik, wobei diese Bereiche der bewussten wissenschafts- und gleichstellungspolitischen Steuerung besser zugänglich sind als die Aspekte der wissenschaftlichen Förderung und Integration durch die einzelnen Hochschullehrer/-innen, die Institute und Fakultäten sowie die weitere scientific community. Die genannten wissenschaftsinternen und -externen Faktoren haben nicht nur direkten Einfluss auf die Karriereverläufe, sondern auch indirekten, indem sie die für eine wissenschaftliche Laufbahn erforderliche Leistungen und Anforderungen (Antragsverhalten, Stellenbewerbungen, Publikationsoutput, Mobilitätsbereitschaft, Motivationen) moderieren. In der Schweiz gibt es, anders als in anderen Ländern, nur wenige Alternativen zu einer Förderung der eigenen Forschung durch den SNF: Neben Forschungsgeldern der Hochschulen, der Industrie und von Stiftungen sind die EU-Rahmenprogramme zu nennen. Der Frauenanteil bei den Forschungsanträgen des SNF ist noch sehr gering und es gibt Hinweise darauf, dass diese Anteile nicht dem tatsächlichen Potenzial an möglichen Gesuchstellenden entsprechen (Jänchen und Schulz 2005).

Zielsetzungen des Forschungsprojektes: Die Studie verfolgt zwei Zielsetzungen, wobei die erstere einen beschreibenden, die zweite einen erklärenden Ansatz verfolgt.

Zielsetzung 1: Die geschlechtsspezifischen Verlustraten (leaky pipeline) werden soweit wie möglich nach Fachbereichen aufgeschlüsselt quantifiziert und in ihrer historischen Entwicklung dargestellt. Die Karriereverläufe des wissenschaftlichen Nachwuchses werden, auch im Hinblick auf die Abfolge von Personen- und Projektförderung durch den SNF, beschrieben.

Zielsetzung 2: Die wissenschaftsinternen- und externen Gründe für die geschlechtsspezifischen Verlustraten werden analysiert, insbesondere auch die Rolle der vom SNF betriebenen Forschungsförderungspolitik. Dabei interessiert die Frage, welche geschlechtsspezifischen Barrieren beim Zugang zu den Fördermassnahmen vorhanden sind und inwiefern erhaltene Fördermittel die wissenschaftlichen Laufbahnen von Nachwuchsforschenden unterstützen. Die Studie soll dem SNF wissenschaftliche Grundlagen für die Planung seiner Gleichstellungsmassnahmen liefern und wird deshalb Schlussfolgerungen für die Genderpolitik in der Forschungsförderung ziehen.

(Zwischen-)Ergebnisse: Beschreibung der Leaky Pipeline: Die Auswertungen des Schweizerischen Hochschulinformationssystems (SHIS) zeigen, dass bei den untersuchten Statuspassagen (Doktorat, Habilitation) überproportional mehr Frauen als Männer aus den wissenschaftlichen Laufbahnen ausscheiden. Ohne die akademische Zuwanderung von Frauen auf Doktoratsstufe und später würde das Potenzial an weiblichen Nachwuchsforschenden im Schweizer Hochschulsystem vor allem in Fachbereichen mit tiefem Frauenanteil geringer ausfallen. Beim Bild der Leaky Pipeline ist disziplinenspezifischen Differenzen Rechung zu tragen. In den Technischen und den Wirtschaftswissenschaften sowie gewissen Disziplinen der Exakten und Naturwissenschaften stellt bereits die Studienwahl eine geschlechtsspezifische Hürde dar. Der Schritt vom Studienabschluss zum Doktorat ist anschliessend mit weniger Ungleichheit verbunden. In den Geistes- und Sozialwissenschaften dagegen, wo der Frauenanteil unter den Studierenden hoch ist, stellt der Beginn eines Doktorats die erste entscheidende Barriere für Frauen dar, der Abschluss einer Habilitation die zweite. In der Medizin/ Pharmazie sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede bis und mit Doktorat vergleichsweise klein, danach aber schaffen Frauen den Schritt zur Habilitation deutlich seltener. Nach dem Studium ist der Beginn, und weniger der erfolgreiche Abschluss eines Doktorats das geschlechtsspezifische Hindernis. Besonders in den Rechtswissenschaften, den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie den Wirtschaftswissenschaften beginnen Hochschulabgängerinnen seltener ein Doktorat als Männer. Ist der Entscheid für das Doktorat einmal gefallen, schliessen Frauen zwar ebenfalls seltener ab als Männer, die Unterschiede bei den Erfolgsquoten sind jedoch geringer als beim Übertritt ins Doktoratsstudium. Als Gesamttendenz schält sich über den beobachteten Zeitraum von rund zwanzig Jahren (1978-2006) eine Annäherung der geschlechtsspezifischen Doktoratsquoten heraus, was jedoch vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die Doktoratsquote der Männer längerfristig abgenommen hat, besonders in den Rechtswissenschaften, den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie den Exakten und Naturwissenschaften. Werden die beruflichen Laufbahnen (Anstellungen im Hochschulbereich) untersucht, finden sich bei Kontrolle von Fachbereichsdifferenzen innerhalb von fünf Jahren nach dem Doktorat keine Hinweise auf ein überproportionales Ausscheiden von Frauen aus wissenschaftlichen Laufbahnen. Sie sind gleich häufig im Hochschulbereich tätig und haben gleich oft eine wissenschaftliche Position inne wie Männer. Ein Rückzug oder Verdrängt-Werden aus einer wissenschaftlichen Tätigkeit ist in der postdoktoralen Phase (noch) nicht erkennbar. Es kann also davon ausgegangen werden, dass in dieser zentralen Laufbahnetappe ein unvermindertes Potenzial an weiblichen Nachwuchswissenschaftlerinnen vorhanden ist, die versuchen, die Laufbahn im Wissenschaftsbereich nach dem Doktorat fortzusetzen.

Forschungsförderung des "SNF Frauen" stellt bis fünf Jahre nach dem Doktorat gleich häufig Anträge bei der Personen- und Projektförderung des SNF und weiterer Institutionen der Forschungsförderung. Unter den Forschenden, die 2002 bis 2006 erstmals mit Anträgen in der Projektförderung oder für eine Förderungsprofessur an den SNF gelangten, reichten Frauen nicht weniger Gesuche ein, verlangten gleich hohe Summen und hatten dieselben Erfolgschancen. Es gibt demnach weder Hinweise dafür, dass Frauen sich häufiger über die Akquisition von Drittmitteln in Form von Stipendien oder Forschungsgesuchen ihre weitere Laufbahn zu finanzieren versuchen - als Indiz für eine schlechtere Hochschulintegration -, noch finden wir Ansatzpunkte für die These, Frauen hätten grössere Hürden zu überwinden, um ein Förderungsgesuch einzureichen oder bewilligt zu erhalten. Es gibt auch aufgrund der Interviews keine Anhaltspunkte dafür, dass Wissenschaftlerinnen bezüglich der Möglichkeiten der Forschungsförderung weniger gut informiert wären, grössere Zurückhaltung ausüben würden, sich um Finanzierungen zu bewerben, oder den SNF als unzugänglicher und weniger unterstützend erleben als Männer. Der SNF hat in den letzten Jahren diverse Anstrengungen in Sachen Gleichstellung von Frau und Mann unternommen. Diese scheinen sich hier auszuzahlen.

Maßnahme; Frauenanteil; Bildungsverlauf; Förderungsprogramm; Forschungspolitik; Forschungsförderung; Stipendium; Geschlechtsspezifische Faktoren; Wissenschaftlicher Nachwuchs; Leaky Pipeline
Schweiz; Europa

Beteiligte Institutionen

SRED Service de la recherche en éducation
Andere Institution

Büro für Arbeits- und Sozialpolitische Studien -BASS- AG
Kommerzielle Forschungseinrichtung

Pädagogische Hochschule Zürich
Pädagogische Hochschule
Abt. Forschung und Entwicklung

Universität Zürich
Universität
Wirtschaftswiss. Fakultät

Bundesamt für Statistik -BfS- Sektion Bildungssysteme, Wissenschaft und Technologie
Andere Institution

Beteiligte Personen

Regula Julia Leemann; Heidi Stutz
Sandra Da Rin; Andrea Keck; Susan Gürber; Philipp Dubach; Silvia Strub; Jürg Guggisberg; Gesine Fuchs; Sabina Schmidlin; Katrin Schönfisch; Stefan Boes; Irène Schwob; Shams Ahrenbeck; Karin Müller

Methoden & Stichprobe

Qualitatives Interview; Dokumentenanalyse
Sekundäranalyse
NachwuchswissenschaftlerInnen

Ergebnisse/Output

Auswahl:

Leemann, Regula Julia; Dubach, Philipp; Boes, Stefan (2010): The Leaky pipeline in the Swiss university system : identifying gender barriers in postgraduate education and networks using longitudinal data. In: Schweizerische Zeitschrift für Soziologie 36 (2), S. 299–323.

Leemann, Regula Julia (Hg.) (2010): Forschungsförderung aus Geschlechterperspektive. Zugang, Bedeutung und Wirkung in wissenschaftlichen Laufbahnen. Zürich: Rüegger.

Leemann, Regula Julia; Da Rin, Sandra (2010): Zum Verhältnis von Forschungsförderung, Laufbahn und Geschlecht - feldspezifische und habituelle Bedingungen. In: Regula Julia Leemann (Hg.): Forschungsförderung aus Geschlechterperspektive. Zugang, Bedeutung und Wirkung in wissenschaftlichen Laufbahnen. Zürich: Rüegger, S. 135–155.

Leemann, Regula Julia; Stutz, Heidi (2008): Geschlecht und Forschungsförderung (GEFO). Snthesebericht. Bern: Schweizerische Nationalfonds (SNF). Online verfügbar unter http://www.snf.ch/SiteCollectionDocuments/Web-News...