Inhalt: There is mixed support for the glass cliff hypothesis that firms will more likely appoint female candidates into top management positions when in crisis. We trace the inconsistent findings back to an underdeveloped theoretical link and deficient identification strategies. Using signaling theory, we suggest that crisis firms appoint female top managers to signal change to the market and argue that the effect is context-dependent. In a field study of 26,156 executive appointments in U.S. firms between 2000 and 2016, we exploit a regression discontinuity to test for the causal impact of firm crisis status on the likelihood of female top management appointments and for moderators of the effect. We find that crisis status leads to a significant increase in female top management appointments and that crisis (vs. noncrisis) firms are more likely to frame female appointments as change-related in press releases. Importantly, the presence of the glass cliff effect hinges on attributes of the signaler (absence of another female executive), signal (appointment type), and receiver (investor attention). The findings robustly evidence the glass cliff and our theoretical extensions.
Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern auf dem Arbeitsmarkt hat das eingängige Bild von der „gläsernen Decke“ geprägt, durch die Frauen die höchsten Karrierestufen zwar sehen, aber nicht erreichen können. Damit verwandt ist die „gläserne Klippe“: Unternehmen in einer schweren Krise sind nach dieser Theorie eher geneigt, Frauen auf leitende Positionen zu berufen. Endlich oberhalb der „gläsernen Decke“ angekommen, sehen diese Frauen mit der Existenz der Firma aber auch ihre Karrieren bereits nah am Abgrund: Eine versteckte Form der Diskriminierung. Die Existenz des Phänomens war bisher sehr umstritten, nun liefern die Konstanzer Forscher stichhaltige Belege, dass es die „gläserne Klippe“ gibt, und wie sie zustande kommt.
Die „gläserne Klippe“
„Ein sehr eindrückliches Bild ist das“, findet Florian Kunze, der an der Universität Konstanz zur Rolle von Führungskräften in Organisationen forscht, „und natürlich gibt es einige prominente Beispiele, auch aus der Politik. Theresa May etwa, die direkt nach dem Brexit-Votum 2016 Premierministerin in Großbritannien wurde und an der schwierigen Aufgabe scheiterte, den Austritt aus der Europäischen Union zu verhandeln. Aber die meisten Beispiele für die ‚gläserne Klippe‘ bei der Beförderung von weiblichen Top-Führungskräften gibt es im Wirtschaftsbereich.“ Doch ob es sich dabei um Einzelbeispiele handelt oder die „gläserne Klippe“ ein allgemeines Phänomen ist, darüber herrscht in der Forschung noch große Uneinigkeit.
Kunze und seine Kollegen entwickelten daher auf der Grundlage sehr umfangreicher Daten aus der Praxis eine neue Studie: Sie berücksichtigten mehr als 26.000 Ernennungen auf Top-Führungspositionen im Vorstand in fast 4.000 US-amerikanischen Firmen und deckten dabei den Zeitraum zwischen 2000 und 2016 ab. Dr. Max Reinwald von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der seit Jahren mit Kunze zusammenarbeitet, erklärt die Motivation: „Es geht um das tatsächliche Ausmaß der Diskriminierung weiblicher Führungskräfte: Bei einer Berufung auf eine ‚gläserne Klippe‘ führt der für Frauen ohnehin schwierige Weg an die Unternehmensspitze zwar vorerst zu einer Top-Position. Aber viele Frauen könnten sich dann dort nicht etablieren, da das Risiko zu scheitern in einer Unternehmenskrise natürlich um ein Vielfaches höher ist.“
Existiert die „gläserne Klippe“ wirklich?
Um das Ausmaß der Verbreitung von „gläsernen Klippen“ genau zu bestimmen, sahen die Forscher sich daher solche Firmen näher an, die noch knapp über oder schon knapp unter der Schwelle zur Krisenfirma waren. „Der Schwellenwert, ab dem einer Firma die Zahlungsunfähigkeit droht, ist eine leicht errechenbare Zahl, und die ist in Wirtschaftskreisen weit verbreitet. Andere Kennzahlen wie beispielweise Firmengröße sind davon unberührt“, erklärt Ko-Autor Dr. Johannes Zaia. „Dadurch können wir den Effekt einer Firmenkrise auf weibliche Berufungen isolieren. Und tatsächlich finden wir: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau in eine Spitzenposition berufen wird, ist bei Krisenfirmen rund 50 Prozent höher.“ Auch wenn Männer nach wie vor die überwiegende Mehrzahl der Berufenen bilden, werden Frauen in Krisenunternehmen also viel eher für die Chefetage berücksichtigt. Der Befund bestätigt die Existenz der „gläsernen Klippe“ nachdrücklich.
Berufung von Frauen als Signal
Die Organisationsforscher nahmen an, dass Unternehmen in der Krise bei neuem Spitzenpersonal nicht nur nach bestimmten Führungsqualitäten suchen. Vor allem seien sie daran interessiert, ihren Investoren ein Signal zu senden: „Wenn eine Firma in finanziellen Schwierigkeiten plötzlich eine Frau auf einen Vorstandsposten beruft, dann kommuniziert sie dem Finanzmarkt: ‚Wir wissen, dass wir etwas tun müssen, und seht her, wir sind tatsächlich zu großen Veränderungen bereit.‘ Ein klares Zeichen für Aufbruch, Wandel, Lernfähigkeit!“, erklärt Johannes Zaia die Theorie.
Diesen Signalmechanismus bestätigen weitere Befunde. Die Forscher fanden „gläserne Klippen“ nur bei Krisenunternehmen, für die die Signalwirkung wichtig ist: Unternehmen, die im Fokus der Aufmerksamkeit von Investoren stehen, und solche, bei denen bisher keine Frauen im Vorstand waren. Die Autoren gehen aufgrund ihrer Daten davon aus, dass die Signalfunktion weiblicher Berufungen der Hauptgrund für die ‚gläserne Klippe‘ sei. Florian Kunze erklärt: „Für die Unternehmen halten als Signal nicht selten Berufungen von Frauen her, die bisher nicht in die Leitungsebene aufsteigen durften – sicher nicht der beste Mechanismus, um die ‚gläserne Decke‘ zu überwinden.“
Die Autoren empfehlen zur nachhaltigen Beseitigung der gläsernen Klippe ein gestärktes Bewusstsein für die Gründe, warum und unter welchen Umständen bestimmte Personalentscheidungen getroffen werden. Der Besetzung von Vorstandsposten sollte ein transparenter und offener Findungsprozess anstelle von Verhandlungen hinter verschlossenen Türen vorausgehen. Würden so erkennbar jeweils die am besten geeigneten Führungspersonen ausgewählt werden, hätte dies ebenfalls positive Signalwirkung – ohne Diskriminierung
Schlagwörter:Diskriminierung; Führungsposition; Gender; glass ceiling; glass cliff; Krise; Organisation; signal theory; Unternehmen; USA
CEWS Kategorie:Arbeitswelt und Arbeitsmarkt, Geschlechterverhältnis
Dokumenttyp:Zeitschriftenaufsatz